Nun folgt ein Brief der vorerwähnten Claesken an ihre Freunde nach dem Fleische, auch nach dem Geiste, geschrieben ans dem Gefängnisse im Jahre 1559, den 14. März, welche auch auf oder um dieselbe Zeit samt ihrem lieben Manne und ihrem Bruder Jaques um des Zeugnisses Jesu getötet worden ist.
Der Herr wolle durch seine große Gnade und Barmherzigkeit allen denen, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, verleihen, daß sie gesättigt werden mögen.
Meine herzlich geliebten Freunde, meine herzliche Bitte und Begehren ist nochmal an euch, daß ihr die Schrift (die heilig ist) wohl durchforschen und ergründen wollt; lernt den Herrn doch von Herzen fürchten, denn die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang, die Toren verachten die Weisheit und die Unterweisung der Weisheit. Die Weisheit klagt draußen und lässt sich auf den Gassen hören; sie ruft in der Tür am Tore, vorn unter dem Volke: Wie lange wollen die Albernen albern sein und die Spötter Lust zur Spötterei haben und die Ruchlosen die Lehre hassen? Kehrt euch zu meiner Strafe. Siehe, ich will euch meinen Geist offenbaren und euch meine Worte kundtun. Da ich nun rufe und ihr euch weigert, da ich meine Hand ausstrecke, aber niemand darauf achtet und ihr allen meinen Rat in den Wind schlagt, und meine Bestrafung nicht wollt, so will ich auch lachen in eurem Unfall und eurer spotten, wenn da kommt, was ihr fürchtet. Wenn über euch kommt wie ein Sturm, was ihr fürchtet, wenn euer Unfall wie ein Wetter über euch hereinbricht, wenn über euch Angst und Not kommt. Dann werden sie mir rufen und ich werde sie nicht erhören, sie werden mich frühe suchen und nicht finden, weil sie die Lehre hassten und des Herrn Furcht nicht haben wollten; weil sie meinen Rat nicht wollten und alle meine Strafe lästerten, so sollen sie von den Früchten ihres Wesens essen und ihres Rates satt werden; wer aber mir gehorcht, wird sicher bleiben und genug haben und kein Unglück fürchten.
Seht, meine lieben Freunde, nehmt doch dieses zu Herzen, daß der Herr diejenigen nicht erhören wolle, die ihn nicht fürchten; und wie köstlich ist die Furcht des Herrn, wer sie nur annehmen will, denn mit ihr ist nichts zu vergleichen; die Furcht des Herrn ist Ehre und Ruhm, Freude und eine schone Krone. Die Furcht des Herrn macht das Herz fröhlich und gibt Freude und Wonne ewiglich; wer den Herrn fürchtet, dem wird es wohl gehen in der letzten Not, und er wird endlich den Segen behalten. Gott lieben, ist die allerschönste Weisheit, und wer sie erkennt, der liebt sie, denn er sieht, welch große Wunder sie tut. Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Die Furcht des Herrn ist der rechte Gottesdienst, sie behütet und macht das Herz fromm und gibt viel Freude und Wonne. Wer den Herrn fürchtet, dem wird es wohlgehen, und wenn er des Trostes bedarf, so wird er gesegnet werden. Gott fürchten ist die Weisheit, die reich macht. Die Furcht Gottes ist eine Krone der Weisheit, und gibt reichen Frieden und Heil. Den Herrn fürchten ist die Wurzel der Weisheit, aber den Sündern ist die Weisheit ein Fluch. Die Furcht des Herrn wehrt der Sünde, denn wer ohne Furcht fährt, der mag nicht gerechtfertigt werden. Seid nicht ungläubig, denn die Weisheit kommt nicht in eine boshafte Seele, und wohnt nicht in einem den Sünden unterworfenen Leibe.
