Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.669

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2.669  Noch ein Brief von Hans Bret, geschrieben und gesandt an seinen Bruder David, der außer dem Lande wohnte, und noch nicht zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen war.

Gnade und Frieden von Gott, unserm himmlischen Vater, durch seinen einigen Sohn Jesum Christum, unsern Heiland und Seligmacher, wie auch den Trost und die Kraft des Heiligen Geistes, die uns zu einem rechtschaffenen Glauben und zu wahrer himmlischer Weisheit befördert, die rechte Wiedergeburt, die Furcht Gottes wünsche ich dir, meinem werten und herzgründlich geliebten Bruder, zu deiner Seele Heil, Amen.

Mein lieber Bruder! Die Veranlassung meines Schreibens ist, dich wegen meiner Gefangenschaft zu benachrichtigen, damit du nicht denken mögest, daß es wegen irgend einer Uebeltat, wegen Unglaubens oder Ketzerei geschehen sei, wie etwa viele böse Zungen vorgeben und nachsagen mögen, um dich dadurch zu betrüben und dein Herz zu verhärten, damit du die rechte Wahrheit nicht glauben, sondern in deinem Glauben bleiben mögest; denn der Satan geht allezeit um die Menschen herum, wie Petrus sagt, wie ein brüllender Löwe, und sucht, wessen Seele er verschlingen und von dem Guten abziehen möge; denn er ist ein Feind alles Guten und sucht demselben zu widerstehen.

Aber, lieber Bruder, gieb solchen kein Gehör, denn solches bläst ihnen der Satan ein, sondern gehorche dem Worte Gottes und der rechten Wahrheit, wie Jakobus sagt, und lasse das in deine Seele gepflanzt sein, damit dadurch deine Seele selig werde, wodurch du ewig leben magst.

Darum, mein Werter, wache doch einmal auf aus dem Schlafe der Sünden, dann wird dich Christus erleuchten, denn es ist lange genug in Sünden und Ungerechtigkeit gewandelt; es ist einmal Zeit die Sünde zu fliehen und die Ungerechtigkeit zu meiden, damit du nicht mit allen Gottlosen gestraft werdest, die nicht nach dem Willen Gottes gelebt, noch der Wahrheit gehorcht haben, sondern in ihren eigenen Lüsten gewandelt sind; sie folgen den Lüsten ihres Fleisches und leben, wie Paulus, Gal 5, sagt, in Hoffart, Geiz, Saufen, Ehebruch, Zank, Haß, Zwietracht und dergleichen Werken mehr.

Ach, lieber Bruder! laß alle dergleichen Werke bei dir nicht gefunden werden, denn solche, sagt Paulus, werden das Reich Gottes nicht ererben, indem solches fleischliche Leben ein Gräuel vor den Augen Gottes ist. So sagt auch Paulus an die Römer, Kap 8, daß solche fleischliche Gesinntheit eine Feindschaft wider Gott sei, und Gott nicht gefallen möge; denn der Sünden Sold ist der ewige Tod, aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben.

Mein Geliebter, fliehe solche Werke, und bekehre dich zu dem Herrn, dann wirst du leben. Denke doch an die Lehre, welche Tobias seinem Sohne gab, indem er sagt: Mein Sohn, laß Hoffart nicht in deinem Herzen wohnen, noch herrschen. Auch Sirach sagt: Hoffart ist verhaßt bei Gott, und Hoffart ist der Anfang aller Sünden, und wer damit umgeht, wird umkommen mit viel Fluch. Darum meide alle Hoffart und alle Sünden, begieb dich dem Herrn zum Dienste, und sage allen Lüsten des Fleisches ab.

Suche den Herrn, sagt der Prophet Jesaias, Kap. 55, weil Er zu finden ist; rufe Ihn an, weil Er so nahe ist; der Gottlose lasse ab von seinen Wegen, und der Ungerechte von seinen Gedanken und bekehre sich zu dem Herrn, dann wird Er ihm gnädig sein.

