Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.539

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2.539  Der erste Brief von Adrian Janß, Hutmacher, an sein Weib.

Die Liebe Gottes, des Vaters, die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit dir, meinem lieben und werten Weibe und Schwester in dem Herrn, nun und immer; das wünsche ich dir aus meines Herzens Grunde zum freundlichen Gruße, Amen. Nebst dem guten Wunsche meines Herzens und christlichem Gruße, berichte ich dir (mein wertes und in Gott geliebtes Weib), wie es noch um mich steht, und daß ich noch zufrieden und wohlgemut bin, der Herr sei für seine Gnade gelobt, die er mir erweist; ich hoffe durch seine Gnade, daß er mich bewahren und mir bis ans Ende helfen werde, denn ich habe mit dem Propheten Jeremia ihm meine Sache gegen meine Widersacher anbefohlen, welche mir und dem Herrn widerstehen, denn ich bin um des Namens des Herrn willen gefangen, weil ich mich mit dem verlorenen Sohne aufgemacht habe, um meine Schuld vor meinem Gotte zu bekennen, an welchem ich gesündigt und mich vergangen habe, der mich auch in Gnaden aufgenommen hat, als ich Ihn mit Tränen ersuchte und darum bat. Darum nun verfolgen sie uns und widersprechen uns, weil uns die Gnade von Gott geschehen ist, wie der Herr gesprochen hat und bezeugt, wenn er sagt: Wärt ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb, weil ich euch aber von der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.

Merke, meine liebe Hausfrau, auf die Worte unsers Herrn, was die Ursache sei, weshalb man uns hasst, damit wir uns zur Zeit, wenn wir gehasst und verfolgt werden, mit der Gnade des Herrn trösten mögen, wie auch der Apostel Petrus bezeugt, wenn er sagt: Weil wir nicht mehr mit ihnen laufen in dasselbe unordentliche Wesen, wohin Unzucht, Lüste, Trunkenheit, Fresserei, Sauferei und gräuliche Abgötterei gehört, so lästert die Welt; darum sagen sie, wie in dem Buche der Weisheit geschrieben steht: Laß uns auf den Gerechten lauern, denn sein Leben reimt sich nicht mit den andern; sein Wesen ist ganz ein anderes Wesen; er ruft unser Wesen aus für Sünde, und meidet uns als einen Unflat; darum können wir ihn nicht leiden, wir wollen ihn mit Schmach quälen und verhören, daß wir sehen, wie fromm er ist, und seine Geduld prüfen; lasst uns ihn mit den allerschändlichsten Tode verdammen. Dieses ist immer die Ursache gewesen, daß man die Gerechten gelästert, beneidet, verfolgt, sie ihrer Güter beraubt in Gefängnis und Bande geschlossen, sie ertränkt, enthauptet und verbrannt hat, wie man zunächst von Abel lesen kann, wie Johannes mit den Worten bezeugt: Lasst uns einander lieben, nicht wie Kain, der von dem Argen war und seinen Bruder tötete; warum tötete er ihn? Weil seine Werke böse waren, und seines Bruders Werke gerecht.

