Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.482

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2.482  Der zweite Brief von Clemens Hendriks.

Gnade, Friede und Barmherzigkeit von Gott, unserm himmlischen Vater, durch Jesum Christum, seinen einigen, geliebten Sohn, der sich selbst aus großer Liebe dahingegeben hat, um uns von dem Bande des Todes zu erlösen. Diese brünstige Liebe und die Kraft und Stärke des Heiligen Geistes wünsche ich dir, meine sehr liebe und werte N. zur Danksagung, zum Troste und zur Stärke, von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

Ferner, meine sehr Liebe und Werte (von Gott, dem himmlischen Vater, und von dem Herrn Jesu Christo Geliebte), aus recht christbrüderlicher Liebe kann ich nicht wohl unterlassen, an deine Liebe ein wenig zu schreiben, wie es mir noch in meinen Banden ergeht; ich kann dem Herrn nicht genug danken, und ihn nicht genug loben, daß er mich in meiner Trübsal so tröstet, und mein Gemüt noch dahin gerichtet ist, den Herrn alle Tage meines Lebens, nach meinem schwachen Vermögen, von ganzem Herzen zu fürchten. So habe ich (Armer und Unwürdiger) mir vorgenommen, an dich, meine sehr Liebe und Werte, ein wenig zu schreiben, wiewohl ich zum Schreiben nicht gestimmt bin; dennoch geschieht es aus einer recht christlichen und brüderlichen Liebe; deshalb nimm es zum Besten auf, und halte es mir zu gut.

Ach, meine sehr Geliebte und Werte, welch ein schöner Trost ist es für uns, daß Christus spricht: Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, denn das Himmelreich ist ihnen; auch sagt Christus: Wer sein Kreuz nicht aufnimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert, und wer sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es finden; ferner sagt Paulus: Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden; die Gerechten müssen viel leiden, der Herr hilft ihnen aus all ihrem Leiden. Darum, meine sehr Liebe und Werte, haben die Propheten, ja, Christus selbst gelitten und so auch alle frommen Zeugen Jesu Christi bis auf den heutigen Tag. Darum laß deine Lenden umgürtet sein und dein Licht leuchten, und sei den Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, wenn er von der Hochzeit aufbrechen wird, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sofort auftun mögen. Selig sind die Knechte, die der Herr (wenn er anklopft) wachend findet: Wahrlich, ich sage euch, er wird sich aufschürzen, sie zu Tische setzen und vor ihnen gehen und ihnen dienen. Darum, meine Geliebte und sehr Werte, ist uns dieses nicht ein schöner Trost? Denn es steht geschrieben, daß kein Auge gesehen, noch ein Ohr gehört habe, daß es auch in keines Menschen Herz gekommen sei, was Gott denen bereitet hat die ihn lieben. Wer bis ans Ende beharrt, soll selig werden. Auch sah Esra auf dem Berge Zion eine große Schar, die niemand zählen konnte, und alle lobten den Herrn mit Lobgesängen, und mitten unter ihnen war ein Jüngling, der mit seiner Länge alle überragte, und einem jeden eine Krone aufs Haupte setzte und immer größer ward; ich aber verwunderte mich sehr, fragte den Engel und sprach: Lieber Herr, wer sind diese? Er antwortete: Diese sind es, die das sterbliche Kleid abgelegt und das unsterbliche angetan, und den Namen ihres Gottes bekannt haben; nun werden sie gekrönt und empfangen die Belohnung. Weiter fragte ich den Engel: Wer ist aber der Jüngling, der ihnen die Krone aufsetzt und ihnen Palmzweige in die Hände gibt? Und er antwortete mir: Er ist Gottes Sohn, welchen sie in der Welt bekannt haben.

Siehe, meine Liebe und sehr Werte in dem Herrn, was ist unser Leben? Es ist ein Dampf, oder ein Rauch, der vom Winde dahin getrieben wird, und nicht weiß, woher er kommt, welcher eine kurze Zeit währt, aber nachher verschwindet; aber unser Sterben ist nichts anderes, als ein Eingang in das ewige Leben, um mit Gott und Christo zu herrschen. Christus sagt: Wer an mich glaubt, ist durch den Tod zum Leben eingegangen. Sterben wir durch ihn, so leben wir in ihm; denn Gott ist kein Gott der Toten, sondern Abraham hat an ihn geglaubt, und alle Gläubigen leben in Gott; obgleich sie den Tod erlitten haben, so waren sie doch Gottes Freunde, weshalb er sagte: Wer euch antastet, der tastet meinen Augapfel an. Siehe, solche Liebe hat uns Gott der Vater gegeben, daß wir Gottes Kinder heißen sollen; darum kennt euch die Welt nicht, denn sie kennt ihn nicht. Darum, meine Liebe und sehr Werte, sind wir nun Gottes Kinder; aber es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; doch wissen wir, daß, wenn er sich offenbaren wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, gleichwie er ist, und ein jeder, der diese Hoffnung in sich hat, reinige sich selbst, gleichwie er auch rein ist. Wir wissen, wenn unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, wir einen Bau haben, von Gott erbaut, ein Haus, das nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel, daß wir damit überkleidet werden. Ja, sagt Paulus, gleichwie des Leidens Christi viel über uns kommt, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum; ist es nun Trost oder Trübsal, so geschieht es alles zu unserer Seligkeit, wenn wir sonst leiden, wie die Heiligen gelitten haben, das ist, um des Zeugnisses des Wortes Gottes willen; auch sagt Paulus: Wenn wir mit ihm leiden, so werden wir auch mit ihm herrschen; sterben wir in Christo, so werden wir auch mit ihm leben; weiter sagt Paulus, Röm 8, daß wir um nichts anderes besorgt seien, als um die Offenbarung der Kinder Gottes, das ist: Wir sehnen uns und verlangen nach der Offenbarung unsers Herrn in den Wolken, damit wir, hingerückt in den Wolken zu ihm, ihm gleich werden möchten. Während wir in dieser Hütte sind, sind wir beschwert, denn wir wollten lieber mit der unsterblichen und himmlischen Klarheit bekleidet werden, womit uns Christus verklären wird; der uns aber dazu bereitet, ist Gott, der uns das Pfand des Glaubens gegeben hat, durch den Glauben und das Vertrauen an seinen Sohn.

Darum, meine Geliebte und sehr Werte, steht auch geschrieben: Wenngleich unser äußerlicher Mensch verwest, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert, denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen. Hiermit sei dem Herrn befohlen; er segne, benedeie und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und uns allen und wolle uns gnädig sein. Grüße mir auch die Brüder, wenn du Gelegenheit hast, sehr herzlich; ich will auch euch alle dem Herrn anbefehlen bis zur Wiederkunft des Herrn. Der Friede des Herrn sei mit dir, von nun an bis in Ewigkeit, Amen. Geschrieben in meinen Banden, auf Christmontag.

Von mir, Clemens Hendriks, unwürdig gefangen in dem Herrn.