Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.632

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2.632  Noch ein Bekenntnis des Reytse Ayseß, vor einem stolzen Pfaffen abgelegt, sowie einen Sendbrief oder eine Ermahnung an die Freunde.

Bald darauf ist ein Pfaffe gekommen, der sehr frech war; er fragte mich, wie ich mich auf den Brief bedacht, den mir der Bischof gesandt hätte. Reytse: Ich habe mich bedacht, wie ich zu dir das letzte Mal gesagt habe; von seinem Schreiben bin ich nicht schwächer, sondern stärker geworden, wiewohl er sehr grob schreibt, daß den Menschen keine Sünde hindert, und daß man das Abendmahl wohl mit Huren und Buben halten möge, daß aber keine Sünde so groß sei, daß sie dem Menschen hinderlich sein könne; das alles will er mit Mk 8 beweisen, wo der Herr die große Schar speiste. Reytse: Was willst du damit beweisen? Ach, wie blind bist du! Er wurde böse und wollte keine Schrift verstehen, sondern lästerte, redete sehr übel und sagte, daß ich mit meiner zweiten Taufe des Herrn Tod verachtete und verwürfe; ich entgegnete, daß ich des Herrn Tod nicht verachtete, sondern ihn als gut bekenne, denn, wenn ich so bekennen würde, wie du sagst, so wäre ich unselig, doch ich erkenne eure Taufe für keine Taufe, weil man keine Schriftstelle dafür hat; aber ihr verwerft Christi Tod, ja, sein Leiden mit eurer Kindertaufe, denn Christus hat uns erlöst; aber ihr sagt, daß die Kinder verdammt seien, was ihr doch mit der Schrift nicht beweisen könnt; von denen aber, die in Sünden leben und von welchen der Herr sagt, daß sie nicht das Reich Gottes ererben sollen, wie Trunkenbolde, Geizige, Hurer und so weiter, sagt ihr, daß sie selig werden können, aber von den armen Kindern, die selig sind, wie der Herr gesagt hat, sagt ihr, daß sie verdammt sind; ist das nicht eine klägliche Sache, daß ihr so verblendet seid? Darum wache einmal auf, ich bitte dich, denn du kommst damit zu kurz.

Er erwiderte, daß ich einen Glauben hätte wie ein Türke. Ich fragte ihn: Worin besteht der türkische Glaube? Er antwortete: Der Türke glaubt an ein Holz, oder was ihm ansteht. Ich sagte, daß sie an ein Stück Brot glaubten; dieses erhöben sie wie einen Gott, beteten es an und fielen davor auf die Knie und hielten es für einen Gott; ebenso auch die abgöttische Kindertaufe, denn inwiefern ist wohl dieselbe besser als der türkische Glaube?

