Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.219

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2.219  Gerhard Hasepoot, im Jahre 1556.

Im Jahre 1556 ist im Sommer in der Stadt Rimägen ein Bruder namens Gerhard Hasepoot gewesen, seines Handwerks ein Schneider. Nachdem derselbe um der strengen Verfolgung willen aus der Stadt geflüchtet war, ist er einmal wieder heimlich hineingegangen, denn sein Weib und Kinder wohnten noch daselbst; er ist aber von der Wache des Schultheißen gesehen worden, welche es ihrem Herrn anzeigte. Der Schultheiß, welcher sehr blutdürstig war, hat ihm sofort nachgesetzt und ihn mit sich genommen. Also hat dieser Freund Christi von Weib und Kindern scheiden müssen und sich um des Namens Jesu willen in das Gefängnis unter den Druck und das Elend begeben. Als er nun von dem Herrn dieser Welt sehr scharf untersucht wurde, hat er seinen Glauben ohne Furcht bekannt und sich der Wahrheit nicht geschämt. Deshalb haben ihn die oben Gemeldeten zum Tode verurteilt, daß er an einem Pfahle verbrannt werden sollte, wobei er auch sehr freimütig gewesen ist. Als nun dieses geschehen, so ist seine Frau zu ihm auf das Stadthaus gekommen, um noch einmal mit ihm zu reden, Abschied von ihm zu nehmen und ihrem lieben Manne gute Nacht zu sagen; sie hatte ein kleines Kindlein auf dem Arme, welches sie vor großer Betrübnis nicht wohl behalten konnte. Als ihm Wein eingeschenkt wurde (wie es bei denen gebräuchlich ist, die zum Tode verurteilt sind), sagte er zu seinem Weibe: Es gelüstet mich nicht nach diesem Weine, aber ich hoffe ihn neu zu trinken, welcher mir droben in meines Vaters Reiche eingeschenkt werden wird. Also sind sie mit großer Betrübnis voneinander geschieden und haben einander auf dieser Welt gute Nacht gesagt, denn die Frau konnte nicht länger stehen, sondern schien vor Betrübnis in Ohnmacht zu fallen. Als er zum Tode geführt und von dem Wagen auf die Schaubühne gebracht wurde, erhob er seine Stimme und sang das Lied: Dich, himmlischer Vater, rufe ich an, wollest meinen Glauben stärken; dann fiel er auf seine Knie, verrichtete sein eifriges Gebet zu Gott. Als er nun an den Pfahl gestellt wurde, schlenkerte er seine Pantoffeln von den Füßen und sagte, es wäre schade, sie zu verbrennen, denn es könnte noch einem armen Menschen damit gedient werden. Als der Strick, womit er erwürgt wurde, in etwas nachließ, weil ihn der Scharfrichter nicht stark genug angezogen hatte, fing er abermals an und sang das Ende von gemeldetem Liede:

Brüder und Schwestern insgemein,
Wohlan, nun heißt’s geschieden;
Bis wir zu Christo gehen ein,
Der unser Haupt hienieden;
Ich wart’ dort auf euch, folget nach,
Bereitet euch auf jenen Tag.

Als aber der Scharfrichter den Strick wiederum anzog, ist dieser Zeuge Jesu in dem Herrn entschlafen und verbrannt worden; also hat er seinen von Gott empfangenen, vergänglichen Leib um der Wahrheit willen freiwillig übergeben, und hat den Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, Glauben gehalten und ist ihm nun die Krone der ewigen Herrlichkeit beigelegt.

Vor dem Jahre 1557 sind von den nach Christi Ordnung Getauften, unter der Regierung des Pfalzgrafen bei Rhein, mehrere Personen ins Gefängnis geworfen und nachher des Landes verwiesen worden, wie solches in der Vorrede über das Gespräch zu Franckental, und ferner in der Vorrede über das alte Opferbuch, auf das Jahr 1616, Buchstabe D, auf der andern Seite zu finden ist.

Hieraus erhellt nun, daß die taufgesinnten Christen damals nicht allein von den Römischgesinnten, sondern auch von denen, welche die römische Kirche und viel von deren Aberglauben verlassen hatten, viel haben leiden müssen, woraus man die große Drangsal abnehmen kann, worin die Kirche Gottes damals gestanden, denn man hat nirgends Gewissensfreiheit gefunden, sondern ihnen bei den Papisten das Leben, bei andern Völkern aber die Übung des Gottesdienstes genommen.