Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.517

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2.517  Der erste Brief von Hansken von dem Wege.

Ich wünsche dir, meine herzlich geliebte und auserwählte Schwester, die ich aus dem innersten Grunde meines Herzens liebe, die unergründliche, überschwängliche und große Gnade und Barmherzigkeit von dem ewigen und allmächtigen Gotte, dem himmlischen Vater, wie auch die große Sanftmut und Demut und den großen Frieden unseres Herrn Jesu Christi, des einigen, wahren und lebendigen Sohnes Gottes, und endlich auch die große Kraft, den Trost und die volle Freude des Heiligen Geistes. Dieses ist mein ewiger und seliger Wunsch und heiliger Gruß zum ewigen Andenken an dich, meine liebe und auserwählte Schwester, und auch an alle Menschen, die den Herrn fürchten, lieben und ihn aus reinem Herzen anrufen. Dieses ist mein beständiger, seliger Wunsch und heiliger Gruß, zu eurer Seelen ewigen Seligkeit, und zum Preise des ewigen, höchsten und allmächtigen Gottes des Himmels und der Erden; seinem Namen sei ewig Lob, Dank, Preis und Ehre, von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

Ach sieh, meine herzlich geliebte und sehr werte und auserwählte Schwester, was soll ich dir mehr wünschen? oder was soll ich dir mehr schreiben, als was ich geschrieben habe? aber ich sage noch einmal mit dem heiligen auserwählten Apostel Petrus, aus großer, reiner, brünstiger Liebe zu Gott, wenn er an dich und uns und alle Menschen die nachstehenden Worte richtet: Macht eure Seelen keusch im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu ungefärbter Bruderliebe, und habt euch untereinander brünstig lieb aus reinem Herzen, als die da wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Worte Gottes, das ewig bleibt, denn alles Fleisch ist wie Gras, und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume; die Sonne ist aufgegangen und hat das Gras dürr gemacht, und seine Schöne ist abgefallen, aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Ach, liebe Schwester; welch eine gute Salbe und selige Lehre ist es, die uns Petrus hier durch den Heiligen Geist gelehrt hat. Ach, ja, welch eine köstliche Arznei ist dieses, die uns der Herr durch seinen Apostel hinterlassen hat, womit man die Seelen reinigen und gesund machen kann? Darum laß uns unsere Ohren öffnen und unsere Herzen aufschließen, damit wir es mit unsern Ohren hören und mit unseren Herzen verstehen, was uns der Gehorsam der Wahrheit lehrt; denn Christus Jesus ist die wahrhaftige Wahrheit, auch die köstliche Arznei der Gnade und Barmherzigkeit und ein wohlriechendes Öl der Liebe, durch welchen wir, und durch keinen andern, unsere Seelen reinigen.

Darum, ach, liebe Schwester, laß uns doch diese Wahrheit hören, und ihr gehorsam sein, denn er ist von dem Vater ausgegangen, ja, ausgegangen und gesandt worden, als ein Lehrer von dem Himmel, um uns den Weg der Wahrheit zu lehren, und das Leben, welches er selbst war; derselbe hat auch alles, was er von seinem Vater gehört und gesehen hat, uns gelehrt, um unsere Seelen zu reinigen und ewig selig zu machen, denn er lehrt uns: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.

Ach, liebe Schwester, bitte doch den Herrn ernstlich um den richtigen Begriff dieser Wiedergeburt, die von oben aus Wasser und Geist geschehen muss, denn sonst können wir nicht eingehen in das Himmelreich. Darum lasst uns zu Gott, dem Allerhöchsten, mit festen Vertrauen und starkem Glauben, ja, mit standhaftem Gemüte im Geiste und der Wahrheit bitten, dann wird uns gegeben werden, wie er selbst sagt; denn wer bittet, der empfängt, sagt der Herr Jesus Christus. Darum laß uns zu Ihm bitten, damit uns gegeben werde, die Wiedergeburt zu verstehen und uns nach ihr zu richten, und so bis ans Ende, ja, ewig in der Wiedergeburt zu verharren.

