Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.660

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2.660  Noch ein Brief von Raphel von dem Felde, an seine Brüder und Schwestern.

Ich, Raphel, wünsche euch, meinen lieben Brüdern C. und K. und meinen lieben Schwestern in dem Herrn, ein standhaftes Gemüt, und beständig, stark und unbeweglich in der Furcht und in der Liebe Gottes zu sein, damit ihr durch solchen standhaften, starken, festen und unbeweglichen Glauben, durch die Hoffnung und die große Liebe zu Gott und eurem Nächsten, in der Liebe Gottes und in der Geduld Christi fortfahren, und daß ihr eure Seelen in der Leidsamkeit, Sanftmut und Geduld fassen möget, damit ihr gern alles ertraget, was euch vom Herrn auferlegt ist; seid doch ja nicht verdrießlich, und lasset nicht ab um der Trübsal willen, welche jetzt sehr groß ist. Ich danke eurer Liebe, daß ihr mich so treulich durch euer trostreiches Schreiben ermahnt und tröstet; ich wollte zwar auch ein Gleiches tun gegen euch alle, nach meinem geringen Vermögen, welches sehr klein ist, aber einer hungrigen Seele ist jede Bitterkeit süß. Darum habe ich die Hoffnung und das Vertrauen zu eurer Liebe, daß es eurer hungrigen Seele sehr süß schmecken werde, wiewohl es nicht so tröstlich, süß oder freundlich ist. So ist denn das mein herzlicher und freundlicher Gruß an euch alle, meine sehr geliebten Brüder und Schwestern, daß mein Gemüt noch sehr wohl steht, und ich auch wohl mit demjenigen zufrieden bin, was vorhanden ist, es sei Leiden oder Sterben um der heiligen Wahrheit des Herrn willen; ich fürchte mich nicht, was mir auch ein Mensch tun möchte, denn ich habe viel mehr Lust zu Hause zu sein bei dem Herrn in der ewigen Ruhe, als daß ich sollte länger leben wollen; und wenn ich auch frei wäre, wie man es begehren und wünschen möchte, so finde ich doch in mir selbst wohl, daß ich oft betrübt sein würde, wenn ich alle Dinge überlege, wie gefährlich es jetzt sei, in der Welt zu leben, worüber ich oft von Herzen betrübt bin, wenn ich an euch, an meine liebe Hausfrau und an mein Kind denke; ach es kostet mich so manche Träne! Ihr seid noch in der größten Not und Gefahr; der Herr wolle euch helfen, trösten und stärken, damit ihr in allem überwinden möget, wie ich denn auch hoffe, daß ihr werdet, denn wenn der Streit am härtesten ist, so ist des Herrn Hülfe am gewissesten; ich darf es wohl sagen, denn ich habe es in der Tat erfahren, wofür ich dem Höchsten niemals genug danken kann.

Darum, meine herzlich geliebten Freunde, lasset nicht ab um des Druckes oder irgendeiner Trübsal willen, denn wir sollen wissen und Ihm gewiß zutrauen, daß Er uns über unser Vermögen nicht versucht werden lassen wird, sondern daß Er neben der Versuchung einen Ausgang verschaffen werde, wie auch, daß nicht ein Haar auf unserm Haupte gekrümmt werden soll, es sei denn sein Wille. Merket wohl auf die Worte: Es sei denn sein Wille. So seid denn nicht verzagt, noch verdrießlich, meine lieben Freunde; werdet auch nicht müde auf dem Wege des Herrn, sondern leidet gern, denn der Herr sieht alle eure Gänge und alle eure Not und Arbeit, die ihr mit allem Fleiße tut, um seinen heiligen Namen zu verherrlichen. Darum nehmt des Herrn Züchtigung mit gutwilligem Herzen auf, denn diejenigen, welche des Herrn Züchtigung teilhaftig sind, die sind seine Kinder, Söhne und Töchter; aber die sie nicht ertragen wollen, sind Bastarde; ein Bastard aber hat keinen Teil an seines Vaters Gut. Darum, meine Geliebtesten, lasset uns lieber alles gerne leiden, was über uns kommt, um seines heiligen Namens willen, ehe wir des ewigen Gutes ermangeln sollten. Ach bedenket, wie groß und herrlich Er uns machen will, wenn wir bis ans Ende standhaft bleiben. Wir müssen ja doch einmal sterben, wir können aber nicht ehrlicher und seliger sterben, als für den Namen unseres Gottes, der für uns so viel erlitten hat. Ich hätte eurer Liebe wohl mehr schreiben sollen, aber ich habe die Hoffnung zu eurer Liebe, daß ihr alle viel mehr von Gott gelehrt seid, als ich euch schreiben kann; ebenso habe ich auch nicht immer die passende Zeit zu schreiben. Darum habe ich das Vertrauen zu Gott und eurer Liebe, daß ihr das gute Werk so weit gebracht habt, daß ihr es jetzt nicht stehen lasset, sondern daß ihr fleißig sein werdet bis ans Ende, damit ihr vollen Lohn empfangen möget.

Ferner, lieber Bruder und liebe Schwester und K. S., ich bitte eure Liebe, daß ihr euch doch in Acht nehmen wollet, denn dieser neue Vorsteher des Gerichtes verfährt sehr streng; der Herr wolle sein Herz verändern und seine Augen öffnen. Ziehet lieber aus der Stadt, denn sie werden die rechte Zeit wahrnehmen, und sollte es noch ein Jahr währen; sie haben sehr viele auf dem Papiere stehen, aber wer sie alle seien, weiß ich nicht, sie nannten sie alle leise und fragten mich nach einigen, aber bei Namen kannte ich sie nicht, und als Hieronymus, mein Freund, verhört wurde, nannten sie laut Boudewyn Tynke, Pouwels Ketel, Gyselbrecht und Andere, die er mit Namen nicht kannte; zuletzt redeten sie in leisem Tone.