Mein lieber Bruder, bekehre dich doch zu dem Herrn, weil du Zeit hast, und warte nicht mit der Besserung deines Lebens bis an den Tod, wie viele Menschen tun, indem sie sagen: Wenn sie nur eine Stunde Reue trügen, so sei es ihnen genug. Ach, mache solchen Aufschub nicht, und folge nicht solchem Rate, sondern folge Sirachs Rate, welcher sagt: Bessere dich, während du noch sündigen kannst; und abermals in dem fünften Kapitel: Zaudere nicht, dich zu dem Herrn zu bekehren, und schiebe es nicht von einem Tage zum andern auf, denn sein Zorn kommt plötzlich; darum kann man keine Zeit setzen, denn wir sind nicht eine Stunde versichert, und Niemand weiß, wie lange er leben wird.

Darum denke doch an die Worte Christi, wo Er sagt, daß Er kommen werde, wie ein Dieb in der Nacht; wenn nun der Hausvater wüßte, in welcher Stunde der Dieb kommen würde, er würde wachen und sein Haus nicht durchgraben lassen. Wir haben weder Stunde noch Zeit, darum wache allezeit mit den klugen Jungfrauen, die nicht schlafend gefunden wurden, als der Bräutigam kam. Willst du nun mit dem Bräutigam zur Hochzeit eingehen, wie die klugen Jungfrauen taten, so tue alles von dir (wie der Prophet Jesaias, Kap. 1, sagt), was böse ist, dann wird der Herr dein Gott sein, und du wirst sein Sohn sein.

Mein geliebtester Bruder, liebe doch das Gute, dann wird es dir wohl gehen; fürchte doch den Herrn von ganzem Herzen, dann wird deine Seele im Guten wohnen und dein Same wird das Land besitzen; denn der Prophet David sagt: Die Augen des Herrn sehen auf die, die Ihn fürchten und auf seine Güte warten, und Er wird ihre Seelen vom Tode erlösen, denn die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang.

Darum habe Gott allezeit vor Augen in deinem Tun, dann wird es dir glücken; habe allezeit das Gute lieb, und hasse das Arge, damit der Herr bei dir sein möge, wie du dich rühmst, sagt der Prophet Amos im fünften Kapitel. Folge doch dem Rate Paulus, Röm 12,21, wenn er sagt: Ueberwinde das Böse mit dem Guten. Ach, dann wird es dir wohl gehen, und du wirst in deiner Seele Ruhe finden. Laß den wahren Glauben in dir einmal lebendig erfunden werden, welcher durch die Liebe wirkt, welcher schon so lange in dir nicht viel Früchte hervorgebracht hat. Darum ist es nun Zeit, einmal aufzuwachen und Christum zu suchen, durch welchen du leben und zur rechten Türe in den Schafstall eingehen wirst.