Ach, ja! So von oben geboren, daß, wo zuvor nichts war, nun etwas sei, und, wo man zuvor nichts als lügen und betrügen konnte, und nur prachtliebenden Hochmut, stolzes Fluchen, Schlagen, Schwören, Übelreden kannte, und dabei in großer Wollust des Fleisches lebte, wir nun die Wahrheit von Herzen reden, in der Wahrheit wandeln, als Kinder, die aus Wahrheit geboren sind, und dabei in der Furcht unseres Gottes leben, in der Erniedrigung des Herzens, in der Demut, Freundlichkeit und großen Freude des Geistes, auch nicht mehr nach den stummen Götzen gehen, um sie anzubeten oder zu verehren, oder in ihre Baalswinkel, wo man nichts anderes als Menschengebote lehrt, welche Lehren der Menschen Seelen verderben, womit auch der Teufel die ganze Welt verdorben hat, denn sein Name ist Verderber. Ach, ja, liebe Schwester, wenn wir dahin gingen, so sähen wir sie Messe und gräuliche Abgötterei verrichten, was doch nur Erfindungen und Menschengebote sind, welche durch den Teufel eingeführt worden sind, und wenn sie nun ihre große Abgötterei anfangen, so muss jedermann vor ihm niederfallen, ihn anbeten und ihm Ehre erweisen. O welche grausame Abgötterei und welch ein Gottesdienst ist das! Das Urteil ist vor langer Zeit über sie gesprochen, denn Paulus sagt: Die Götzendiener haben keinen Teil an dem Reiche Gottes, sondern ihr Teil ist, sagt Johannes, in dem Pfuhl, der mit Schwefel und Feuer brennt, welches der zweite Tod ist. Darum, ach, liebe Schwester, hüte dich vor den Abgöttern und rühre nichts Unreines an, und laß uns von den Abgöttern zu dem Dienste des lebendigen Gottes bekehrt werden, um ihm zu dienen, denn ihn allein soll man hören, preisen, ehren, anbeten, ihm dienen, und ihn lieb haben, ewiglich; ja, liebe Schwester, laß uns so in der Erkenntnis Christi uns üben, daß wir uns von der Macht dieser Welt abwenden, in welcher nichts als Finsternis ist, nämlich von der Nacht der Sünden zu dem Tage der Gnaden, wo die schöne Sonne der Gerechtigkeit, Jesus Christus, mit allen seinen Verheißungen und seiner Gnade scheint, und von den Lügen zur Wahrheit, von der Ungerechtigkeit und Bosheit zur Gerechtigkeit und zu guten Werken, und laß uns so in der Kraft beweisen, daß wir wiedergeboren seien, und uns untereinander in der Demut des Herzens und Geistes mit brüderlicher Liebe aus reinem Herzen lieb haben, und mit allen Menschen Frieden haben, wenn es möglich ist. Ja, was du willst, das dir die Menschen tun sollen, das tue du ihnen, denn das ist das Gesetz und die Propheten, sagt Christus, welches die untrügliche Wahrheit ist. Darum laß uns doch dieses wohl bedenken, damit wir nicht einen Fehlschuss tun, wir wollen ja, daß man uns viel Gnade und Barmherzigkeit erweise, viel Liebe bezeuge, und mit uns allezeit in gutem Frieden lebe; so laß uns denn auch allezeit allen Menschen viel Gnade und Barmherzigkeit erweisen, viele Tugenden an ihnen ausüben, und auf solche Weise ihnen viel Liebe bezeugen, und uns bemühen, untereinander und gegen alle Menschen friedsam und liebreich zu sein. Ja, liebe Schwester, laß uns doch unsere Seelen reinigen, wie Petrus sagt: Macht eure Seelen keusch durch den Gehorsam der Wahrheit im Geiste zur ungefärbten Bruderliebe, und habt einander lieb aus reinem Herzen, als die da wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Worte Gottes, das ewig bleibt. Ach ja, liebe Schwester, laß uns Petrus Rate nachfolgen, und der Wahrheit Christi gehorsam sein, und unsere Seele durch den Gehorsam recht keusch machen, und von oben wiedergeboren werden aus Wasser und Geist, was doch von oben herab vom Himmel geschehen muss, sodass wir wiedergeboren werden müssen, nämlich aus dem Wasser, wie Christus sagt: Wer an mich glaubt, aus dessen Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen; das sagt er von dem Geiste, welchen diejenigen empfangen sollten, die an ihn glauben würden, und dann durch die Worte der Wahrheit, gleichwie Christus selbst sagt: Die Worte, die ich rede, sind Geist und Leben. Ach ja, liebe Schwester, dieses ist das rechte Wasser und der wahrhafte Geist, wodurch wir von oben herab wiedergeboren werden müssen, wenn wir anders das Himmelreich sehen sollen, denn Christus gibt und sendet den Heiligen Geist von oben herab auf einen jeden, den er bereit findet; so hat er auch sein Wort von oben mitgebracht; darum geschieht die Wiedergeburt von oben her.