Meine sehr geliebten Freunde! Nehmt doch den großen Unterschied zu Herzen, der zwischen denen ist, die Gott fürchten, und die ihn nicht fürchten. Durchforscht doch die Schrift wohl, damit ihr nicht den Städten gleich sein mögt, von welchen Christus im Evangelium sagt und bezeugt, daß es denen von Sodom und Gomorrha am Tage des Gerichts erträglicher ergehen werde, als solchen Städten, weil sie die kräftigen Taten nicht zu Herzen nahmen, die in ihrer Gegenwart geschahen. Darum, liebe Freunde, stellt der Herr euch auch noch jetzt durch uns solche kräftigen Taten vor Augen: lasst es euch zur Stärkung dienen, wie Paulus sagt, daß viele Brüder durch seine Bande eine Zuversicht im Herrn gewonnen haben, und desto mutiger geworden sind, das Wort ohne Furcht zu reden. Meine lieben Freunde, merket wohl auf: Als der Herr seine kräftigen Taten verrichtete, so tat er es nicht allein um eines Menschen willen, wie wir lesen bei Johannes, als er Lazarus von den Toten auferweckte, sondern, daß das Volk seine kräftigen Taten sehen und an ihn glauben sollte, wiewohl nur einige an ihn glaubten, andere aber sich an ihm ärgerten und sagten: Konnte der, der den Blinden sehend gemacht hat, nicht auch bewirken, daß dieser nicht gestorben wäre? So geht es heutzutage auch mit denen zu, die nicht glauben: Denn wenn sie es auch wohl sehen, wie stark und kräftig der Herr mit uns ist, so ärgern sie sich doch daran und sagen, daß wir dieses aus Hartnäckigkeit tun; wenn wir dann entgegnen, daß die Gerechten verfolgt werden müssen, so sagen sie, daß wir wegen der Wiedertaufe verfolgt werden. Also gereicht es ihnen zum Ärgernisse. Aber denen, die Gott glauben, ist es wohlbekannt, daß wir um der Gerechtigkeit willen leiden müssen; diesen, hoffe ich, soll es zur Stärkung dienen, uns aber als eine Prüfung zur ewigen Seligkeit.
Meine lieben Freunde, nehmt es doch zu Herzen, welche große Herrlichkeit denen verheißen sei, die den Herrn von ganzem Herzen fürchten, und welche große Trübsal über alle Seelen der Menschen kommen werde, die dem Evangelium nicht gehorsam sind; diese werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des Herrn. Darum begebt euch doch der Wahrheit zum Gehorsam und verändert eure Sinne, damit ihr prüfen mögt, was der wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes sei. Habt eure Betrachtung Tag und Nacht in dem Gesetze des Herrn, lasset euch auch nicht abhalten, beständig zu bitten, wie uns die Schrift an vielen Stellen lehrt: Wer bittet, der empfängt; wer anklopft, dem wird aufgetan. Darum, meine lieben Freunde, verändert eure Herzen, dann wird euch der Herr eher geben, als ihr ihn darum bittet; denn selig sind, die eines guten Willens sind; selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden.
Darum tragt doch Leid und habt ein Verlangen nach dem Herrn, und sagt: O Herr, zeige mir deine Wege, und lehre mich deine Stege; leite mich in deine Wahrheit und lehre mich; denn du, Gott, bist es, der mir hilft; täglich warte ich dein, Herr, gedenke an deine Güte und Barmherzigkeit, die von Ewigkeit gewesen ist; gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretung, sondern gedenke meiner um deiner großen Gnade und Barmherzigkeit willen. Der Herr ist gütig und aufrichtig; darum unterweist er die Sünder auf dem Wege; er schafft den Elenden Recht, und lehrt die Elenden seine Wege. Darum, meine geliebten Freunde, tut aufrichtige Buße und bekennt dem Herrn eure Sünden von ganzem Herzen; der Herr wird von denen gefunden, die eines zerbrochenen Herzens und zerschlagenen Geistes sind. Darum demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, damit ihr in Ewigkeit erhoben werden mögt. Hiermit will ich euch dem Herrn anbefehlen; der wolle euch in alle Wahrheit leiten.
Meine herzgründlich geliebten Freunde; nehmt es doch zu Herzen, denn es ist aus herzlicher eifriger Liebe geschehen, die ich zu euren Seelen trage, weil ich gewiss und versichert bin, daß kein anderer Weg ist, auf welchem man selig werden kann; darum warne ich euch aus reinem Herzen; es wird auch in der Ewigkeit nicht anders befunden werden. Obgleich nun einige viel zu schwatzen und zu sagen haben, so tun sie es doch nur darum, weil sie das Kreuz Christi nicht auf sich nehmen wollen und damit verfolgt werden, wie davon Paulus redet: Aber nehmt ihr zum Exempel, daß ihr Christi Fußstapfen nachfolgen müsst, und daß uns die ganze Schrift zwingt, daß wir uns zum Leiden begeben und bereit machen sollen, was auch Paulus sagt: Wenn wir mit leiden, so sollen wir uns auch mit freuen, und wie des Leidens Christi viel über uns kommt, so werden wir auch reichlich getröstet durch Jesum Christum; so lesen wir auch, daß alle heiligen Männer Gottes durch viel Trübsal und Leiden geprüft worden seien; und wie freudig sie das Leiden aufgenommen haben, ja, sie erfreuten sich aufs Höchste, daß sie würdig waren, um des Namens Gottes willen zu leiden; aber die den Herrn nicht recht lieben, wollen dieses Leidens entübrigt sein, und haben dieses zeitliche Leben lieber als ihren Herrn und Gott; dennoch sagt Christus: Wer sein Leben zu erhalten sucht, der wird es verlieren, wer aber sein Leben verliert um meines Namens und um des Evangeliums willen, der wird es in Ewigkeit erhalten; nicht, als ob alle um des Wortes des Herrn willen sterben müssen, sondern das Gemüt muss so beschaffen sein, daß wir lieber sterben, als eins der Gebote des Herrn mit Wissen und Willen übertreten wollten. Darum sagt Cnristus: Wer etwas lieber hat als mich, der ist meiner nicht wert.
