Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.324

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2.324  Lorenz von der Walle, Anthonius Schönfeld, Kalleken Strings, Syntgen Potvliets und Maeyken Kocx, im Jahre 1561.

Im Jahre 1561 haben sich einige Brüder und Schwestern nach ausgestandener starker Verfolgung bei Ypern in Flandern niedergelassen, um dort an einem Orte, auf dem hohen Sieken genannt, zu wohnen. Nachdem dieselben Geld, Gut, Freunde und Verwandte, um der Nachfolge Christi willen, verlassen hatten, wohnten sie dort in der Stille und ernährten sich mit Schmalweben, mit welchem Handwerke sie die Kost zu verdienen suchten; sie sind aber ausgekundschaftet worden, als sie eben beieinander saßen und arbeiteten; deshalb ist der Ketzermeister, in Begleitung einer großen Volksmasse, die mit Prügeln und Schwertern und Stricken versehen war, dahin gekommen, um sie zu fangen, und zwar zu der Stunde, als Anthonius, der zum Besuche da war, Abschied genommen hatte und an der Türe stand um fortzugehen.

Als sie nun mit großem Getümmel ankamen, ist Syntgen Potvliets (welche schwanger war) zuerst zum Hause hinausgelaufen, und ist auf die Weise gefangen genommen worden; Carl N. lief auch zur Tür hinaus, und Meister Claes (welcher ein großer Verfolger und Gehilfe des Ketzermeisters war) lief ihm mit dem bloßen Schwerte nach und hieb nach ihm, und wiewohl er ihn verwundete, so ist er doch entronnen; Maeyken Kocx (welche auch schwanger war) wurde von dem Ketzermeister, der ein bloßes Schwert in der Hand hatte, angegriffen, und als sie ihm zurief, er sollte doch des Kindes schonen, hat sich derselbe sehr blutdürstig gebärdet, und hat sich selber, wie ein unsinniger Mensch, verwundet.

Lorenz von der Walle, Anthonius Schönfeld und Kalleken Strings wurden auch gefangen genommen, Heinrich N. aber ist gleichfalls entronnen.

In der Zeit, daß man sie band, haben sie einander mit dem Worte Gottes getröstet, und als man sie aus dem Hause brachte, haben sie zu den Nachbarn getrost gesagt: Kann wohl jemand sich über uns beklagen, daß man uns solches Leid zufügt? Es ist um des Namens Christi willen, wir dürfen uns dessen nicht schämen.

Als sie nach der Stadt gingen, fing Kalleken an, ein Lied zu singen, worauf Meister Claes sagte: Die Apostel haben nicht gesungen, wie du dich gebärdest, so will ich auch nicht tanzen; warum singst du denn? Anthonius antwortete: Fürchte diese nicht, Schwester, sondern singe fröhlich; darauf hat ihr Lorenz singen helfen. Als sie in die Stadt kamen, ist eine große Volksmenge zugeströmt, worauf sie durch Singen und Reden das Wort Gottes offenbart haben; unter andern sagte Lorenz: Daß wir gefangen sind, solches ist um keiner Übeltat willen geschehen, sondern weil wir nach dem Worte Gottes leben.

Kalleken Strings sagte: Die Pforte ist enge, und der Weg schmal, der zum Leben führt, bereitet euch dazu vor, tut Gutes und verlasst das Böse, und fürchtet nicht die Regenten dieser Welt, sondern kauft Testamente, lest darin den Rat Gottes, und folgt demselben. Da wurden sie auf den Hof von der Sale gefangen gesetzt, wo sie einige Monate und Tage gefangen saßen, geduldig und guten Muts, und darauf warteten, wann sie ihre Opfer tun sollten; unterdessen haben viele Brüder und Schwestern sie besucht und getröstet; auch hat man sie sämtlich wegen ihres Glaubens untersucht, welchen sie ohne Scheu bekannt haben, und auch um keiner Pein oder Leidens willen davon abweichen wollten.

Endlich, nach vieler ausgestandener Marter sind Lorenz von der Walle, Anthonius Schönfeld und Kalleken Strings, weil sie tapfer und standhaft bei der bekannten und angenommenen Wahrheit beharrten, von dem Ketzermeister der weltlichen Obrigkeit in die Hände überantwortet worden, damit sie mit ihnen nach Inhalt des königlichen Befehls handelten; er hat auch bei der Überlieferung (vor den Ohren des unverständigen Volkes) große und harte Beschuldigungen über sie (wie er meinte) abgelesen, als unter andern, daß sie bekannt und gestanden hätten, der Papst zu Rom sei der Antichrist; daß sie die römische Kirche für die babylonische Hure hielten; daß sie vom Sakramente urteilten, das es ein abscheulicher Götze sei, etc.

Darauf begann Lorenz zu sagen, er hätte nicht ohne ausführliche Erklärung in solcher Weise bekannt und ausgesagt; aber man befahl ihm sofort, in heftigen Worten, still zu schweigen, worauf er jedoch sagte: Dieben und Mördern wird erlaubt einen Fürsprecher zu haben, aber ihr habt es dahin gebracht, daß weder Fürsprecher noch Advokat für uns reden darf, darum müssen wir ja für uns selbst reden.

