Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.462

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2.462  Jacob Kerzengießers zweiter Brief an die Gemeinde.

Herzlich geliebte Brüder! Es sei mit euch viel Gnade und Barmherzigkeit von Gott unserm himmlischen Vater, durch Christum Jesum, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn und Heiland, durch welchen uns der Heilige Geist gegeben worden ist, damit wir durch den getrieben und in alle Wahrheit geführt würden, damit wir ein Licht in dieser Welt wären, und unsern Vater, der im Himmel ist, mit gutem Gewissen loben möchten; dazu gebe der Herr seine Gnade, daß es mit mir, und allen meinen lieben Brüdern und Schwestern lebenslang so bleiben möge; solches wünsche ich ihnen zum freundlichen Gruße und herzlichen Abschiede.

Ferner wisst, liebe Brüder, daß, als ich in dem Lande C. war, ich ein großes Verlangen hatte, noch einmal bei euch zu sein, damit wir uns noch einmal miteinander erquicken möchten; aber der Herr hat es durch meine Gefangenschaft verhindert, dennoch habe ich nicht unterlassen können, euch sowohl zur Ermahnung als auch zur Erquickung eurer Gemüter ein wenig zu schreiben, damit, gleichwie ihr den Herrn Jesum angenommen habt, ihr auch in ihm wandeln mögt, und gewurzelt und erbaut in ihm seid, und auch in demselben reichlich dankbar seid, denn, meine lieben Brüder und Schwestern, wenn wir nicht in ihm bleiben, so ist alle Arbeit verloren; dann können wir auch nicht seiner überfließenden Reichtümer teilhaftig werden, die er uns im himmlischen Wesen zubereitet hat; wir sind aber Christi teilhaftig geworden, wenn wir anders den Anfang seines Wesens bis ans Ende fest behalten werden; wenn wir aber weichen, so hat seine Seele kein Wohlgefallen an uns. Ja, liebe Freunde, wenn wir nicht in ihm bleiben, so werden wir einer Weinrebe gleich, die nicht an dem Weinstocke bleibt und sogleich verdorrt; darum wird sie vom Weinstocke abgeschnitten und ins Feuer geworfen, denn sie ist dem Menschen zu nichts anderem nütze, wie der Prophet sagt: Man kann keinen Holznagel daraus machen. Darum werden auch nach Christi Worten alle solche Christen, die in Christo nicht bleiben, abgeschnitten und ins höllische Feuer geworfen, denn sie sind Christo im himmlischen Wesen nichts nütze. Darum soll nichts Gemeines oder Unreines hineinkommen, oder das irgend Gräuel tut, sondern nur diejenigen, die in das Buch des Lebens des Lammes geschrieben sind. So ermahne ich nun euch, meine lieben Brüder, mit dem Apostel Johannes: Bleibt in ihm, damit, wenn er offenbar werden wird, wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor ihm in seiner Zukunft, damit wir nicht den törichten Jungfrauen gleich werden, welche schamrot draußen bleiben mussten, weil sie ihre Lampen ohne Öl mitgenommen hatten. Was sollte es uns aber wohl nützen, wenn wir uns nur hätten taufen lassen, und vom Papsttume ausgegangen wären, als ob wir Jungfrauen sein wollten, die nicht begehrten, in solcher geistlichen Hurerei zu sitzen, und hätten gleichwohl die Liebe Gottes nicht in uns, wodurch wir unserm Bräutigam zu Ehren einen reinen und keuschen Lebenswandel führen könnten, dann wären wir doch töricht, indem wir meinten, bei solcher Weise Christo zu gefallen, denn David sagt: Man führt des Königs Tochter in gestickten Kleidern zum Könige. Darum ist die Liebe das Band der Vollkommenheit, denn wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, indem Gott die Liebe ist, durch welche Liebe wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.