Darum, meine herzlich geliebten Freunde, die ich von ganzem Herzen liebe, achtet doch nicht auf eines Menschen Sagen, sondern seht allein auf Jesum Christum, wie er uns in Leiden und Trübsal vorgegangen ist; liebt doch den Herrn, euren Gott, von ganzem Herren, aus allen Kräften und Vermögen, und wenn auch die ganze Welt gegen euch aufstehen und stürmen würde, so wird euch doch niemand schaden können, wenn ihr Gott zum Vater und eine aufrichtige Liebe zu ihm und seinen Heiligen habt. Die Liebe vermag alles, denn wo keine aufrichtige Liebe ist, da wird wohl alles bald zerbrochen, wenn Angst und Verfolgung kommt; wer sich aber dem Herrn anbefiehlt und die Liebe hat, dem ist kein Ding zu schwer; hätte ich es nicht selbst erfahren, so wäre es mir unmöglich zu wissen, daß es so leicht wäre. Darum sagte Christus: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Ja, liebe Freunde, mein Gemüt ist noch so beschaffen; ich habe solche Liebe zu dem Herrn, meinem Gott, daß wenn ich auch mein Leben durch einen Gedanken erretten könnte, wüsste aber, daß es dem Herrn nicht gefiele, so wollte ich lieber sterben, als solche Gedanken hegen, nicht, als ob ich mich rühmen wollte, der Herr weiß wohl, wie unrein ich mich vor ihm erkannt habe, sondern durch die große Gnade, Barmherzigkeit und Liebe, welche er uns bewiesen hat, daß wir zu seinem himmlischen Reiche erwählt sind. Nun fühle ich erst in mir die unaussprechliche Gnade, Barmherzigkeit und Liebe Gottes, und wie wir ihn darum wieder lieben müssen. Ja, ich habe solche Hochachtung vor dieser Gnade und Liebe, daß meine Betrübnis in Freude verwandelt ist.
Ich muss euch ferner etwas von meiner Traurigkeit sagen, welche ich hatte, ehe ich gefangen wurde; ich merke jetzt auf die Worte des Apostels, daß ich göttlich betrübt worden bin, und daß die göttliche Reue zur Seligkeit wirke; ja, ich hatte bisweilen solche Traurigkeit, daß ich nicht wusste, wohin ich mich wenden sollte, daß ich auch oft mit lauter Stimme zum Herrn rief: O Herr, zermalme doch das alte Herz und gib mir ein neues Herz und Gemüt, damit ich vor deinen Augen auch richtig erfunden werden möge; ich sagte zu meinem lieben Manne: Wenn ich mein Leben mit der Schrift vergleiche, so ist es mir, ich müsste zu Grunde gehen; ich kann wohl mit David sagen: Meine Sünden sind über mein Haupt gefahren; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. Ich sagte: Mein lieber Mann, bitte doch den Herrn für mich, denn ich werde angefochten; je mehr ich meine Gedanken zu dem Herrn richtete, desto mehr setzte mir der Versucher mit andern Gedanken zu. Da rief ich nun zum Herrn und sagte: O Herr, du weißt ja wohl, daß ich sonst nichts verlange, als dich zu fürchten; bisweilen hat mich mein Mann getröstet; es dünkte ihm, ich täte nichts, das vor dem Herrn nicht wohl bestehen könnte. Ich sagte: Ich habe meine erste Liebe nicht, darum bin ich betrübt, sodass ich nicht schlafen kann. Hier ist keine Hoffnung, den Sünden abzusterben; ich fürchte noch lange zu leben; wenn ich mich auch noch so sehr nach Besserung bestrebte, so bleibe ich doch in der Unreinigkeit; ich elender Mensch, wo soll ich hin?
Ich hätte euch ein Mehreres schreiben sollen, aber es kam eben ein Bote, daß wir reisen sollten. Meine herzlich geliebten Freunde, mein Mann, mein Bruder und ich haben ein fröhliches Urteil gehört; wir erwiesen einander alle Liebe, und waren wohlgemut; ich dankte dem Herrn so sehr, daß es auch die Herren hörten; sie hießen mich schweigen, aber ich redete ohne Scheu. Als wir nun unser Urteil gehört hatten, redeten wir alle drei und sagten, sie hätten das gerechte Blut verurteilt; mein lieber Mann redete viel und sehr freundlich, ja, wir dankten dem Herrn mit fröhlichem Angesichte, daß das Volk zuschaute. Hiermit will ich euch dem Herrn anbefehlen. Eilt, zu uns zu kommen, damit wir beieinander in Ewigkeit leben mögen.