Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.526

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2.526  Anneken Hendriks, 1571.

Im Jahre 1571 ist zu Amsterdam in Holland um des Zeugnisses Jesu Christi willen eine Frau, genannt Anneken Hendriks, 53 Jahre alt, lebendig verbrannt worden. Als sie nämlich von Friesland nach Amsterdam gekommen war, ist sie von ihrem Nachbar, dem Unterschultheißen, welcher nach ihrem Hause kam, um sie in Verhaft zu nehmen, verraten worden, und hat mit sanftmütigem Geiste ihn so angeredet: Nachbar Evert, was ist dein Begehren? Wenn du mich suchst, kannst du mich wohl finden; ich bin hier, zu deinem willen bereit. Da hat dieser Verräter Judas gesagt: Gib dich in des Königs Namen gefangen, und hat Anneken, nachdem er sie gebunden, mitgenommen (gleichwie Judas und die Schriftgelehrten unsern Vorgänger Jesu). Als sie nun auf den Damm kamen, hat Anneken freimütig gesagt, man sollte sie frei anschauen, sie hätte weder Hurerei noch Diebstahl begangen, sondern wäre um des Namens Christi willen gefangen. Als sie ins Gefängnis kam, hat sie ihrem Herrn und Schöpfer Lob und Dank gesagt, mit demütigem Herzen, daß er sie würdig erkannt habe, um seines Namens willen zu leiden. Darum hat sie auch ihren Glauben vor dem Schultheißen Peter und den andern Herren freimütig bekannt. Diese haben sie mit den Baalspfaffen sehr gequält und sie abfällig zu machen gesucht; aber, durch Gottes Gnade, hat sie denselben tapfern Widerstand geleistet. Der Schultheiß hat sich sehr darüber gewundert, daß sie nicht mehr Hochachtung vor seinen geistlichen Herren hätte und hat zu Anneken gesagt: Unser Kaplan, Herr Aalbert, ist solch ein heiliger Mensch, man sollte ihn in Gold fassen; diesen willst du nicht hören, sondern hast dein Gespött mit ihm, darum musst du in deinen Sünden verderben; so weit bist du von Gott abgeirrt. Also haben sie diese gottesfürchtige alte Frau, die weder schreiben noch lesen konnte, bei den Händen (nach dem Exempel Jesu) aufgehängt, und durch große Pein von ihr zu erfahren gesucht, wer ihre Glaubensgenossen waren, denn sie dürsteten noch mehr nach unschuldigem Blute, aber sie haben von Anneken nichts erfahren, so treulich hat Gott ihren Mund bewahrt. Darum hat der Schultheiß seine Klagen wider sie eingebracht, daß sie in Ketzerei verfallen sei, und nun schon sechs Jahre lang die Mutter, die heilige Kirche, verlassen, auch die vermaledeite Lehre der Mennoniten wieder angefangen habe, daß sie sich bei denselben auf ihren Glauben hätte taufen lassen, und auch unter ihnen einen Mann genommen hätte. Darauf ist sie dahin verurteilt worden, daß sie lebendig verbrannt werden sollte; sie hat aber den Herren gedankt und demütig gesprochen, sie bäte, daß man es ihr vergeben wolle, wenn sie jemanden beleidigt hätte; die Herren aber standen auf, und antworteten ihr nicht; hiernächst wurde sie auf eine Leiter gebunden; da sprach sie zu Evert, dem Unterschultheißen, ihrem Nachbar: Du Judas, ich habe es nicht verdient, daß man mich so ermordet; auch begehrte sie von ihm, er sollte solches nicht mehr tun, oder Gott würde es an ihm rächen. Darüber hat sich Evert entrüstet und gesagt, er wollte alle, die ihres Sinnes wären, in solche Verdrießlichkeit bringen. Darauf ist der andere Schultheiß noch einmal mit dem Pfaffen gekommen, und hat sie geplagt, indem er ihr gesagt, sie würde aus diesem Feuer in das ewige fahren, wenn sie nicht widerrufen würde. Diesem ist Anneken standhaft begegnet: Bin ich von euch verurteilt und verdammt, sagte sie, so rühren doch eure Reden nicht von Gott her, denn ich habe das feste Vertrauen zu Gott, er werde mir aus der Not helfen und mich aus aller meiner Trübsal erlösen. Sie ließen sie nicht mehr reden, sondern füllten ihren Mund mit Schießpulver, und trugen sie so von dem Stadthause zum Feuer, in welches sie dieselbe lebendig geworfen haben. Als dieses alles vollbracht war, hat man den Verräter Evert, den Unterschultheißen, lachen sehen, eben als ob er gemeint hätte, er hätte Gott damit einen angenehmen Dienst getan; aber der barmherzige Gott, der der Frommen Trost ist, wird diesem frommen Zeugen für diese kurze und zeitliche Trübsal eine ewigwährende Belohnung geben; dann wird ihr zugestopfter Mund in voller Freude geöffnet und diese betrübten Tränen (um der Wahrheit willen) werden abgewischt, sie aber bei Gott im Himmel mit ewiger Freude gekrönt werden. Hiervon sieh ein Liedlein in einigen alten Liederbüchern.

Wir haben sowohl das Todesurteil dieser frommen und tapferen Heldin Jesu Christi, wie es ihr vor Gericht vorgelesen ward, als auch die Verhandlung ihrer Folter, welche vierzehn Tage vor ihrem Tode geschehen ist, erlangt, welches wir in der Ordnung, wie es durch den Stadtschreiber aus dem Stadtbuche des Blutgerichts abgeschrieben worden ist, beifügen wollen.