So lasst denn, meine lieben Brüder und Schwestern, eure Lenden umgürtet sein, lasst euer Licht leuchten, und seid den Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sofort auftun mögen. Selig sind die Knechte, die der Herr wachend findet, denn das sind die klugen Jungfrauen, die den Bräutigam kennen gelernt haben, die wissen, daß er ein Wohlgefallen an ihrer Schönheit hat, welche Schönheit nicht im auswendigen Haarflechten, noch im Kleiderschmucke besteht, sondern inwendig in einem keuschen Wandel, in einem stillen Wesen, das man vor allen Menschen sehen lässt. Diese Jungfrauen sind nicht nur mit Wasser getauft, sondern auch mit dem Heiligen Geiste und Feuer, denn sie hüten sich nicht nur vor auswendiger Abgötterei, sondern wollen auch der Sünde keineswegs Raum geben; auch lieben sie die Welt nicht, noch die Dinge, die darin sind, denn darin besteht nicht die Liebe des Vaters, indem, was in der Welt ist, als Augenlust, Hoffart des Lebens, und die Lust des Fleisches, nicht vom Vater, sondern von der Welt ist, wodurch so viele Christen verführt werden, wie denn auch manche Jungfrau, wenn sie anfängt hochmütig zu werden, sich ins Verderben stürzt; dann wird sie nach schönen Kleidern lüstern, bekommt Zuspruch von Junggesellen, welche sie nicht sogleich um die Buhlerei anreden, denn das wäre zu grob gegen eine ehrbare Jungfrau, sondern sie suchen ihr Herz zur Liebe zu reizen, worauf sie dann die Buhlerei leicht zugestehen wird.

In eben der Weise auch, meine lieben Brüder, geht der Satan mit manchen Christen um; er versucht sie zuerst nicht zur Abgötterei, denn sie ließen sich lieber verbrennen, ehe sie sich zur Abgötterei bewegen ließen; weil sie rein im Gewissen sind, sondern er schießt solche Pfeile auf sie, daß sie irdisch gesinnt werden sollen, das Ihre mehr suchen, als das, was Christi und ihres Nächsten ist, die Sinne tief in weltliche Geschäfte versenken und dadurch ergreift man die Liebe der Welt und liebt das zeitliche Gut mehr als das ewige. Überlegt es nun, meine Brüder und Schwestern, wenn es der Satan dahin gebracht hat, wie leicht man nachher zustimmt, den Abgöttern zu dienen, sich mit der Welt verehelicht, und so macht man dem Satan die Türe weit auf, denn das Licht ist Finsternis und der Tag Nacht geworden, weil man seine Schande oder Nacktheit nicht sieht, denn sie sind von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Blindheit des Herzens entfremdet.

Darum, liebe Brüder, seht zu, daß niemals einer unter euch ein arges, ungläubiges Herz habe, sondern ermahnt euch untereinander alle Tage, solange als es heute heißt, damit niemand durch Betrug der Sünde verstockt werde. Seht zu, daß nicht jemand Gottes Gnade versäume, damit nicht eine bittere Wurzel aufwachse, und viele dadurch verunreinigt werden. Darum seid fleißig, die Einigkeit im Geiste durch das Band des Friedens zu halten, daß ihr gleiche Liebe untereinander habt, damit ihr einander keinen Anstoß und kein Ärgernis gebt; seht ihr aber einen Bruder oder eine Schwester von der Wahrheit abirren, so geht ihnen nach, unterweist, ermahnt sie mit sanftmütigem Geiste, solange bis sie Christen werden, und sich nicht ganz in Werken des Fleisches verlaufen, damit ihr wie Christus geartet und gesinnt seid, und seine Ordnung nicht missbraucht, denn man kann im Bestrafen eben sowohl zu hart als zu gelinde sein. Darum, meine lieben Brüder, gebt fleißig Achtung auf einander, und nehme jeder seiner selbst wahr, denn es ist eine gefährliche Zeit, man sieht die Liebe in vielen erkalten. Darum richtet die lässigen Hände und die müden Knie wieder auf, und tut gewisse Tritte mit euren Füßen, damit niemand strauchle wie ein Lahmer, und seid nicht träge in eurem Vornehmen, sondern seid brünstig im Geiste und schickt euch in die Zeit, denn vielleicht wird eure Zeit hier kurz sein, indem der Teufel im Zorne ergrimmt ist; vielleicht weiß er, daß er wenig Zeit mehr hat.

