Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.296

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2.296  Noch ein Brief von Jelis Bernarts an sein Weib.

Die Gnade und der Friede Gottes des Vaters und die Verdienste unseres Herrn Jesu Christi, sowie die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, seien mit dir, durch welchen Geist wir sämtlich zu einem Leibe getauft sind, dessen Haupt Christus ist, wir aber untereinander die Glieder sind, Fleisch von seinem Fleische und Bein von seinen Beinen; er ist seines Leibes Heiland; demselben werden auch die Pforten der Hölle nicht widerstehen können, noch ihn überwältigen, wenn wir fest in der Liebe aneinander verknüpft bleiben, und uns nicht verführen lassen, sondern den Glauben an Jesum Christum festhalten, und die Gnade nicht versäumen, die uns Gott durch Jesum Christum, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, verliehen hat, welchem sei Lob, Preis, Ehre und Danksagung von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

Ein sehr herzlicher Gruß sei dir zugeschrieben, mein geliebtes Weib und Schwester in dem Herrn, deren ich nun beraubt bin durch die Bande, worin ich mich wegen des Zeugnisses unseres Herrn Jesu Christi und des Glaubens an Gott befinde; ich hoffe dieses Zeugnis mit meinem Blute und Tode zu versiegeln, und so zur Ruhe unter dem Altar zu allen Heiligen Gottes einzugehen, welcher Altar Christus ist, wo ich alle meine Mitbrüder und Schwestern erwarten werde; dort werden wir versammelt werden und bleiben von Ewigkeit zu Ewigkeit, und werden also ewiglich in Freuden sein; dann wird man von keinem Scheiden mehr hören, sondern wir werden in Ewigkeit mit Gott und dem Lamme und allen Heiligen regieren; dort wird kein Seufzen und Weinen mehr gehört werden, sondern alle Tränen werden von unsern Augen abgewischt werden; unsere Trübsal wird in Freude und Wonne, unser Weinen in Lachen und unser Scheiden in ein ewiges Versammeln verwandelt werden; dort wird Freude und Frohlocken sein, denn keine Augen haben es gesehen, und keine Ohren haben es gehört, und es ist in keines Menschen Herz gekommen, was Gott für seine Auserwählten bereitet hat, aber uns hat es Gott durch seinen Geist offenbart. Darum laß uns guten Mut haben, und geduldig sein in Trübsal, denn wir wissen, daß wir durch viel Trübsal und Leiden in das Himmelreich eingehen müssen; laß uns allezeit beständig sein in dem Gebete, und anhaltend bleiben, mit Bitten und Flehen in dem Geiste, daß er uns allezeit trösten, stärken und kräftig machen wolle, damit wir in aller Trübsal und Leiden, welches uns begegnen möchte, standhaft bleiben mögen, in welchem Leiden er uns nicht ungetröstet lassen wird, denn wie des Leidens Christi viel über uns kommt, so werden wir auch durch Christum reichlich getröstet.

