Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.581

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2.581  Ein Testament.

Geschrieben von Matthäus Bernaerts, sonst genannt von Linchen, als er zu Gent gefangen lag, an seine Kinder Janneken, Joosten und Myntken.

Gott, der himmlische Vater, Schöpfer des Himmels, der Erde und der Wasser, und alles dessen, was darinnen ist, der in einem Lichte wohnt, wohin niemand kommen kann, welches auch kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann, gebe durch Jesum Christum, seinen einigen Sohn, mit Kraft des Heiligen Geistes euch, meinen lieben Kindern, bis in euer volles Alter Gnade und Barmherzigkeit, Weisheit und Verstand, damit ihr geübte Sinne zur Unterscheidung des Guten und Bösen erlangen und von Jugend auf lernen mögt, durch die Furcht Gottes die Sünde meiden, und alles Arge, sowie alle Bosheit, scheuen, und so in der Erkenntnis Gottes aufwachst, damit ihr die Seligkeit und die ewige Herrlichkeit ererben mögt, und ich euch in dem ewigen Leben wiederfinden möge. Dieses wünsche ich, Matthäus Bernaerts, euer Vater, euch, meinen lieben Kindern, Janneken, Joosten und Myntken, aus meines Herzens Grunde, daß es so geschehen möge, Amen.