Darum, meine lieben Brüder, seid überall wacker, und lasst nicht nach um der Trübsal willen, die man nun vor Augen sieht, sondern vertraut allein auf den Herrn, denn er hat gesagt: Ich will dich nicht verlassen noch versäumen, darum dürfen wir sagen: Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten, was sollte mir ein Mensch tun, denn das Leiden, das uns die Menschen antun, ist vergänglich; darum sagt Christus: Fürchtet nicht, die den Leib töten, und nachher keine Macht mehr haben, sondern fürchtet den, der, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, Leib und Seele in die Hölle zu werfen, denn wenn wir mit ihm leiden, so werden wir uns auch mit ihm freuen.

Darum, meine lieben Brüder, seid getreu bis in den Tod, dann sollt ihr die Krone des Lebens empfangen. Bedenkt es, liebe Brüder, wenn den Kindern dieser Welt verheißen wäre, die Krone von Spanien auf irgendeine Weise zu erlangen, wie emsig würden sie darum arbeiten, wie fröhlich würden sie laufen, um dieselbe zu bekommen; um wie viel mehr aber sollten wir fröhlich sein in unserer Trübsal, und mit Geduld in dem Streite laufen, der uns verordnet worden, weil uns die Krone des Lebens zugesagt ist, mit welcher die Krone Spaniens nicht zu vergleichen ist, denn das ist eine vergängliche Krone, und ihre Herrlichkeit ist nicht mit der Herrlichkeit zu vergleichen, die an uns offenbar werden soll. Darum hat auch Mose viel lieber erwählt, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünden zu haben, denn er achtete die Schmach Christi für höheren Reichtum, als die Schätze Ägyptens, weil er auf die Belohnung sah. Meine lieben Brüdern und Schwestern, der Herr gebe euch ein solches Herz und Gesicht durch den Glauben, daß ihr mit Mose und allen Heiligen Gottes erkennen mögt, was Gott für diejenigen bereitet hat, die ihn lieb haben, denn die Gerechten sollen ewig leben, und der Herr ist ihr Lohn; ja der Höchste sorgt für sie, darum werden sie ein herrliches Reich und eine schöne Krone von der Hand des Herrn empfangen, ja, sie werden wie die Sonne in des Himmels Throne leuchten.

So schreibt auch der Apostel: Wenn das irdische Haus dieser Wohnung zerbrochen wird, so haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus, das nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Damit gibt der Apostel zu erkennen, daß, obschon unser irdischer Leib hier getötet wird, er dennoch wieder auferstehen und mit der himmlischen Klarheit umleuchtet werden wird. Darum schreibt Paulus: Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesus Christi, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er seinem verklärten Leibe ähnlich werde, womit er abermals zu erkennen gibt, wie herrlich der Leib nach der Auferstehung verändert werden soll; hier ist er krank, dort wird er stark werden, hier natürlich, dort geistig, hier sterblich, dort aber unsterblich werden; denn das Vergängliche muss das Unvergängliche, und das Sterbliche die Unsterblichkeit anziehen; dann wird der erschreckliche Tod zum Sieg verschlungen; dann wird auch der letzte Feind aufgeboben werden, welches ist der Tod; dann wird weder Tod, noch Leid, oder einige Hitze sein; dann werden die Tränen von ihren Augen abgewischt werden; sie werden mit Christo alles ererben, weil sie überwunden haben; dann wird er sie zum Brunnen des lebendigen Wassers führen und sie mit dem verborgenen Himmelsbrote speisen, sodass sie nicht mehr hungern oder dürsten wird; dann wird der geistige Salomo mit dem geistigen Israel in gutem vollkommenen Frieden wohnen, denn alle seine Feinde werden zum Schemel seiner Füße gelegt.

Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, seid standhaft und unbeweglich, und allezeit überfließend in den Werken des Herrn, da ihr wisst, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

Hiermit befehle ich euch, meine lieben Brüdern und Schwestern, dem Herrn, der mächtig ist, euren Schatz zu bewahren, und euch das Erbe zu geben, unter denen, die geheiligt sind. Bittet den Herrn für mich, daß ich standhaft streiten und in derselben Hoffnung bleiben möge, worin ich (dem Herrn sei ewig Lob) noch jetzt stehe; ich bitte euch, liebe Brüder, daß ihr an meinem Weibe und meinen Kindern das beste tun wollt.

Geschrieben von mir, Jacob Kerzengießer, eurem schwachen Bruder und Diener, den 18. April.

Die leiden hier nach Gottes Sinn, die wollen darauf merken:
Sie geben ihre Seelen hin, dem Schöpfer guter Werken.