Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.585

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2.585  Noch ein Brief von demselben Adrian Rogiers, geschrieben im Gefängnisse an sein Weib.

Einen zugeneigten liebreichen Gruß, geschrieben an dich, mein sehr liebes und wertes Weib, welche ich vor Gott und seiner herrlichen Gemeinde geehelicht habe.

Ferner, nebst allem geziemenden und christlichen Gruße, lasse ich deine Liebe wissen, daß ich (dem Herrn sei ewiges Lob) dem Fleische nach noch bei ziemlicher Gesundheit bin; auch dem Geiste nach (wofür Gott gepriesen sei) steht mein Gemüt so, daß ich mit meinem Gott über die Mauern zu springen gedenke; doch hoffe ich auch daneben, und habe das Vertrauen, daß du auch an Seele und Leib (Gott sei gedankt) gesund und im Glauben unbeschädigt sein werdest. Der allmächtige Herr, der, wie David schreibt, allein Wunder tut, müsse dich und uns alle bewahren und mit seinem Heiligen Geiste stärken, damit wir zu seinem Preise leben und sterben und in dieser gegenwärtigen Drangsal geduldig sein mögen; und wenn wir geprüft werden, so laß uns daran denken, daß wir es nicht allein sind, sondern daß Gott, wie Paulus schreibt, einen jeden Sohn stäupt, den Er lieb hat; denn es ist bekannt, daß Gott in früheren Zeiten unsere Väter auch geprüft habe, wie Judith erzählt, als die Stadt Bethulia belagert war, und sie um des Wassermangels willen nach fünf Tagen die Stadt übergeben wollten; als sie Judith zur Geduld ermahnte und sagte: Wer seid ihr, daß ihr dem Herrn Zeit und Tage bestimmt, wann Er helfen soll? Das dient nicht Gnade zu erwerben, sondern vielmehr Zorn und Ungnade. Darum lasst uns darüber Leid tragen und Gnade suchen mit Tränen; und ihr Männer, liebe Brüder, die ihr die ältesten des Volkes seid, geht doch hin zu dem Volke und ermahnt es, wie Gott in den früheren Zeiten unsere Väter geprüft hat, ob sie Ihm von Herzen dienten oder nicht; erinnert sie, wie unser Vater Abraham in mancherlei Versuchungen bewährt worden ist, wodurch er Gottes Freund geblieben ist. Also haben auch Isaak, Jakob, Mose und alle, die Gott lieb gewesen sind, durch viel Trübsal überwinden müssen, wie uns Sirach lehrt, wenn er sagt: Mein Kind, willst du Gottes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung; halte fest und leite dich, und wanke nicht, wenn dich die Gottlosen davon locken, denn, gleichwie das Gold durchs Feuer, so wird die Gerechtigkeit durch das Feuer der Trübsal geprüft. Aber ihr, die ihr den Herrn fürchtet, hofft das Beste von Ihm, dann wird euch allezeit Trost widerfahren.

Siehe an die Exempel der Alten und nimm sie zu Herzen, denn es ist niemals jemand zu Schanden geworden, der auf den Herrn gehofft hat, oder wer ist doch jemals verlassen worden, der in der Furcht Gottes geblieben ist?

So verzage denn nicht, mein sehr geliebtes Weib, wenn du von dem Herrn geprüft wirst, denn wenn Er geschlagen hat (sagt Hiob), so kann Er auch wieder heilen; denn Er tötet und macht wieder lebendig; Er führt in die Hölle und auch wieder heraus.

Darum, mein sehr geliebtes Weib, halte dich doch fest an den Herrn, und befleißige dich der Gottseligkeit, dann wirst du erfahren, daß die Gottseligkeit mächtiger sei, als alle Dinge; denn die Weisheit verließ den verkauften Gerechten nicht, sondern bewahrte ihn vor den Sünden; sie fuhr mit ihm hinab in den Kerker, und in den Banden verließ sie ihn auch nicht, bis daß sie ihm das Zepter des Königreiches zubrachte, und die Herrschaft über die, die ihm Gewalt getan hatten.

Sind wir denn nun auch, mein liebes Weib, ein kurze Zeit in Drangsal, so laß uns unser Seelen in Geduld fassen, denn Gott wird uns über alle erhöhen, die uns Gewalt tun und uns unterdrücken; es sagt ja Christus im Evangelium: Wehe euch, die ihr hier lacht, denn ihr werdet weinen und heulen; aber die ihr jetzt weint, freut euch, denn ihr werdet noch lachen.

Darum, ach, mein sehr geliebtes Weib, laß uns der Sonnen Hitze noch ein wenig ertragen, und unsern Rücken dem Schläger darbieten, denn in kurzer Zeit wird kommen, der da kommen soll. Darum, ach, meine Geliebte, laß uns freiwillig außer dem Lager Ihm helfen, seine Schmach tragen, und daran denken, daß der Knecht nicht besser ist als sein Herr; denn haben sie den Hausvater Beelzebub genannt, um wie viel mehr seine Hausgenossen? Ach, haben sie Böses an einem grünen Holze getan, was werden sie an uns dürrem Holze tun? Darum laß uns wieder aufheben die trägen, lässigen Hände, und, wie Jesaja schreibt, die strauchelnden Knie stark machen, um mit unsern Füßen einen gewissen Gang zu tun, und zu laufen, nach der Lehre Pauli, durch Geduld, in dem Streite, der uns vorgelegt ist, und laß uns mit Mose auf die Belohnung sehen, denn das ist gewiss wahr, wie Paulus schreibt: Wenn wir mit Christo leiden, so werden wir auch bei Ihm sein und mit Ihm herrschen. So laß uns denn nun Gutes tun und nicht müde werden; wir werden den edlen Samen, den wir nun mit Tränen säen, zu seiner Zeit reichlich und im Überfluss mit Freuden einernten, denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über die Maßen gewichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen, denn alles, was sichtbar ist, das ist vergänglich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Darum bitte ich dich, mein sehr geliebtes Weib, habe doch den Herrn allezeit vor Augen, damit du dermaleinst mit dem Herrn herrschen und triumphieren mögest, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Ferner, mein sehr geliebtes Weib, befehle ich dich dem Herrn und seinem trostreichen Worte, und bitte dich, du wollest mir mein Schreiben zu gut halten; ich begehre auch freundlich von dir, du wollest meiner durch Schreiben auch gedenken, denn mich verlangt oft sehr herzlich, von dir eine Nachricht zu hören.

Ich habe gehört, daß du Mühe angewandt hast, zu mir zu kommen, und daß es dir misslungen sei; doch sei getrost, ich hoffe, wenn wir auch hier nicht zusammenkommen können, daß wir uns dermaleinst bei dem Herrn versammeln werden, wo kein Scheiden mehr sein wird.

So sage ich denn gute Nacht; tue das Beste an den Kindern und bitte den Herrn für mich, ich will auch dasselbe nach meinem Vermögen für dich tun.

Nichts weiter, als grüße mir die Bekannten sehr herzlich; Martin von der Straasen und Beliken von der Straasen, sein sehr geliebtes Weib, und Hansken, Margriete und Dingentgen lassen dich, so wie alle Bekannten, sehr grüßen; bitte den Herrn doch fleißig für uns.

Geschrieben in meinen Banden, von mir, deinem lieben Manne und Bruder in dem Herrn, Adrian Rogiers.