Das Testament: Ich, Matthäus Bernaerts, oder Matthäus von Linken, euer Vater, sitze nun um des Wortes Gottes willen im Gefängnisse zu Gent geschlossen. Deshalb ist das, meine lieben Kinder, zunächst mein Begehren, daß, wenn ihr zu eurem Verstande gekommen seid, ihr fleißig danach fragt, warum es geschehen sei, daß euer Vater hat leiden müssen, auch daß ihr eifrig in der heiligen biblischen Schrift untersuchen wollt, dann werdet ihr leicht durch Gottes Gnade merken, daß es nicht wegen irgendeiner Missetat oder Ketzerei geschehen sei, daß ich leiden muss, wie ich mit meinen Mitbrüdern, die gleichen Glauben mit mir empfangen haben, von den falschen Propheten beschuldigt wurde, sondern daß wir geschmäht werden, weil wir eine feste Hoffnung haben auf den lebendigen Gott, der der Heiland aller Menschen ist, insbesondere aber der Gläubigen; auf den lebendigen Gott, sage ich, der die Welt so liebte, daß er seinen eingebornen Sohn dahingegeben hat, damit alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Von diesem einigen Sohne des Vaters bekennen wir, daß Er von Ewigkeit zu Ewigkeit gewesen sei, denn Er ist das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte, durch welchen alle Dinge erschaffen worden sind, durch den wir auch die Versöhnung, nämlich die Vergebung der Sünden, haben. Denn Christus ist für uns gestorben, als wir noch gottlos waren, deshalb sind wir auch versöhnt durch den Tod des Sohnes Gottes, als wir noch Feinde waren, durch die Vernunft in bösen Werken; ebenso sind wir nun mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod versöhnt, denn das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns von allen unsern Sünden rein. Er ist auch das unschuldige, unbefleckte Lamm, das die Sünde Adams auf sich genommen hat, welches keine Sünden getan hat, und in dessen Mund kein Betrug erfunden worden ist; dasselbe ist uns von Gott gemacht zur Weisheit und Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Summa, ich glaube und bekenne mit vielen Heiligen Gottes, daß Christus der Sohn des lebendigen Gottes sei, wie von Ihm Petrus bekannt hat mit vielen Aposteln, Nathanael, Martha, dem Mörder, dem Engel Gabriel, dem Vater aus dem hohen Himmel und vielen Zeugen der Christen. Dieser eingeborne Sohn Gottes hat uns des Vaters Willen offenbart und zu erkennen gegeben, als Er von den Toten auferstanden ist. Er hat seinen Aposteln einen Befehl gegeben und gesagt: Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben, darum geht hin und lehrt alle Völker, und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Markus beschreibt es: Geht hin in alle Welt, und predigt das Evangelium allen Kreaturen; wer glaubt und getauft wird, wird selig werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Aber der Mensch muss zuvor sich bekehren und Buße tun, denn Christus hat in seinem Namen Buße predigen lassen zur Vergebung der Sünden. So zeugen auch von Christo alle Propheten, daß alle, die an Ihn glauben, durch seinen Namen Vergebung der Sünden empfangen. Diesem Befehle Christi sind die Apostel als treue Diener nachgefolgt, wie man in den Geschichten der Apostel liest, wo Petrus das Volk zu Jerusalem lehrte und sagte: Tut Buße, und lasse sich ein jeder im Namen des Herrn Jesu Christi zur Vergebung der Sünden taufen, dann werdet ihr die Gaben des Heiligen Geistes empfangen; diejenigen nun, die sein Wort gern aufnahmen, ließen sich taufen. Desgleichen finden wir auch von dem Kämmerer aus dem Mohrenlande, wie er sich auf sein Glaubensbekenntnis von Philippus habe taufen lassen; auch wurden von Philippus sowohl Männer als auch Weiber getauft, als er ihnen von dem Reiche Gottes gepredigt hatte; ebenso hat Petrus befohlen, Cornelius mit seinem Hausgesinde zu taufen, als er und alle seine Hausgenossen durch den Glauben den Heiligen Geist empfangen hatten; ebenso ist auch des Stockmeisters Hausgesinde getauft worden, als es an den Herrn Jesum gläubig geworden ist. Also haben die Apostel nur die Gläubigen getauft, nachdem sie dieselben zuvor gelehrt, Buße zu tun, den Sünden abzusterben und durch die Taufe begraben zu werden, um wieder in einem neuen Leben aufzustehen. So ist denn die Taufe eine Begrabung der Sünden, ein Bad der Wiedergeburt, welches uns, wie Petrus sagt, selig macht, nämlich was dadurch bedeutet wird, nicht das Abtun des Unflates am Fleische, sondern der Bund eines guten Gewissens mit Gott, denn durch die Taufe wird von den Gläubigen zu erkennen gegeben, daß sie inwendig mit dem Heiligen Geiste und Feuer durch Christum getauft seien, wovon wir viele Zeugnisse in der heiligen Schrift haben; auf solche Weise treten sie in den Bund des Allerhöchsten, und sind versichert durch seinen Heiligen Geist von der Gnade und dem Verdienste unsers Herrn Jesu Christi, daß er ihr Gott sei und daß sie seine Kinder seien.

Dieses ist in der Kürze unser Glaube von der Taufe, wobei wir allem absagen, was von Menschen dagegen eingesetzt ist.

