Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.84

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2.84  Ein Sendbrief von Annecken Jans Tochter, des Esajas de Lind Mutter, an D. I. im Jahre 1538 geschrieben.

Der Herr, der in der Ewigkeit wohnt, dessen Augen erhaben sind über alles und in der Luft, dessen Thron nicht betastet und dessen Herrlichkeit nicht begriffen werden kann, vor welchem der Engel Heer mit Beben steht (ach! wie viel mehr wir), deren Erhaltung in Wind und Feuer verwandelt wird, dessen Wort wahrhaftig und dessen Rede unbeweglich, dessen Befehl stark und dessen Gestalt schrecklich ist, dessen Ansehen die Tiefe vertrocknet, und dessen Zorn die Berge weichen macht, dessen Wiederkunft wir mit Verlangen erwarten, er müsse in dir vermehren und ausführen, was er zu seinem Preise in dir angefangen hat. Ich danke meinem Vater und verherrliche meinen Seligmacher für die Gnadengabe in deiner Weisheit, welche durch einen hohen Geist und den wunderbaren Rat Gottes von oben kommt zur Ehre und Verherrlichung seines allerheiligsten Namens und zur Reinigung und Heiligung seines Volkes; gebenedeit seist du dem Herrn, meine Hände lassen nicht nach, werden auch nicht matt, dasjenige fortzutreiben, was du angefangen hast an des Herrn Bau zu arbeiten; sei du die Wanne in des Herrn Hand, bereite dem Herrn ein angenehmes Volk, damit er eilend zu seinem Tempel komme, denn er hat einen großen Ekel an allem Unreinen, gleichwie geschrieben steht: Verflucht sei der Mann oder Mensch, der dem Herrn ein unreines Opfer bringt. Darum, o du tapferer Führer Israels, du Geliebter des Herrn, trage fleißig Sorge für den Weinberg, beschneide seine Schösse, tue hinweg, was seinem Wachstume hinderlich ist, wodurch sie ihrem Herrn missfallen mögen; der Herr wolle deine Kraft vermehren und dir mehr Weisheit geben, denn er hat Lust zu dir, zu dir, sage ich, welchen er zum Wächter in seinem Hause, zum Hirten seiner Herde gesetzt hat, der du als der Frommste unter ihnen angeschrieben bist, der Vornehmste unter dreien, des Königs Lust zu vergnügen, welches du durch die ernstliche Liebe zu deinem Gotte mit deinem Blute bewiesen, und wodurch du bei dem König viele Gaben und Gunst erlangt hast, wie solches täglich sichtbar ist, denn gleichwie der Regen das Erdreich und der Tau die Blumen des Feldes erfrischt, und ihren Geruch den Menschen lieblich macht, so gibt deine Ermahnung, Lehre und Unterweisung den Menschen Leben, Nahrung und Geschmack, obschon darin kein hoher Verstand ist, und ihnen den Weg der vollkommenen Weisheit Gottes zeigt, wodurch sie zu einem vollkommenen Manne in Christo Jesu unserem Herrn aufwachsen. O was hast du Schönes bei andern und Gutes vor anderen! Die solche sind, nehmen stets mehr und mehr in Tugenden zu, so lange, bis sie zu Gott selbst kommen und bei ihm öffentlich in Zion gesehen werden, wonach auch wir mit Schmerzen verlangen, um unseres Glaubens Ende zu sehen und zu beschauen. O ich erfreue mich darin, wenn ich höre, dass sich das Kreuz offenbart, und der Streit sich erhebt, und hoffe, dass mich der Herr erhören und mich von dieser irdischen Hütte meiner Wohnung erlösen wolle, damit ich das Trauerkleid ablegen, die herrliche und siegprächtige Zierde meines Herrn empfangen und zum Anschauen Gottes gelangen möchte. Ich will nun, mit andern, seine Wiederkunft in Geduld erwarten; ich bin sehr gewiss, warum er zögert; vielleicht bin ich ihm noch nicht gefällig oder rein genug, wohin ich auch Tag und Nacht arbeite, um mich vor dem Herrn, meinem Gott, rein darzustellen und meine Hände vor ihm unbefleckt aufzuheben; er selbst zupft mich bei den Haaren und sieht mich an mit freundlichen Augen, wie einer, der mich liebt, dass, wenn ich etwa in einen Schlaf verfiele, ich nicht ruhen möchte. In Wahrheit, das Überlegen seiner Gnade und Freundlichkeit gegen uns hat unser Verlangen zu ihm über die Maßen vermehrt. Es ist wahr, wir haben große Lust an seinem Gesetze, weshalb wir wohl noch leben möchten, um andere zu lehren und den Menschen bekannt zu machen, wer er sei, und wie bedachtsam man leben müsse, dass man ihn nicht erzürne. Siehe, wir wohnen ja mitten unter unsern Feinden, wie er sagt, dass diese Häuser nicht frei seien von der Feinde Anlauf und Verdrießlichkeit. So geht es mit den Aufrichtigen, die doch immer mit Furcht und Zittern im Anschauen Gottes wandeln, denn sie merken und erkennen den Adel ihres Rufs, und wie heilig sie sein müssen; sie hüten sich sehr vor aller Befleckung, und wollen nichts Unreines leiden; gleichwohl wird ihnen oft zu bange gemacht; doch über alles dieses ist unser Herz, unsere Seele und unser Geist an dem Orte, von welchem wir unsern König und Erlöser erwarten; darum wollen wir nicht aufhören uns zu reinigen, wie du in allen deinen Briefen ermahnst. Ja gewiss, es eilt die Erscheinung herbei, worauf ich warte, und seine Zukunft erzeigt sich sehr klar. Darum laß uns zusehen, dass wir uns in allem rein erweisen, denn wenn wir gereinigt sind, dürfen wir nichts als die Füße reinigen; hier ist Verstand, wer es liest, denn diesen dürfen wir nicht von der Erde erwarten. O du Geheiligter des Herrn! Sei tapfer, laß es dich nicht verdrießen; es ist noch um ein Geringes zu tun, dann wird er kommen und uns eine Probe seiner Herrlichkeit zeigen, der Welt zum Gerichte, ihm aber und uns zur Verherrlichung. Amen.

Dieses ist nach einem Briefe abgeschrieben, welcher von Esajas de Lind eigener Hand geschrieben ist; dieser war Anneken Jans Sohn, nach dem Zeugnisse des Esajas de Lind, seines Enkels.

Diese hat nachfolgendes Testament an ihren Sohn Esajas bestellt, und den 23. Januar im Jahre 1539, morgens gegen 9 Uhr überliefert, als sie sich zubereitete, für den Namen und das Zeugnis Jesu zu sterben, und hat damit von ihrem Sohne zu Rotterdam Abschied genommen.