Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.520

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2.520  Der vierte Brief von Hansken von dem Wege.

Die unergründliche und überschwängliche große Gnade und Barmherzigkeit Gottes, unseres himmlischen Vaters, die durch Jesum Christum, den wahrhaftigen und lebendigen Sohn Gottes, gegeben und geschehen ist, auch Jesum Christum, mit aller seiner Demut, Sanftmut und großen Heiligkeit, ja, die große Kraft, den Trost und die volle Freude des Heiligen Geistes wünschen wir dir aus dem innersten Grunde unserer Seelen und aus aller Kraft unserer Herzen, als unserer lieben und sehr werten auserwählten Schwester in dem Herrn, und allen, die den Herrn fürchten, lieben und aus reinem Herzen anrufen. Dieses ist unser ewiger und seliger Wunsch, ja, heiliger Gruß; der Herr wolle dir diesen unsern seligen Wunsch und heiligen Gruß geben, und wolle dich im Guten weise und im Bösen unschuldig machen, damit du recht und schlecht, gottesfürchtig und das Böse meidend erfunden werden mögest, Amen.

Ferner, liebe, sehr werte, auserwählte Schwester in dem Herrn, wir wünschen dir und uns und allen Menschen den ewigen, großen und seligen Schatz, mit welchem Christus das Himmelreich vergleicht, den ein Mensch in einem Acker fand und ihn verbarg, und vor Freude hinging und alles verkaufte. Ja, liebe Schwester in dem Herrn, laß uns auch so gesinnt sein, wie jener war, der den Schatz gefunden hatte. Weil uns nun der Schatz durch Jesum Christum, den Sohn Gottes, bekannt gemacht worden ist, so sollen wir ihn auch verbergen, und das mit großem Fleiße, mit Bitten, mit Flehen und Fasten im Geiste, zu Gott, denn einem Schatze stehen Diebe und Mörder nach, um ihn wegzunehmen; darum laß uns wohl zusehen, das er uns nicht genommen werde; laß uns fortgehen in Gerechtigkeit und Frieden, und mit großer Freude und Wonne im Heiligen Geiste, denn das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem Heiligen Geiste. Darum laß uns so fortgehen, weil uns der Schatz, der in dem Acker vor so vielen Menschen verborgen liegt, offenbart ist. So lasst uns denn Fleiß anwenden; ja, liebe Schwester, laß uns so fortgehen, und mit großer Standhaftigkeit in der Sanftmut und untrüglichen Wahrheit Jesu Christo nachfolgen, denn er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Darum laß uns Ihm allezeit nachfolgen und fortgehen, bis wir alles verlassen und verkauft haben, und laß uns dann den Acker kaufen, in welchem der Schatz verborgen liegt, denn Christus sagt: Wer nicht alles verlässt, der ist meiner nicht wert.

Wenn dieser Schatz in einem großen, breiten Acker verborgen läge, so würden sich zwar viele daran machen, ihn zu suchen, aber nur einer würde denselben finden; ebenso liegt auch der gute, große und selige Schatz Jesus Christus, der Sohn Gottes, in dem Acker der Heiligen Schrift verborgen, welchem zwar wohl viele nachsuchen können, aber nur einer findet ihn, nämlich alle Glieder, die zu dem Leibe gehören, wovon Jesus Christus das Haupt ist; diese haben den Schatz Jesum Christum, samt seiner Gnade und seinen Verdiensten gefunden und auch das ewige Leben selbst gefunden; sie mögen sich aufs Höchste in dem heiligen Geiste erfreuen, daß sie den großen, schönen, heiligen Schatz (Jesum Christum) gefunden haben, und mögen wohl mit dem Propheten sagen: Das Los ist mir gefallen aufs Lieblichste, der Herr ist mein Erbteil geworden; darum will ich mich nicht fürchten, wenn mir auch Leib und Seele verschmachtete, so bist du doch, o Herr, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil; ja, der Herr ist mein Teil, sagt meine Seele; darum will ich auf ihn trauen.

So laß uns denn, meine liebe, sehr werte, auserwählte Schwester in dem Herrn, so fortgehen mit tapferem festem und starkem Vertrauen, mit großer Demut und Sanftmut des Herzens und mit einem großen Verlangen nach unserm heiligen und seligen Schatze (Jesu Christo), dann wird der Herr Lust an unserer Schönheit haben. Und wenn der Herr mit großer Kraft der Engel und mit Posaunen in den Wolken kommen wird, um einen jeden nach seinen Werken zu lohnen, dann wird man die Auserwählten von den vier Winden des Himmels versammeln und sie (als Schafe) zu seiner Rechten stellen, die Gottlosen aber (als Böcke) zu seiner Linken; dann werden wir das süße und selige Wort hören: Kommt her, ihr Gesegneten, besitzt das Reich meines Vaters, das euch von Anbeginn der Welt her bereitet ist; dann werden wir zu der großen, schönen und unvergänglichen Herrlichkeit des Herrn eingehen; dann werden wir in großer Herrlichkeit und unaussprechlicher, großer, ewiger Freude sein und werden ewig bei dem Herrn aller Herren, dem Könige aller Könige, dem Gott aller Götter und Vater aller Väter sein, Ihm Lob und Dank sagen und Ihn preisen, ehren und heiligen; denn heilig, heilig, heilig ist Gott, der allmächtige Herr, der da war, und ist, und kommen wird; aber denen zu seiner Linken wird er sagen: Geht hin, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, wo Heulen und Zähneklappern sein wird. Darum, ach Liebe und Werte in dem Herrn, laß uns wohl zusehen, daß wir nicht schlafen in den Sünden, damit uns unser Schatz nicht genommen werde, denn wenn die Leute schlafen, bestehlen sie die Diebe, sondern laß uns wachen und beten, und uns schmücken, wie die fünf klugen Jungfrauen, die Öl in ihren Lampen hatten, damit wir, wenn der Bräutigam kommt, zu seiner herrlichen, unvergänglichen Hochzeit eingehen mögen, wo man den Herrn ewig loben wird, denn unsern Gott loben ist ein köstliches Ding.

Hiermit bleibe dem Herrn und dem reichen Worte seiner Gnade befohlen, Amen. Sei unserer allezeit in deinem heiligen Gebete zu Gott eingedenk, wie Paulus sagt; gedenke der Gefangenen als eine Mitgefangene, denn wir gedenken deiner auch zum Besten in unserm Gebete nach unserem geringen Vermögen, indem geschrieben steht: Wie ihr wollt, daß euch die Menschen tun sollen, so tut auch ihnen; denn das ist das Gesetz und die Propheten.

Geschrieben aus großer, brüderlicher Liebe, und von uns drei Gefangenen, um des Wortes des Herrn und seines heiligen Namens willen, an dich gesandt, unsere liebe und sehr werte Schwester in dem Herrn, Amen.