Ferner haben wir aus Gottes Wort ein Abendmahl oder Brotbrechen, welches der Herr selbst eingesetzt und seinen Aposteln befohlen hat, zum Gedächtnisse seines Leidens und Todes, wie Paulus berichtet: Der Herr Jesus Christus, in der Nacht, wo er verraten war, nahm das Brot, dankte, brach es und sagte: Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird; solches tut zu meinem Gedächtnis; desgleichen nach dem Abendmahl nahm Er auch den Kelch, und sagte: Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blute; so oft ihr solches trinkt, tut es zu meinem Gedächtnis, denn so oft ihr von diesem Brot esst und von diesem Kelch trinkt, sollt ihr des Herrn Tod verkündigen, bis daß Er kommt. Wer aber unwürdig von diesem Brot isst, oder von dem Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig an dem Leib und Blut des Herrn. Der Mensch aber prüfe sich selbst, und also esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch, denn, wer unwürdig isst, der isst und trinkt sich selbst das Gericht, weil er den Leib des Herrn nicht unterscheidet. Also hat Christus Jesus das Abendmahl eingesetzt mit Brot und Wein, damit es in einer christlichen Versammlung gebraucht werde, im Namen des Herrn, zum Zeichen der brüderlichen Liebe und Einigkeit, und zum Zeichen, daß wir Christi, des wahrhaftigen Brotes vom Himmel, durch sein Verdienst in dem Glauben an seinen heiligen Namen teilhaftig geworden sind, wie Paulus erklärt: Der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist es, so sind wir viele ein Leib, weil wir alle eines Brotes teilhaftig sind; diejenigen aber, die zu diesem Brote tüchtig sind, müssen den Sünden abgestorben, durch die Taufe begraben und mit Christo wieder auferstanden sein, in einem gottseligen und christlichen Leben, und müssen in Christo eine neue Kreatur geworden und in seinem Blute gereinigt sein. Solche müssen durch das Wasserbad im Worte die Seligkeit erlangen, indem sie Fleisch von Christi Fleisch und Bein von seinen Beinen sind; auch müssen sie der göttlichen Natur teilhaftig sein, und fortan alle vergänglichen Wollüste dieser Welt fliehen; sie müssen auch in einem Geiste zu einem Leibe getauft, und mit einem Geiste getränkt werden. Dieses Abendmahl ist bei der Welt ganz verkehrt, denn sie halten ihr Abendmahl mit Huren und Buben, mit Trunkenbolden und Ehebrechen, mit Götzendienern, mit Lügnern, Dieben, Mördern, Lästerern und Zauberern, von welchen geschrieben steht, daß solche das Reich Gottes nicht ererben werden, sondern ihr Teil wird sein in dem feurigen Pfuhle, der mit Schwefel und Feuer brennen wird, welches der zweite Tod ist. Auch meinen sie, wenn sie das Brot essen und den Kelch trinken, sie Christi Leib wesentlich essen, und sein Blut wesentlich trinken, in welcher Beziehung Christus zu den Juden sagt, die es auch fleischlich verstanden, wie es diese noch so verstehen, der Geist sei es, der lebendig macht, das Fleisch und Blut sei nichts nütze; die Worte, die ich rede, sind Geist und Leben. Auch finden wir an vielen Plätzen, daß Christus zur Rechten seines Vaters im Himmel sitzt, und den Himmel einnehmen muss bis zur Zeit, daß wiedergebracht werde alles, was Gott geredet hat durch den Mund seiner Propheten. Und weil ich, meine lieben Kinder, diese drei Artikel gleichsam aus des Herrn Munde durch den Heiligen Geist aus Gottes Wort von Herzen angenommen und geglaubt, das Böse gemieden und verabscheut habe, nach meinem schwachen Vermögen, sowie alles, was denselben zuwider ist, namentlich viele Gräuel, Abgötterei, die Kindertaufe, das abgöttische, verkehrte Abendmahl, die Ohrenbeichte, und verschiedene andere Schändlichkeiten, so muss ich leiden und des Todes sterben. Aber von Anfang der Welt ist es so gewesen, dass die Gerechten viel haben leiden müssen, wie Christus sagt: Sie werden euch in den Bann tun, und die Zeit wird kommen, daß wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit; und dieses alles werden sie euch darum tun, weil sie weder mich, noch meinen Vater erkannt haben; denn hätten sie Ihn erkannt, sie hätten den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt; auch sagt Christus: Wärt ihr von der Welt, so hätte die Welt das ihre lieb; nun ihr aber nicht von der Welt seid, und weil ich euch von der Welt erwählt habe, so hasst euch die Welt. Also sind die Kinder Gottes aus dieser düstern, bösen Welt zum Lichte Jesu Christi berufen und erwählt, weil ihre Werke, die in Gott getan sind, die Welt strafen und ihre Bosheit zum Vorschein bringen; darum sind sie auch über dieselben zornig, nach der Art Kains, welcher, weil Abels Opfer vor dem Herrn angenehm war, denselben totgeschlagen hat, denn was lauter und klar ist, mag nicht zum Vorschein kommen. Der sich vom Bösen abwendet und Gutes tut, muss jedermanns Raub sein, und alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden. Der Engel sagte zu Tobias: Weil du Gott angenehm warst, so musste es so sein, ohne Anfechtung musstest du nicht bleiben, damit du bewährt würdest. Der Jünger ist nicht über seinem Meister, noch der Knecht über seinem Herrn, sondern es ist dem Jünger genug, daß er wie sein Meister sei, und dem Knechte, daß er wie sein Herr sei. Haben sie den Hausvater Beelzebub genannt, um wie viel mehr werden sie seine Hausgenossen so nennen; haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie das eure auch halten. Meine lieben Kindlein, es wird euch nicht zur Schande gereichen, daß ich, euer Vater, leiden muss, denn es ist um des Namens des Herrn Jesu Christi willen. Darum schämt euch dessen nicht, denn man mag nicht herrlicher für den Herrn sterben, als um des Wortes Gottes willen. Petrus und Johannes gingen fröhlich von dem Rate, als sie gegeißelt waren, weil sie würdig waren, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. Derselbe Apostel sagt auch: Selig seid ihr, wenn ihr um des Namens Christi willen geschmäht werdet, denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch; bei ihnen ist er verlästert, aber bei euch ist er gepriesen.

