Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.552

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2.552  Jan Wouterß von Kuyk und Adrianken Fans von Müllersgrab werden beide um des Zeugnisses Jesu Christi willen zu Dortrecht verbrannt, 1572.

Als 1572. Jahr nach der Geburt unseres Herrn Jesu Christi anfing, haben die Herren des Gerichtes zu Dortrecht in Holland ihre Hände an zwei sehr sanftmütige und liebe Freunde Gottes gelegt, die ihrem Heilande, dem getöteten Kreuzeslämmlein Jesu Christo nachfolgten, und nicht zu den unbedeutendsten Mitgliedern der überall zerstreuten Gemeinde des Herrn gehörten, die als Lichter in dieser Welt ihre vortrefflichen Tugenden unter diesem argen und verkehrten Geschlechte scheinen und hervorleuchten ließen. Diese beiden wurden wie Schlachtschafe aus dem Stalle geholt; der Hergang der Sache war folgender:

Zunächst und vor allem wurde in aller Eile Adrianken, Jans Tochter, gefangen genommen, dieselbe wohnte zu Müllersgrab in der Pfaffendrächtischen Waart; als sie aber in die Gerichtsgrenzen der Stadt Dortrecht kam, ist sie (weil man sagte, daß sie eine Ketzerin wäre) angegriffen und auf die Vuylpforte gefangen gesetzt worden.

Dann wurde der Plan gemacht, den Jan Wouterß von Kuyk in Verhaft zu nehmen, der wirklich in der Stadt wohnte, aber seine Wohnung oft veränderte, um nicht leicht bekannt zu werden; zu dem Ende ist der Schultheiß, als er vernahm, wo er wohnte (nämlich in der Straße nach dem Rietdamm bei dem Neupförtchen, auf einer Kammer, wohin man von der Straße ab auf einer Treppe gelangte), mit seinen Dienern unerwartet gekommen, und ist, ohne etwas zu fragen, die Treppe hinaufgegangen, wo ihm Jan Wouterß, als er die Türe öffnete, begegnete. Da sagte der Schultheiß zu ihm (der ihn nicht kannte): Wohnt Jan von Kuyk hier? was dieser gute, aufrichtige und redliche Mann (welcher der Wahrheit nicht widersprechen wollte) bejahte und hinzufügte, daß er es selbst wäre.

Diese Worte redete er sehr laut, damit seine liebe Frau, die hinten in der Kammer war, solches hören und entfliehen mochte, was auch geschehen ist; sein einziges Töchterlein aber, welches ein Kind von ungefähr sieben Jahren war, blieb in der Kammer und sah ihren Vater gefangen nehmen; dasselbe blieb jedoch von ihnen unbeachtet. Die Gerichtsdiener legten sofort Hand an diesen Freund Gottes, und banden ihn gewaltig, wozu er sagte: Ach, meine Herren, wie bindet ihr mich, als ob ich ein böser Mensch wäre; aber ihr bindet nicht mich, sondern euch selbst. Darüber seufzten die Gerichtsdiener sehr, doch gingen sie mit ihm fort, und führten ihn (wie ein wehrloses Schäflein, das von Wölfen überwunden worden ist) von dem Rietdamme nach der Vuylpforte, was eine halbe Stunde Weges durch die Stadt ist, wo sie ihn in eine andere Höhle brachten, als worin Adrianken Jans gefangen lag, obwohl es dasselbe Gefängnis war.

In dieser Zeit haben sie beide viel Anfechtung erleiden müssen, sowohl dem Leibe, als der Seele nach; denn sie wurden einige Male scharf gefoltert, ausgespannt und gegeißelt, sodass fast die ganze Stadt von ihrem Jammer, Elende und Leiden zu sagten wusste, wie nachher Jan Wouterß in einem seiner Briefe zu erkennen gegeben hat.

Die päpstliche Geistlichkeit verursachte ihnen, der Seele nach, auch viel Streit, indem sie ihnen durch viel List und Nachstellung den Schatz des wahren Glaubens zu rauben suchte, aber sie haben ihnen nichts abgewinnen können; deshalb sind sie zuletzt vor öffentlichem Gerichte zum Tode verurteilt worden, nämlich, daß sie an der Wasserseite der Stadt, bei einem gewissen Kalkturme, wo jetzt das neue Werk ist, zwischen der Mühle, die auf der Festung steht, und dem Bollwerke mit Feuer hingerichtet werden sollten, jedoch mit der Beschränkung, daß Adrianken Jans nicht eigentlich durch Feuer sterben, sondern vor dem Brande an einem Pfahle zunächst erwürgt werden sollte, wiewohl wir nicht finden, daß solch geringere Todesstrafe dem Jan Wouterß widerfahren sei.