So gehorche dann der Stimme Christi, welche sagt: Willst du zum ewigen Leben eingehen, so halte die Gebote. Merke doch wohl darauf, daß es des Herrn Wille sei, daß man sein Wort und seine Wahrheit beleben soll, und daß man es nicht wie viele Menschen machen soll, die zwar Gottes Wort im Munde haben und hören, aber nicht darnach leben, und es zu einem Ohre eingehen und es zum andern wieder hinausgehen lassen; die recht gut wissen, daß man die Sünde und Ungerechtigkeit scheuen und meiden müsse, aber sie haben es kaum gehört, so gehen sie in der Sünde fort, in Saufen, in Ehebruch, in Tauschen und Spielen; ja sollten sie einmal das Testament oder die Bibel in die Hand nehmen, um zu lesen und ihre Zeit in der Gottseligkeit zuzubringen, das wäre ihnen viel zu viel; sondern sie folgen ihren eigenen Lüsten, nämlich den Lüsten ihres Vaters, des Teufels, denn der hat einen Wohlgefallen an dergleichen Werken, indem Johannes sagt: Wer Sünde tut, der ist vom Teufel, denn der Teufel hat gesündigt von Anfang her. Darum, lieber Bruder, habe keine Gemeinschaft mit solchen Menschen, sondern suche solche, die den Herrn fürchten, und nach seinem Worte leben und dasselbe bewahren, denn Christus sagt: Selig sind die, die Gottes Wort hören und bewahren. So kannst du denn merken, daß die selig seien, die Gottes Wort bewahren und sich darnach richten; denn Christus sagt, Matth. 7, daß Er zu allen, die sein Wort nicht gehalten noch darnach gelebt haben, sagen werde: Gehet von mir, ihr Uebeltäter, ich kenne euch nicht. Ach, Bruder! siehe wohl zu, daß du solche Stimme nicht hören mögest, sondern daß du die freudige Stimme mit allen Frommen Gottes hören mögest, die nach des Herrn Wort gelebt haben: Kommt her, ihr Gesegneten, ererbet das Reich meines Vaters, das euch von Anfang der Welt bereitet ist. Welche Freude wird es für die Frommen sein, die in der Furcht Gottes gewandelt sind, so etwas zu hören!

Mein Bruder, gehorche dem Worte des Herrn, damit wir dort zusammenkommen mögen und die freudige Stimme hören, wie ich denn den Herrn darum bitte, daß Er es uns verleihen wolle durch seinen einigen Sohn Jesum Christum, Amen.

Bruder, ich muß aufhören, denn es mangelt mir an Papier; darum halte mir dieses geringe Schreiben zu gut, denn ich habe es aus Liebe geschrieben, und überlege es wohl; es ist nicht mein Wort, sondern des Herrn Wort, denn sein Mund hat es geredet, Amen.

Die Ursache meiner Gefangenschaft werde ich dir, lieber Bruder, erklären, damit du dich nicht betrüben, sondern dich erfreuen und dem Herrn dafür danken mögest. Ich danke dem Herrn, daß Er mir die dunkeln Augen geöffnet und mich mit den Augen seiner Barmherzigkeit angesehen hat, als ich mit Sünden bedeckt war, und sonst nichts erwartete als den ewigen Tod und die ewige Verdammnis, ja ich war ohne Gott in der Welt, und lebte in unzähligen Sünden, die vor Gottes Augen ein Gräuel waren, so daß, wenn Gott mit mir ins Gericht ginge, ich vor seinen Augen nicht bestehen könnte, sondern wegen meiner unzähligen Sünden wie Staub vor dem Winde vergehen müßte. Der Herr aber hat durch seine unaussprechliche Liebe mir armen Menschen sein Wort aus Gnaden durch seine Diener verkündigen lassen, von seinem Sohne Christo Jesu, daß der, welcher an Ihn glaubt, das ewige Leben haben sollte. Da hörte ich, daß kein anderes Mittel wäre, die Seligkeit zu erlangen, als durch seinen Sohn Christum Jesum, der für unsere Sünden den Tod erlitten und sein Blut vergossen hat, damit Er unsere Ungerechtigkeit abwaschen möge, wie Johannes sagt, daß uns das Blut Christi von allen unsern Sünden säubere und reinige. Und als ich die Worte Christi hörte: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, so habe ich armer Mensch, mit Sünden und unzähligen Bosheiten beladen, mich vor Christo beklagt und meine Sünden beweint; da hat Er mir sie durch sein ausgegossenes Blut vergeben und erlassen, als ich sie vor Ihm bekannte.