Er wurde böse und lästerte sehr auf uns, hielt uns auch für das verkehrte Volk. Ich erwiderte: Sollte ich dir sagen, wofür ich euch halte, es würde dir nicht sehr gefallen. Er sagte, ich sollte es sagen. Reytse: Wohlan denn; ich will es dir sagen: Ich halte euch für die rauhe Welt, für eine Gemeinde der Toten und für Heiden und Türken, dem Geiste nach, und daß ihr von dem Leben, das aus Gott ist, entfremdet seid, wie Dan 12 steht und wie die Offenbarung von euch schreibt, und so wird es am Tage des Herrn befunden werden; darum tut Buße, und geht aus von ihr, damit ihr ihrer Sünden nicht teilhaftig werdet. Da stand er auf und lief fort, aber ich begegnete ihm in einem andern Saal, wo wir noch etwas miteinander von der Kindertaufe und von andern Dingen redeten. Zuletzt sagte er, er könne nicht länger da bleiben, denn er müsste bei einem Kind Gevatter stehen. Ich bat ihn, daß er es nicht tun sollte, denn das Kind sei so gut, als er es machen könne. Er antwortete, er wolle es dennoch tun. Er redete auch viel vom Krieg und von den Reformierten (Geusen), daß ihre Dinge nichts taugten, und sagte, daß wir ihnen mit Geld und Gut beiständen. Ich erwiderte, daß es nicht wahr wäre, was er sagte; wir begehrten ihnen keineswegs mit Geld oder Gut beizustehen, denn ich hielte von den Reformierten ebenso wenig als von ihnen, denn ihr könnt nicht vor Gott bestehen, weil ihr einander so jämmerlich verratet und erwürgt; gleichwohl sind die Reformierten nicht so blutdürstig wie ihr, denn hätten sie mich gefangen, sie ließen mich wohl laufen, aber ihr wollt mein Blut vergießen. Er wurde böse und sagte: Du verzweifelter Bösewicht, würden wir dich nicht töten, einen solchen Ketzer, wie du bist, wir könnten es nicht vor Gott verantworten, denn wir laufen so oft um deinetwillen, was wir um Geld und alle Güter dieser Welt nicht tun würden; darum sollst du hier das zeitliche Feuer und dermaleinst das ewige Feuer empfangen, weil du dich nicht unterweisen lassen willst, wiewohl wir doch so viel um dich getan haben. Ich redete ihm sehr liebreich zu, er aber sagte, daß ich den Teufel in mir hätte, und der Teufel verstelle sich in mir in einen Engel des Lichts, und hätte mich verführt, daß ich nicht auf dem rechten Weg bleiben könnte. Reytse: Ich habe den Teufel nicht in mir, sondern ich rede mit einem freien und fröhlichen Gemüt. Er lästerte sehr, führte auch keine Schriftstelle an, und meinte nur, daß sie für mich viel getan hätten, und allezeit bemüht seien, meine Seele zu gewinnen und mir das Leben zu erhalten; nun aber sei jede Hilfe umsonst und ich wollte von der Ketzerei nicht abstehen; darum müsste mich der Bischof abschneiden, wie sich solches gebühre. Reytse: Ich habe es niemals begehrt, daß ihr zu mir kommen sollt; ihr könnt ja wohl zu Hause bleiben, denn ich will euch nicht hören noch euch glauben; ihr hättet euer Laufen wohl unterlassen können, denn der Lohn, den ihr an mir verdient, wird nicht groß sein. Zuletzt hat er von dem Gebet geredet und sich seines Gebetes gerühmt, auch gesagt, daß er mehr in einer Woche bete, als ich in einem Vierteljahr; er hatte vieles von dem Gebet zu sagen, und wie Christus im Tempel gebetet hätte. Ich sagte, er wäre den Pharisäern gleich, die sich ihres Gebetes rühmten, auch im Tempel und an den Straßenecken ständen, damit sie von den Menschen gesehen werden möchten; in allen euren Worten seid ihr ihnen gleich, darum sieh wohl zu, wie du dich rühmst, denn man wird einen Baum an seinen Früchten erkennen, aber deine Früchte stehen mir nicht an. Er sagte, ich hätte eines Pharisäers Herz, er aber ihre Kleider; was denn nun das Beste wäre? Reytse: Nein, mich dünkt, daß du sie beide habest, das Herz und die Kleider, denn der Herr hat sich nicht so gezeigt, auch haben die Apostel zu ihren Zeiten solches Leben oder solche Kleidertracht nicht gehabt, wie ihr habt, was der Schrift entgegen ist; darum magst du wohl wissen, was du tust, und ich bitte dich, du wollest doch Buße tun, indem du vor dem Herrn nicht bestehen kannst, weder mit deinem Glauben noch mit deinem Wandel, oder auch mit deiner Gemeinde, für welche du doch an dem Tage des Herrn einstehen willst. Zuletzt ging er fort; ich sagte im Abgehen zu ihm, er sollte es dem Bischof sagen, daß er nicht nötig hätte, meinetwegen wiederzukommen, denn ich wollte ihn nicht mehr hören. Darauf bot er mir einen guten Tag und dann brachten sie mich wieder ins Gefängnis. Ungefähr drei Tage darauf kam der Bote vom Bischof und sagte, ich sollte nach drei Tagen das Urteil hören. Sie kamen auch auf den bestimmten Tag und verrichteten ihre Sachen, wie sie es verstanden, fällten auch das Urteil über mich und machten sich mit Worten groß, was sie von dem Urteil meinten. Nach verrichteter Sache gingen sie fort, aber ein Pfaffe blieb zurück, der sehr ungeziemend und grob lästerte, wiewohl ich mit ihm nicht reden wollte, weil sie mich überantwortet hatten und weil er auch so übel redete, was sich nicht geziemte; als ich ihm nicht antwortete, ging er fort. Dieses ist einige Zeit zuvor geschehen, ehe ich es aufgeschrieben hatte, denn ich konnte nicht wohl dazu kommen, der Gefangenen wegen, die bei mir saßen; außerdem habe ich auch ein kurzes Gedächtnis; einige Sachen habe ich vergessen; sollte ich alles aufschreiben, es würde zu viel werden, denn ich bin wohl elf Mal vor dem Bischof und seinen Gesellen gewesen, und habe viel mit ihnen von allen Glaubensartikeln geredet.

Geschrieben von mir, Reytse Ayseß, deinem geliebten Bruder in dem Herrn.