Ferner ist es mein Begehren, meine lieben Kinder, daß ihr euch der bösen Werke dieser Welt enthaltet, deren es sehr viele gibt, damit ihr nicht mit ihr verdammt werdet, denn die Welt mit allen ihren Lüsten wird vergehen; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit, ja, solche wird der Herr wie seinen Augapfel, und ihre guten Werke wie einen Siegelring bewahren.

Darum trachtet von Jugend auf nach dem Besten; beugt eure Schultern unter die Wahrheit, und meidet alle Lüste der Jugend; trachtet darnach, daß ihr des Herrn Joch auf euch nehmt, das ist, daß ihr die Lehre Christi aufnehmt jetzt in euren jungen Tagen bis in euer Alter, ja, bis ans Ende eures Lebens, dann wird man einen weisen, vollkommenen Mann an euch sehen; untersucht fleißig die heilige Schrift, damit ihr dadurch in dem göttlichen Leben vollkommen fortgeht, von welchem die Welt entfremdet ist, und lasst das Wort Christi in euch gepflanzt werden, damit es reichlich in euch wohnen möge in aller Weisheit. Denkt allezeit an Gottes Gebot, und ohne Unterlass an sein Wort, das wird euer Herz vollkommen machen, und euch Weisheit geben, wie ihr begehrt; denn das Wort des Höchsten ist ein Brunnen der Weisheit, und ihr Eingang sind die ewigen Gebote. Durch Gottes Wort erlangt ihr gottselige und geübte Sinne zur Unterscheidung des Guten und des Bösen, denn die heilige Schrift gibt Zeugnis von Gottes Güte und macht einen Unverständigen, der es begehrt, weise, um Gott zu fürchten, alle Bosheit zu meiden und Gutes zu tun, denn wer Gott fürchtet, wird Gutes tun. Die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang, und Böses meiden ist Verstand. Die Furcht des Herrn ist der Brunnen der Weisheit, wodurch man die Stricke des ewigen Todes meidet, und der Sünden Sold ist der Tod.