Darum habe ich, lieber Bruder, von Tag zu Tag nach meinem Vermögen, die Sünde abgelegt, und habe den engen Weg, zu betreten und zu bewandeln gesucht, habe mich auch von der bösen, verkehrten Welt abgesondert und Christo zu gefallen gesucht, jedoch nicht so, wie ich wohl wollte, denn ich fühle allezeit den Geist wider das Fleisch streiten, wie Paulus sagt Gal. 5 und Hiob sagt, daß des Menschen Leben auf Erden nichts anders sei, als ein beständiger Streit. Darum, lieber Bruder, habe ich dem Herrn und nicht der Welt zu gefallen gesucht; solches hat der Feind nicht länger ertragen können, denn er haßt alles Gute, und kann das Gute nicht länger leiden, sondern sucht es zu dämpfen, welcher auch seine Macht an mir bewiesen hat, und sie noch zu beweisen sucht, wiewohl er nicht mehr hat tun können, als ihm der Herr zuläßt, ja wenn er alles getan hat, so kann er nur den Leib töten, aber an der Seele hat er keine Macht, denn der Herr giebt uns Stärke durch seinen Heiligen Geist, allem solchem zu widerstehen. Darum, lieber Bruder, ist meine Gefangenschaft nicht wegen einer Uebeltat herbeigeführt, sondern nur der Wahrheit und der Bekenntnis des heiligen Wortes des Herrn willen. So freue dich denn darüber, daß mich der Herr würdig achtet, um seines Namens willen zu leiden, und meinen Leib zum Preise seines heiligen Namens aufzuopfern. Bedenke, daß es allen Frommen Gottes so ergangen sei, von Anfang der Welt her bis auf diesen Tag. Darum, mein Bruder, sei doch mit dem Werke des Herrn zufrieden, denn ebenso ist es Christo, unserm Herzoge, ergangen. Haben sie aber dem Herrn so getan, wie will es dann mit seinen Nachfolgern gehen? denn Christus sagt: Der Knecht ist nicht mehr als der Herr; noch der Bote mehr, als der, der ihn gesandt hat. Darum hoffe ich nun durch die Gnade des Herrn, daß Er durch seinen Heiligen Geist mir Stärke geben werde, sein Wort und seine Wahrheit zu bekennen, so lange ein Atem in mir ist, wie ich denn auch bis auf diese Stunde getan habe, so daß ich nun nichts anders erwarte, als mein Urteil, nämlich an einen Pfahl auf dem Markt gestellt und dort verbrannt zu werden. Hiermit tröste dich, und danke dem Herrn dafür, daß Er mich würdig erkannt hat, um seines Namens willen zu leiden. So habe ich denn nun in der Kürze die Veranlassung zu meiner Gefangenschaft beschrieben, damit du dich desto besser damit trösten, und nicht einem jeden Lästermaule Gehör geben oder glauben mögest, wie ich denn hoffe, daß dir die Mutter schreiben werde. Ist es anders möglich, und ich kann Papier erlangen, so hoffe ich meinen Glauben aufzuschreiben, und sollte ich es nicht tun, so hoffe ich, daß die Mutter dir schreiben werde, damit du dich nicht betrüben mögest, als ob ich im Unglauben gestorben wäre, wie der Satan solches wohl vorgeben dürfte, und wie dir auch vielleicht geschrieben worden ist; aber ich bitte dich, gieb ihm kein Gehör, glaube es auch nicht, denn es ist die rechte Wahrheit und der rechte Glaube au Christum Jesum wofür ich leide, indem es Christus mit seinen Aposteln gelehrt hat; hierüber sagt auch Paulus: Wenn auch ein Engel vom Himmel käme, der euch anders lehrte, als ich gelehrt habe, der sei verflucht. Nun denn, lieber Bruder, ich sollte dir wohl mehr schreiben, aber ich habe nun kein Papier mehr; gehabe dich wohl; der Herr sei mit dir, ich grüße dich, lieber Bruder, mit einem heiligen Kusse, denn ich glaube, daß du mein Angesicht nicht mehr sehen werdest.

Von mir, deinem Bruder, Hans Bret, der um des Zeugnisses Gottes, um des Herrn heiligen Wortes und der Wahrheit willen, gefangen sitzt.