Deshalb, liebe Schwester, laß uns Sorge tragen, daß wir diese Wiedergeburt wohl bewahren, und allezeit vor den Augen des Herrn in Heiligkeit wandeln unser Leben lang, als rechte wiedergeborene Kinder Gottes, die nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen (nämlich aus dem lebendigem Worte Gottes, das ewig bleibt) wiedergeboren sind. Darum, meine liebe und sehr werte Schwester, wenn du recht stehst in dieser Wiedergeburt, die auf solche Weise von oben in dir geschehen ist, so zeige dann die Art dessen, von welchem du geboren bist, sodass du all deinen Wandel im Himmel habest, und nicht gesinnt seiest nach Fleisch und Blut, noch auf etwas, das sichtbar ist, wie Paulus sagt; sondern nach demjenigen, was unsichtbar ist, denn Paulus sagt: Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft für uns eine ewige und über die Maßen gewichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen, denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Darum lasst uns doch Stand halten, und allein auf dasjenige sehen und glauben, was unsichtbar ist, denn Petrus sagt: Wenn nun Jesus Christus offenbar wird, welchen ihr nicht gesehen und doch lieb habt, und nun an ihn glaubt, wiewohl ihr ihn nicht seht, so werdet ihr euch freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, und das Ende eures Glaubens davon bringen, nämlich der Seelen Seligkeit. Ach ja, liebe Schwester, laß uns doch so handeln nach der Lehre, die uns von oben herab durch den Heiligen Geist gebracht worden ist, daß wir unsere Seelen keusch machen und von oben wiedergeboren werden aus Wasser und Geist, damit wir das Himmelreich sehen und solches durch des Herrn große Gnade ewig besitzen mögen. Laß uns allezeit ein festes Vertrauen und einen festen Glauben an den unsichtbaren Gott und den Herrn Jesum Christum, unsern Erlöser und der Welt Heiland, haben, damit unsere Seelen ewig selig sein mögen; ach, ja, daß wir mit allen auserwählten und wiedergeborenen Kindern Gottes, und mit allen Heiligen des höchsten Gottes des Himmels und der Erde, und der himmlischen, großen, schönen Schar der heiligen Engel Gottes in unaussprechlicher großer Glorie und Freude und schöner unvergänglicher Klarheit sein mögen, und mit dem Herrn aller Herren und mit dem Könige aller Könige in großer schöner Herrlichkeit und in über die Maßen großer Freude ewig herrschen, und ferner mit allen großen, himmlischen, heiligen Scharen des Herrn hohen Namen vor großer Freude des Herzens loben, preisen, ehren und mit großer Ehre ewig heiligen mögen; denn Ehre müsse Gott sein in der Höhe, Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen. Hiermit, meine liebe Schwester, bleibe dem Herrn befohlen und dem Worte seiner ewigen Gnade, Amen.

Geschrieben aus großer, brünstiger, brüderlicher Liebe an dich, Cyntgen, meine liebe und sehr werte auserwählte Schwester, zum ewigen und seligen Andenken in dem Herrn, von Hansken, deinem elenden, armen und schwachen Bruder, der zu Gent auf dem Saucelet, um des rechten Wortes des Herrn willen, gefangen liegt. Sei meiner in deinem Gebete zu Gott eingedenk, damit durch mich armen, elenden Menschen, der ich doch schwach bin, des Herrn hoher und heiliger Name ewig gelobt und geehrt werden möge, denn unsern Gott loben ist ein köstliches Ding, Amen.