Darum, meine lieben Kinder, meidet die Ursache, wodurch man in den Tod kommt, das ist die Sünde, welche bei den Fleischlichen sehr häufig gesehen wird; denn die Welt liegt im Argen; die Sünden werden bei ihr sehr gering geachtet, und gleichwohl hat sie Zähne wie Löwenzähne, welche der Menschen Seelen töten, indem die Sünde und Ungerechtigkeit einem scharfen Schwerte gleicht und verwundet, daß es niemand heilen kann. Ach, meine lieben Kinder, bewahrt eure Seelen sehr fleißig, damit ihr auch mit eurem Munde keine Ungerechtigkeit redet, und hütet euch vor Lügen, denn der Mensch, sagt Christus, wird von allen unnützen Worten, die er geredet hat, Rechenschaft geben müssen. Darum sagt Paulus: Legt die Lügen ab und redet die Wahrheit untereinander, denn eitle Reden gehen nicht frei aus, und der Mund, der lügt, tötet die Seele; ebenso haben auch die Lügner keinen Teil an dem Reiche Gottes, sondern ihr Teil wird in dem Pfuhle sein, der mit Schwefel und Feuer brennt.

Liebe Kinder, befleißigt euch der Treue, wo ihr wohnt oder wo ihr seid; seid gegen alle Menschen gut und getreu, und hütet euch vor dem Stehlen, denn die Diebe haben keinen Platz in dem Reiche Gottes, weil es eine abscheuliche große Sünde ist. Darum lasst weder eure Augen noch eure Herzen darnach gelüsten, etwas zu begehren, was nicht euer ist, denn ein Dieb wird nirgends geachtet; wo er hinkommt, sieht man nach ihm und seinen Händen.

Deshalb, meine lieben Kinder, haltet euch ehrbar bei einem jeden, und wenn ihr etwas im Hause hört, das man verschweigen soll, so plaudert es nicht auf der Straße aus, oder tragt es nicht hin und her in den Häusern, sondern seid darauf bedacht, euer Tun wahrzunehmen, und versäumt nichts durch Müßiggang, denn Müßiggang macht die Knaben zu Dieben, die Töchter aber zu Huren; wie man denn oft sieht, daß es geschieht, daß die Töchter in das Hurenhaus, die Söhne aber an den Galgen kommen; das kommt gewöhnlich daher, weil sie leckerhaft sind und nicht arbeiten wollen. Darum haltet euch täglich zu denen, wo ihr seid, und seid ihnen gehorsam, wie es euch gebührt, eurem Vater gehorsam zu sein, weder hartnäckig, noch widerspenstig, sondern seid ihnen gehorsam von Herzen mit Gutwilligkeit, und geht mit ihnen und allen Menschen manierlich und freundlich um; hütet euch vor Afterreden, denn das ist auch eine große Sünde, indem ein Dieb zwar schändlich ist, aber ein Verleumder ist noch schändlicher, weil ein Verleumder auch das erzählt, was er heimlich weiß. Darum bewahrt eure Zunge vor dem Argen, und eure Lippen, daß sie keinen Betrug reden. Lasst von dem Bösen ab, und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach, denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Gebet, aber das Angesicht des Herrn sieht auf diejenigen, welche Böses tun. So legt nun allen Neid und das Afterreden von euch ab, und beneidet einander nicht, noch sonst jemanden, denn der Neid macht alle gute Freundschaft vergessen, und scheidet alle guten Freunde voneinander; so hat auch Kain seinen Bruder Abel aus Neid totgeschlagen; aus Neid haben Jakobs Söhne ihren Bruder Joseph in die Grube geworfen und auch verkauft. Ach, meine lieben Kinder, haltet euch stets zu Hause, und kommt nicht viel auf die Straßen, wenn ihr nichts darauf zu tun habt, denn dort lernt man nichts anderes als Büberei, Schlagen, Spielen, Tauschen, Fluchen, Schwören und viele unnütze Worte reden. Ach, Kinder, es ist euch so schädlich an Seele und Leib, auf die Straße zu laufen; wenn ihr aber nicht arbeiten müsst, so nehmt ein Testament zur Hand und lest darin, das wird euch sehr dienlich sein. Und ihr, Janneken und Joosken, seid älter als Myntgen, eure Schwester; erweist ihr, nach all eurem Vermögen, eure Barmherzigkeit, und helft ihr die Kost verdienen, und arbeitet fleißig mit euren Händen, damit ihr dem Dürftigen zu geben habt; denn nach meinem Tode seid ihr große Schuldner untereinander, das Beste zu tun, damit ihr einander nach eurem Vermögen forthelft. Das Jüngste sei dem Ältesten gehorsam, damit kein Streit entstehe. Beweist hierin und in allen Dingen eure Demut, denn Gott widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. Er hat die Gewaltigen vom Stuhle gestoßen und erhebt die Elenden. Darum, meine lieben Kinder, lasst die Hoffart bei euch nicht die Herrschaft haben, weder in Worten noch in Werken, denn David sagt: Ein verkehrtes Herz muss von mir weichen; den Bösen leide ich nicht, der seinen Nächsten heimlich verleumdet, den vertilge ich; ich mag den nicht, der stolze Gebärden und hohen Mut hat! Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bei mir wohnen, und ich habe gern fromme Diener. Ach, meine lieben Kinder, seid gegeneinander gut und freundlich, und lasst von euch keine spitzigen Worte weder gegeneinander, noch über andere gehört werden. Seid auch meinem Weib, eurer Mutter, gehorsam um des Herrn willen und um meinetwillen, denn sie war mir sehr lieb und wert; aber nun muss ich sie und euch verlassen um des Namens des Herrn willen, nach dem Befehle Christi, was ich um die ganze Welt nicht tun wollte, aber um des Herrn und des Evangeliums willen muss man alles verlassen, Vater, Mutter, Weib, Kind, Brüder, Schwestern, Land, Haus, Hof, ja, dazu sein eigenes Leben, sonst ist man nicht wert, sein Jünger zu sein.