Unterdessen haben sie sich beide mit großem Verlangen und innigster Freude zum Tode bereitet und konnten Gott nicht genug loben, daß sie gewürdigt worden waren, ihre Leiber um seines heiligen Namens willen zu einem Opfer zu übergeben.

Als nun die Stunde ihres Abschieds herbeikam, hat man sie beide aneinander gebunden; sie aber fielen auf ihre Knie, und verrichteten, ehe man sie hinausführte, in der Stille zu Gott dem Herrn, ein ernstliches Gebet, damit er ihnen in ihrem bevorstehenden Leiden Stärke und Kraft verleihen wolle, um es bis ans Ende auszuführen.

Hierauf hat man ihnen (aus Furcht, sie möchten etwas zu dem Volke reden) einen Knebel in den Mund gegeben, und sie so aus dem Gefängnisse geführt, was einen jämmerlichen Anblick gewährt hat, wiewohl Jan Wouterß mit der einen Hand (welche, wie es scheint, nicht gebunden war) den Knebel aus dem Munde nahm und mit lauter Stimme rief: O Herr! Stärke doch deinen schwachen Knecht und deine arme Magd; um deines Namens willen sind wir hierzu gekommen, wozu wir uns auch willig bereitet haben.

Als er dieses gesagt hatte, näherte sich ihm einer seiner Glaubensgenossen (dessen Herz hierdurch, wie es scheint, mit Eifer entzündet worden ist), drängte sich mit Macht vor das Volk, und sagte, als er vor ihn kam: Streite tapfer, lieber Bruder, du wirst nachher nicht mehr leiden.

Darauf zog Jan Wouterß sofort seinen Wamms aus, zeigte ihm seine Brust, die durch das Geißeln im Gefängnisse blutig war, und sagte: Ich trage bereits die Malzeichen des Herrn Jesu an meinem Leibe, wandte dabei seine Augen nach dem Himmel, und sah mit Verlangen nach dem himmlischen Ruheplatze.

Unterdessen (ehe man solches wegen des Volksgedränges recht gewahr wurde) hat sich diese Person unsichtbar gemacht, und sich unter das Volk gemischt, worüber einige von den Gerichtsdienern murrten, und mit strengen Worten fragten, wo die Person hingekommen sei. Dieses hat sich bei dem Schweinsmarkte, in der Nähe des Neuenhafen, zugetragen.

Als sie fortgingen, kamen sie bald an den Richtplatz, wo zwei Brandpfähle aufgerichtet waren um welche eine unzählige Volksmasse sich versammelt hatte.

Indem sie nun dort ankam, stiegen sie auf die errichtete Schaubühne, wo sie auf ihren Knien Gott abermals in der Stille anriefen, wiewohl Jan Wouterß nur allein reden konnte, weil der Adrianken Jans Mund noch mit dem Knebel verschlossen war.

Als sie aufstanden, rüsteten sich die Henker, Adrianken Jans zuerst zu erwürgen, worauf diese sich zu dem Pfahle verfügte.

Da sagte Jan Wouterß: Dies ist der Tag des Heils. Der Unterschultheiß aber, als er dieses hörte, rief mit Ungestüm: Schweig! aber Jan Wouterß sagte: Warum sollte ich schweigen? Ich rede ja keine bösen Worte.

Inzwischen wurde Adrianken Jans erwürgt, welche (nach dem Zeugnisse derer, die es gesehen haben) eine zeitlang mit einem roten Unterrocke an dem Pfahl stehen blieb, bis sie verbrannt wurde.

Sodann wandten sich die Gerichtsdiener zu Jan Wouterß, welcher sich mit fröhlichem Mute, ja mit lächelndem Angesichte, zu dem andern Pfahle verfügte, der in der Nähe stand; als er nun daran befestigt wurde, ward er gewahr, daß einige von seinen Glaubensgenossen unter dem Volke standen, um sein Ende anzuschauen, welchen er (ohne jemanden zu nennen) überlaut zurief:

Gute Nacht zum Abschiede, meine lieben Brüder und Schwestern; ich will euch hiermit dem Herrn befehlen, dem Herrn, der sein Blut für uns vergossen hat.

Unterdessen eilte und bereitete er sich zum Tode, und befahl Gott seine Seele, mit folgenden Worten: O Gott, der du meine Stärke bist; meinen Geist befehle ich in deine Hände.

Darauf hat man den Holzhaufen angesteckt und diesen Freund Gottes (wie es scheint lebendig), mit seiner toten Schwester verbrannt, zu großer Betrübnis vieler, die ihn umstanden, und mit Jammer über diesen Anblick erfüllt waren.

Dies ist das Ende dieser beiden Lieblinge des Herrn gewesen, welchen niemand Böses (in Ansehung ihres Lebens) nachsagte, sondern von jedermann, ihres tugendhaften Wandels wegen, gelobt wurden.