Darum sagt der Apostel: Meine Brüder, verwundert euch nicht, daß euch die Welt hasst. Christus spricht zu den Juden: Viele gute Werke habe ich euch erzeigt von meinem Vater, um welches Werkes willen unter denselben steinigt ihr mich? Darum, meine werte und geliebte Hausfrau, es wird nicht fehlen, was der Apostel bezeugt, daß alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, Verfolgung leiden müssen; mit den argen und verführerischen Menschen aber wird es immer ärger; sie verführen und werden verführt. Darum müssen die Gerechten sich allezeit zum Leiden und zur Trübsal wohl bereiten, denn sie werden wie Schlachtschafe zum Tode geführt; wir, die wir leben, werden allezeit um Jesu willen dem Tode übergeben und stehen allezeit in Gefahr, bei unserm Ruhme, den wir haben in Christo Jesu, unserm Herrn, täglich zu sterben. Darum mögen wir uns zum Leiden wohl zubereiten, gleichwie der Herr zu seinen Aposteln sagte: In der Welt werdet ihr Angst haben; ja, die Welt wird sich freuen, ihr aber werdet weinen und traurig sein; denn ein Weib, wenn sie gebärt, hat Angst, weil ihre Stunde gekommen ist; also müssen wir auch Christum in dieser Welt mit Angst gebären. Darum haben die Apostel die Gemeinden gestärkt und erbaut, daß sie mit Trübsal und Leiden in das Reich Gottes eingehen müssten, gleichwie unser Haupt Christus vorgegangen ist, wie von ihm in den Propheten geschrieben steht; denn das Reich Gottes leidet Gewalt, die ihm Gewalt antun, reißen es zu sich; wie ich das nun auch gewahr werde. In früheren Zeiten haben wir zwar auch viel menschliche Versuchungen gehabt, aber jetzt muss man bis aufs Blut streiten; denn ich kann nun wohl mit dem Apostel sagen, daß ich die Malzeichen des Herrn an meinem Leibe trage; sie haben mich nämlich drei Mal gepeinigt, daß das Blut geflossen ist, und das darum, daß ich meine Mitbrüder verraten sollte; aber der Herr hat meinen Mund bewahrt, durch seine Gnade. Man hing mich an den Händen auf, sodass ich die Erde nicht berührte; ja, mein liebes und wertes Weib, mir ward bange, sodass ich es kaum ausstehen konnte, als sie mich zum dritten Male geißelten; aber ich dachte an die Worte des Apostels, wenn er spricht: Der Herr wird euch nicht über euer Vermögen versucht werden lassen; da hielten sie ein, wiewohl sie mir drohten, mich ferner zu peinigen; sie sagten, sie wollten mir die Glieder zerreißen, oder ich sollte ihnen sagen, wer mit mir Umgang gehabt hätte, und welche meine Mitbrüder wären; aber der Herr ließ es ihnen damals nicht zu. Was sie ferner tun werden, das weiß der Herr, dem alle Dinge bekannt sind.

Mein wertes und in Gott geliebtes Weib! Lass den Mut nicht sinken um meiner Trübsal willen, welches dir ein Trost sein sollte, weil mich der Herr dazu berufen hat, daß er seinen Namen durch mich verherrliche, und weil ich würdig bin, um seines Namens willen Schmach zu leiden und seinem Worte mit meinem Blute Zeugnis zu geben vor diesem argen und ehebrecherischen Geschlechte. Ich hoffe dir in der Wahrheit vorzugehen, auch allen meinen lieben Brüdern und Schwestern, die noch in gleicher Gefahr wandeln, damit sie ein Beispiel an mir nehmen, und den Herrn in der Trübsal ja nicht verlassen, sondern ihm fest anhangen, der die Seinen nicht verlässt, die in der Not auf ihn trauen (wenn sie auch groß ist) und ihm in der Wahrheit dienen, denn seine Augen sehen auf die Gerechten, und seine Ohren lauschen auf ihr Gebet, ja, der Herr ist der Gerechten Stärke in der Not.

Hiermit will ich mein wertes und in Gott geliebtes Weib dem Herrn befehlen, der mächtig ist, deinen Schatz zu bewahren und dir das Erbe zu geben unter allen, die geheiligt werden. Gute Nacht, mein liebes Weib, die ich bliebe in der Wahrheit, gute Nacht; denn ich mutmaße, daß der Abschied nun nahe sei; ich erwarte jetzt von Tage zu Tage meines Leibes Erlösung, und daß ich zu meinen Mitbrüdern in die gottselige Ruhe eingehen werde, welche auch um der Wahrheit willen getötet worden sind.

Geschrieben von mir, Adrian Janß, unwürdig gefangen in dem Herrn, in Banden.