Hiermit will ich euch, meine lieben Kinder, gute Nacht sagen und meinen Abschied von euch nehmen. Der Herr gebe euch seinen überfließenden, reichen Segen, damit ihr in einem ehrbaren, gottseligen Leben aufwachsen und in der Erkenntnis Christi zunehmen mögt.

Ach, meine lieben Kinder, lasst nicht nach, eurem Herrn, eurem Gotte, vor dem Essen und Trinken, wenn ihr schlafen geht und aufsteht, auf euren Knien mit gefaltenen Händen zu danken, und ruft Ihn um seine Gnade an.

So empfehle ich euch und eure Mutter, mein wertes und in Gott geliebtes Weib, dem Herrn, der mächtig ist, für euch an Leib und Seele über unser Gebet zu sorgen. Auch ist es mein Begehren, daß man dieses Testament für euch abschreibe, und daß man es dem Henrich und den Kindern wohl bewahre, zu meinem Andenken, und wenn die Kopie abgenutzt ist, so lasst es wieder abschreiben, damit es nicht vergehe. Gute Nacht Henrich, Urlaub und gute Nacht zum Abschiede, Janneken, meine älteste Tochter; Urlaub und gute Nacht Joosken; Urlaub und gute Nacht Myntken, und gute Nacht mein wertes und in Gott geliebtes Weib und Schwester in dem Herrn. Gute Nacht, nun müssen wir scheiden. Der allmächtige Gott, der Abraham, Isaak und Jakob gesegnet hat, wolle euch auch segnen ins himmlische Wesen durch Jesum Christum, Amen.

Der gesegnete, gekreuzigte Christus sei euer Trost und überfließend reicher Schatz der Gnade. Der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch. Dieses sei noch einmal zum Abschiede.

Urlaub und gute Nacht, liebe Neelken. Ich danke dem Herrn und dir für deine freundliche Gemeinschaft und Liebe gegen mich, die du mir erwiesen hast. Ich gehe voran, der Herr wolle eure Herzen richten, zur Liebe Gottes und zur Geduld Christi, damit ich euch bei dem Herrn finden möge.

Von mir, Matthäus Bernaerts, in meinem Gefängnisse zu Gent geschrieben, den 2. Dezember 1572.