Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.483

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2.483  Der dritte Brief von Clemens Hendriks an seinen Vater und seine Mutter.

Ich wünsche dir, mein geliebter und werter Vater, und meiner geliebten und sehr werten Mutter, den Geist der Wahrheit und Erkenntnis des Glaubens, nach der Lehre Jesu Christi, und ein klares Gesicht und ein offenes Herz in allen göttlichen Sachen und in Gottes Wort, damit ihr einen rechten Unterschied machen und abwägen mögt, was Licht oder Finsternis, was Lüge oder Wahrheit, ja Fleisch oder Geist sei, damit euch niemand betrüge, sondern ihr euch an Gottes Wort fest halten, vollen Lohn empfangen, und nichts von alledem verlieren mögt, was ihr bisher aus eurem Glauben gewirkt habt.

Ferner, meine lieben und sehr werten Eltern, ich bin eurer eingedenk und bitte auch jeden Morgen und Abend für euch, daß der Herr euch in eurer Trübsal, die ihr um mich armen, unwürdigen Menschen habt, trösten wolle, der ich doch nicht wert bin, daß ihr euch um mich betrübt. Ferner, meine lieben und sehr werten Eltern, lasse ich eure Liebe wissen, daß ich mir vorgenommen habe, eurer Liebe ein wenig zu schreiben, wie es noch mit mir bestellt ist, und daß mein Gemüt noch dahin gerichtet ist, den Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen Kräften zu fürchten, solange ich noch im Fleische bin, wofür ich dem allmächtigen, großen und allein weisen Gott nimmermehr genug danken, noch ihn loben, oder zur Genüge preisen kann. Daß er mir seine unaussprechliche, ja, unbegreifliche Gnade in Jesu Christo durch die Handreichung seines Geistes bisher mitgeteilt hat und noch täglich mitteilt, dafür danke ich dem allmächtigen Gott, und beuge die Knie meines Heizens vor dem Vater, der reich an Gnade und ein wahrer, gerechter und barmherziger Gott ist, der uns alle mit seinem heiligen Worte tröstet. Darum, meine lieben und sehr werten Eltern, bitte ich euch, daß ihr ja nicht um mich armen, unwürdigen Menschen betrübt seid, sondern euch vielmehr darüber freuen, und den Herrn dafür loben wollt, daß er euren Sohn dazu berufen und tüchtig gemacht hat, um seines heiligen Wortes und Evangeliums willen zu leiden; denn man findet ja, daß die Apostel und Propheten, ja, auch Christus selbst, von den bösen und verkehrten Menschen, dem Fleische nach, haben leiden müssen. Darum, mein geliebter Vater und meine sehr werte Mutter, seid doch nicht betrübt und gebt euch hierüber zufrieden, so viel es euch möglich ist; solches bitte ich sehr freundlich um des Namens des Herrn willen; und tröstet euch allezeit mit den Worten Christi, wenn er sagt: Wer etwas lieber hat als mich, der ist meiner nicht wert, und wer Haus, Hof, Land, Stand, Vater und Mutter verlässt, der soll es hundertfältig wieder empfangen. Aber, meine sehr lieben und sehr werten Eltern, was erlebt man doch hier anders als große Armut? Und was ist doch eines Menschen Leben? Nichts anderes als eine Blume, die auf dem Felde steht; das Gras ist verdorrt, und die Blume ist abgefallen, und wie ein Dampf, der eine kurze Zeit währt, und in sich selbst verschwindet. Ferner, mein lieber und sehr werter Vater, ich bin sehr wohlgemut, mein Opfer zu tun, und um des Namens des Herrn willen zu leiden; denn Christus sagt: Wer mich vor den Menschen bekennt, den will ich vor meinem himmlischen Vater wieder bekennen; desgleichen sagt er auch: Lasst euer Licht vor den Menschen leuchten. Ich möchte wohl wünschen, daß, wenn ich mein Opfer tun soll, sie mich auf einen Wagen setzen, um die Stadt herum führen und viermal geißeln möchten, damit ich mein Licht vor diesem argen, blinden und verkehrten Geschlechte leuchten lassen könnte; denn ich schäme mich nicht, um des Evangeliums willen zu leiden, weil ich nicht als Dieb, oder Schelm, oder Räuber, oder Übeltäter, sondern als ein Christenmensch leiden werde; denn wenn wir um Übeltat willen leiden, was nützt uns das? Wenn wir aber um des Wohltuns willen leiden, das ist Gnade bei dem himmlischen Vater. Ferner, meine lieben und sehr werten Eltern, laß ich eurer Liebe wissen, daß sie mir angekündigt haben, ich sollte mich den Händen der Geistlichen übergeben; sie gedachten, ich würde hier wohl durchkommen. Hierauf ließ ich sie abermals wissen, sie sollten sich deshalb nicht bemühen, denn ich wäre nicht gesonnen, solches zu tun.

Darum, meine lieben und sehr werten Eltern, erschreckt nicht hierüber, solches bitte ich demütig, um des Namens des Herrn willen, denn über dergleichen Dinge sollte sich ein Christ nicht schämen; ebenso ist auch Joseph, als das ägyptische Weib ihn versuchte, ihn bei seinem Rocke oder Mantel ergriff und ihn nicht gehen lassen, sondern Hurerei mit ihm treiben wollte, ihr entronnen, und hat lieber ihr den Rock oder Mantel gelassen, als Hurerei mit ihr treiben wollen. Darum, meine lieben und sehr werten Eltern, wenn wir von der babylonischen Hure bei unserem Rocke oder Mantel ergriffen werden, um mit ihr Hurerei zu treiben, so lasst lieber, durch des Herrn Gnade, euern Rock oder Mantel fahren, als mit ihr Hurerei treiben, nämlich, gebt lieber euer irdisches Leben auf.

Ferner, meine lieben und sehr werten Eltern, bitte ich euch sehr demütig mit weinenden Augen hinsichtlich dessen um Vergebung, was ich an euch mit Worten ober Werken, oder Gedanken verschuldet habe; es scheint, daß die Stunde vor der Tür sei, wo ich mein Opfer tun soll; darum, meine lieben und sehr werten Eltern, will ich euch dem Herrn anbefehlen, und euch beiden bis zur Wiederkunft unseres Herrn Jesu Christi gute Nacht sagen. Der Friede des Herrn sei mit euch, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Von mir, Clemens Hendriks, eurem geliebten Sohne, unwürdig gefangen in dem Herrn; geschrieben in Banden.