Darum, meine Geliebteste, dürfen wir wohl getrost sein und guten Mut haben, und in der Hoffnung fröhlich sein, daß wir solche herrlichen Verheißungen erlangt haben, und solche ungehoffte Seligkeit erwarten; denn wir, die wir ehemals entfernt waren, sind nun nahe gekommen, ja, wir, die wir ehemals Gäste und Fremdlinge waren, sind nun Bürger geworden mit den Hausgenossen Gottes, gebaut auf den Grund der Apostel und Propheten, wovon Jesus Christus der Eckstein ist, und sind so zusammen auferbaut zu einem heiligen Tempel, wie Petrus sagt: Und auch ihr, als lebendige Steine, erbaut euch zum geistigen Hause, zu opfern geistige Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum; denn er hat uns geliebt, und uns gewaschen von unsern Sünden in seinem Blute, und hat uns zu Königen und Priestern gemacht, Gott, seinem Vater, gleichwie auch Petrus in seinem ersten Briefe im zweiten Kapitel sagt: Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, damit ihr die Tugenden desjenigen verkündigt, der euch von der Finsternis zu seinem unvergänglichen Licht berufen hat, die ihr vormals kein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, und über welche sich Gott vormals nicht erbarmt hat, nun aber sich eurer erbarmt hat. Denn dieses sollen wir wissen, daß wir ohne Gott in der Welt waren; ja, was noch mehr ist, wir waren von ihr gepriesen; aber (ach Elend) von Gott verachtet. Denn gleich wie Jakobus sagt: Wer der Welt Freund sein will, der muss Gottes Feind sein, so gehörten wir damals auch zu denjenigen, über welche sich Gott nicht erbarmte, denn wie Christus sagt, so können wir nicht zweien Herren dienen, den einen müssen wir hassen, und den andern lieben. Wenn wir nun unsern Abschied von der Welt nehmen, und unserm eigenen Leben entsagen, daß wir nicht mehr nach dem Willen unseres Fleisches, sondern nach dem Willen Gottes leben, so will er sich unserer erbarmen, und uns von der Lüge zur Wahrheit bringen, von der Finsternis zum Lichte, von dem Götzendienste zu dem lebendigen Gottesdienste, so werden wir, die wir kein Volk waren, Gottes Volk, und können alle Tugenden und herrlichen Wohltaten verkündigen, die uns der Herr erwiesen hat, indem er uns zu seinen Kindern angenommen hat; denn an ein solches Volk hat der Apostel Petrus geschrieben, die so umgekehrt und in ein neues Wesen des Lebens verändert waren: Ihr seid das auserwählte Geschlecht. Und merke daraus, meine Geliebte, wie er in diesem Briefe zu einem solchen Volke redet, welches um des Glaubens an Christum Jesum willen überall zerstreut war, so müssen wir uns nun auch nicht wundern, wenn wir auch verjagt, zerstreut, gefangen und getötet werden, denn, wie du hören und lesen kannst, so ist es von Anfang so gewesen, und wird so bleiben bis ans Ende, denn die Finsternis ist des Lichtes nicht fähig.

Darum meine Geliebteste, laß uns nicht furchtsam sein, Gott ist unser Geleitsmann, und wenn Gott mit uns ist, wer mag wider uns sein? Er hat auch seinen einzigen Sohn nicht verschont, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Gott ist es, der gerecht macht, wer will verdammen? Denn Christus ist es, der gestorben ist, ja, noch mehr, der auferweckt ist und zur rechten Hand Gottes sitzt und uns vertritt; solches wissen wir, ja, was noch mehr ist, daß er uns bewahrt wie seinen Augapfel und gesagt hat: Ich will dich nicht verlassen noch versäumen, weshalb wir sagen dürfen: Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten, was können mir auch Menschen tun? Ebenso hat er uns auch ermahnt, daß wir diejenigen nicht fürchten sollen, die den Leib töten, weil sie nachher keine Macht mehr haben, sondern lasst uns den fürchten, der Macht hat, Seele und Leib in die Hölle zu werfen. Also sagt er auch durch den Propheten: Wer bist du denn, der du dich vor Menschen fürchtest, oder vor den Menschenkindern, die doch wie Heu vergehen müssen?

So fürchte dich denn nicht, meine Geliebteste, vor demjenigen, das dir noch begegnen möchte, auch sei nicht ohne Trost, sondern sei getröstet außer den Banden, und geduldig in Trübsal, gleichwie ich, durch des Herrn Hilfe, in meinen Banden bin. Laß uns standhaft bleiben im Glauben und in der Liebe, und mit dem heiligen Paulus sagen: Was kann uns scheiden von der Liebe Gottes? Weder Trübsal, noch Angst, noch Hunger, noch Gefahr oder Schwert; gleichwie auch geschrieben steht: Um deinetwillen werden wir den ganzen Tag getötet, denn wir sind geachtet wie Schlachtschafe; doch in allem diesem überwinden wir weit, um deswillen, der uns geliebt hat.

Darum, meine Geliebteste, habe guten Mut, und sei getrost und geduldig in all’ deiner Trübsal, und stehe fest im Glauben, und sei standhaft bis ans Ende, damit, gleichwie wir nun durch viel Trübsal und Leiden voneinander geschieden sind, wir einander auf den Tag der Auferstehung begegnen und so ewiglich miteinander in Freuden sein mögen, und mit dem Herrn und allen Heiligen und allen Engeln Gottes regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. Hierzu stärke dich und mich, sowie alle diejenigen, die den Herrn lieben und seine Gebote halten, der allmächtige Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, durch die Kraft seines Heiligen Geistes, Amen. Der Friede des Herrn sei mit dir.