Kalleken Strings aber, welche sich niedergesetzt hatte, um auszuruhen, und welche ihr Haupt auf die Hand gestützt hatte, weil sie durch das Foltern sehr gemartert worden war, hat sich nicht weniger ungescheut durch Reden hören lassen.

So sind denn nun, auf des Ketzermeisters Zeugnis, Lorenz von der Walle und Anthonius Schönfeld von der Obrigkeit dahin verurteilt worden, daß sie öffentlich an einem Pfahle erwürgt und verbrannt werden sollten; zu dem Ende ist auch auf dem Markte eine Schaubühne mit zwei Pfählen, sowie Holz und Stroh, zubereitet worden.

Sie wurden mit den Armen aneinander gebunden, vorgeführt und als sie an den Ort kamen, wo ihr Opfer geschehen sollte, sind sie auf die Knie gefallen und haben ihr Gebet zu Gott verrichtet; als sie aber wieder aufstanden, hat der Scharfrichter sie wegen des bevorstehenden Werkes um Verzeihung gebeten, worauf sie ihm liebreich vergeben haben (nach der Lehre Christi).

Fürwahr, sprach Lorenz überlaut zu der Obrigkeit, er wolle es ihnen, und allen, die daran Schuld wären, gern vergeben; auch sagte er ohne Scheu wie der dritte Sohn des makkabäischen Weibes: Diese Glieder hat mir Gott vom Himmel gegeben, darum will ich sie gern um seines Gesetzes willen wieder lassen. Als sie beide in das Häuslein gingen, haben sie allen Brüdern und Schwestern, die in vielen Ländern, Städten und Dörfern zerstreut sind, gute Nacht zugerufen, und als sie ihren Geist in die Hände Gottes befohlen, sind sie von dieser Welt geschieden.

In dem Monat Oktober desselben Jahres ist auch Kalleken Strings, eine sehr schöne und wohlgesittete Jungfrau, der weltlichen Obrigkeit übergeben worden; sie war sittsam, unverzagt und standhaft, daß man sie keineswegs von ihrem Glauben abbringen konnte, weder durch schöne Verheißungen der Güter, des Geldes oder des zeitlichen Wohlstandes, noch durch Pein und schwere Marter (obgleich sie so sehr gefoltert wurde, daß man sie auch wie tot von der Bank aufgehoben hat); auch selbst ihre Mutter, als sie zu dem Ende zu ihr ins Gefängnis kam, konnte sie nicht bewegen und ihren Endzweck nicht erreichen, sondern, als sie ihrer Tochter Standhaftigkeit und freundliches Betragen hörte und sah, hat gesagt: Meine Tochter ist besser als ich.

Nachher ist sie auch dahin verurteilt worden, daß sie erwürgt und verbrannt werden sollte; daraus sagte sie: Nun habt ihr mich, nach des Kaisers Befehle, zum Feuer verurteilt; fürchtet euch vor dem Gerichte, welches Gott halten und euch zum ewigen Feuer verurteilen wird.

Als man nun glaubte, daß sie gerichtet werden sollte, ist aus der Nähe und Ferne eine große Volksmenge zusammen gekommen, um solches zu sehen. Als die Obrigkeit das sah, und Aufruhr befürchtete, so hat sie Kalleken nicht herausbringen lassen, sondern der Scharfrichter kam aus dem Schlosse und sagte zum Volke, sie sei schon tot. Hiernach ist das Volk auseinander gegangen, in der Meinung, sie sei heimlich enthauptet worden.

Aber des andern Tages früh ist sie unvermutet auf den Markt gebracht worden, wiewohl keine Schaubühne, sondern nur andere Gerätschaft zugerüstet war, und ist, als sie ihr Gebet zu Gott verrichtet, und ihren Geist in seine Hände befohlen hatte, das Urteil an ihr vollzogen worden. Also ist sie von dieser Welt geschieden, und ist mit brennenden Lampen ihrem Bräutigam entgegen gegangen.

Unterdessen ist Syntgen Potvliets, weil sie nicht standhaft blieb, wieder freigelassen worden, Maeyken Kocx aber, welche allezeit standhaft blieb, ist aufgespart und verwahrt worden, bis sie geboren hatte und das Kindbett zu Ende war; darauf ist sie (obwohl ihr Herz sehr an ihrem Manne und ihren Kindern hing), weil sie Gott über alles liebte, und aus Liebe zu ihm bei der erkannten und angenommenen Wahrheit blieb, und diesen köstlichen Schatz höher hielt als ihr eigenes Leben, verurteilt worden, öffentlich an einem Pfahle erwürgt und verbrannt zu werden, welches auch so geschehen ist, und ist sie, als sie ihren Geist in die Hände Gottes befohlen, freudig aus dieser Welt geschieden, weil sie wusste, daß sie die ewige Freude ererben und mit den fünf klugen Jungfrauen eingelassen würde, wenn die Stimme zur Mitternacht rufen wird: Siehe, der Bräutigam kommt, geht ihm entgegen.