Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.374

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2.374  Der zweite Brief, welchen Mattheiß Servaes von Kottenem aus dem Gefängnisse an seinen Bruder geschrieben hat.

Die heilsame Gnade Gottes sei mit uns allen, Amen. Ich begehre, daß man meinem Weibe (welche damals nicht gefangen war) sobald als tunlich ein holländisches Testament bestelle, denn sie kann den hochdeutschen Druck nicht lesen.

Ferner, mein lieber Bruder, lasse ich dich wissen, daß ich nun allein bin, aber der Herr ist bei mir. Es kommt mir auch vor, als ob ich wenig zu unsern Mitgefangenen Brüdern kommen werde, auch könnte es wohl geschehen, daß mein Lager fürs Erste nicht das Beste sein werde.

Darum weiß ich Gott nicht genug zu danken, und wiewohl ich gern bei meinen Brüdern sein möchte, so ist mir doch dies viel lieber, denn weil es Gott so gefällt, so halte ich es auch für das Beste und zu meiner Seligkeit für das Nützlichste, und wiewohl es mich nicht wenig schmerzt, so halte ich es doch für keine Pein, weil es der Herr mit mir so verordnet hat. Als sie mich den folgenden Donnerstag des Morgens früh von dem Frankenturme nach unserm Gefängnisse brachten, sollten unsere Brüder an demselben Morgen auch gefoltert werden, denn die Kerzen und Lichter standen an der Folterbank, und es war alles fertig; als sie mich aber dahin brachten, fingen sie an mit mir zu reden und mich zu fragen; darüber aber, bis sie mich ausgefragt hatten, und ich meinen Glauben und alles auf mein Amt Bezügliche vor vielen von ihnen bekannte (wobei ich auch viele Fragen an sie richtete, wozu sich mir die Veranlassung darbot), war fast der halbe Tag vergangen, und nach langem und vielem Gespräche, als sie mir nicht weiter antworten konnten (wovon ich Gott allein und nicht mir die Ehre gab), sagte einer zu mir, welcher größtenteils fragte und das Wort führte, die Taufe sei unter uns der Hauptirrtum. Darauf antwortete ich: Wenn dieses der Hauptirrtum unter uns ist, und ihr fangt und foltert uns um deswillen, warum stellt ihr denn nicht zuvor die grausamen Irrtümer und das gottlose Leben der Pfaffen neben das unsrige, und beurteilt dasselbe gegen einander ohne Ansehen der Personen, als vor den Augen und dem Gerichte Gottes? Dann könntet ihr gegen die Irrtümer, welche am wichtigsten erfunden werden, die Strafe mit Ernst zur Hand nehmen, wenn ihr anders einige dagegen habt; aber er achtete mich nicht würdig, mir darauf zu antworten.

Als ich nun das merkte, sagte ich: Wir sind gleichwohl auch Menschen, und ihr seid nicht mehr; ich kann euch auch nun um der Furcht Gottes willen nicht höher achten als Menschen. Darum bedenkt euch wohl in der Sache, und handelt mit uns nicht so grausam und tyrannisch, denn der Herr wird alle frevelhafte Gewalt heimsuchen und strafen, und er ist der Richter über das alles; bedenkt auch, daß ihr uns zu seiner Zeit werdet neben euch stehen lassen müssen, wenn der Herr euch und uns alle richten wird; denn wir müssen alle (wie die Schrift sagt) vor den Richterstuhl Christi gestellt werden; dann wird ein jeder an seinem Leibe empfangen, wonach er getan hat, es sei gut oder böse, ja, dann muss auch euer Urteil wieder zum Vorschein kommen und daselbst vor dem Herrn gesäubert werden. Mein Verlangen ist auch an dich, mein L. H., nimm dieses nicht als eine trotzige Antwort oder Drohung auf, sondern nehmt es zur Warnung an, denn zur Warnung sage ich es euch, weil ich euch so wohl, als meiner eigenen Seele die ewige Ruhe gönne. So nehmt es nun mit Ernst zu Herzen, und seht wohl zu, wie und was ihr mit uns handelt. Dabei blieb es, und so wurden damals unsere Brüder vor dem Foltern bewahrt, ich aber wurde an ihren Platz gestellt. Sie führten mich an die Folterbank und wollten mich allein um deswillen peinigen, weil ich ihnen nicht sagen wollte, wo ich das letzte Mal bei dem Henrich gewesen wäre, wie viele Lehrer daselbst wären, und wo sie wohnten.

Als sie mir diese Fragen wiederholt vorlegten, wollte ich von ihnen den Grund wissen, weshalb sie so sehr darnach verlangten, solches zu wissen; da antwortete mir der Graf: Wenn wir dir den Grund sagen würden, so würdest du wohl antworten, du wollest niemanden verraten. Darauf erwiderte ich: Du antwortest dir selbst. Weil sie es aber wissen wollten, und es bei ihnen nur auf eine Verräterei abgesehen war, so wollte ich ihnen die Sache selbst in die Hand geben, ehe ich weiter bekennen wollte; ich sagte deshalb zu ihnen, sie sollten in ihr eigenes Herz greifen und die Wahrheit vor Gott im Himmel bekennen und sagen, ob sie mir dieses raten wollten oder dürften; ich wiederholte die Frage mehrere Male, aber man gab mir keine Antwort, sondern sie wandten sich von mir und sprachen untereinander: Die Sache wäre wohl genug, wenn nur nicht zuletzt ein Aufruhr daraus entstünde. – Seid alle Gott befohlen. Ich habe diesmal keine Zeit, euch mehr zu schreiben; gedenkt unserer allezeit vor dem Herrn, Amen. Mattheiß Servaes von Kottenem.