Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.484

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2.484  Der vierte Brief des Clemens Hendriks an seinen Vater und seine Mutter.

Ein sehr freundlicher Gruß geschrieben an euch, meine geliebten Eltern; ich lasse euch wissen, daß ich noch wohlgemut und gesund bin, und hoffe, daß dieses auch bei euch der Fall sein werde.

Ferner, meine lieben und sehr werten Eltern, lasse ich eurer Liebe wissen, wie es in meinen Banden mit meinem Leibe bestellt sei; ich kann den Herrn nicht genug loben, und ihm nicht genug danken, daß er mich in meiner Trübsal so tröstet und daß mein Gemüt noch dahin gerichtet ist, den Herrn zu fürchten, solange ich hier bin, und sollte auch Fleisch und Blut darum leiden.

Nicht weniger, meine lieben und werten Eltern, lasse ich eure Liebe wissen, wie sie mit mir gehandelt haben, als ich zuerst gefangen wurde; ich bin an einem Mittwoch Abend zu Gaste gewesen, und wir befanden uns auf dem Heimwege; da begegnete uns die Wacht, und weil wir kein Licht mit uns hatten, wurden wir von der Wacht hinaufgebracht; dort saß Floris der Bral, der uns fragte, wo wir herkämen, ob wir nicht in einer Versammlung der neuen Religion gewesen wären; wir antworteten: Nein; er fragte weiter, ob wir das mit unserem Eide bezeugen könnten. Ich erwiderte ihm: Willst du meinen Worten nicht glauben? Ich will dir die Wahrheit sagen; er bestand aber auf dem Eid, und wir wollten nicht schwören. Da sagte er: Bringe sie hinab. Hierauf wurden wir hinunter ins Gefängnis gebracht, als ob wir Diebe oder Schelme gewesen wären; am Morgen des andern Tages wurden wir hinaufgeholt; sie brachten mich zuerst vor die Herren, und hatten mir die Hände auf den Rücken gebunden, als ob ich ein Dieb gewesen wäre; da fragte mich der Schultheiß: Clemens, wie oft bist du wohl in der Versammlung der Mennoniten gewesen? Ich schwieg darauf still und gab ihm keine Antwort; er setzte mir aber hart zu, um es zu wissen; und als ich nichts erwiderte, wurde ich in eine Kammer allein eingesperrt. Sodann wurden die andern vor die Herren gebracht, und wegen ihres Glaubens verhört, welchen sie bekannten; darauf wurde ich abermals vor den Herrn gebracht, welcher mich abermals fragte, wie oft ich in der Versammlung gewesen, und ob ich wohl zehnmal darin gewesen wäre; ich erwiderte: Nein. Wohl acht Mal? Nein. Wohl sieben Mal? Nein. Wohl sechs Mal? Nein. Wohl drei Mal? Ja. Hierauf fragte er mich um des Predigers Namen; ich sagte: Ich bin nicht Willens, solches zu nennen; er wollte auch haben, ich sollte sagen, in welchem Hause ich gewesen und was für Leute dort gewesen wären; ich sagte ihm, ich wäre noch nicht willens, es zu sagen, worauf er erwiderte, er wollte es mich wohl sagen machen; hiernach wurde ich wieder ins Gefängnis gebracht, und den Tag darauf wieder vor die Herren geführt; hier fragte mich der Schultheiß, ob ich ihm noch nicht sagen wollte, wer der Prediger gewesen, und wo er gewesen wäre, und was für Leute dort gewesen wären; ich sagte, daß ich noch nicht gesonnen wäre, solches zu sagen, und setzte hinzu: Ich bin im Leiden und begehre niemanden in Leid zu bringen; ihr habt mich hier, ihr mögt mit mir umgehen, wie es euch gefällt. Da sagte der Schultheiß zu den Gerichtsherren: Ich fordere ihn zur Folter, um solches auf das Genaueste zu wissen, und sich an die Knechte wendend, befahl er ihnen, mich sofort zur Folterbank zu bringen, hier wurde ich entkleidet und mit verbundenen Augen auf die Folterbank gesetzt, hiernächst fragte mich der Schultheiß, ob ich es noch nicht sagen wollte; ich erwiderte, ich wäre noch nicht willens es zu sagen. Sodann wurde ich auf die Bank gelegt, und wohl mit sieben Stricken darauf gebunden; an meinem Kopfe hatten sie zwei Knöpfe angebracht, die mir auf der Stirn lagen, und die sie mit einem Stricke mit meinen beiden großen Zehen in Verbindung brachten, die andern wurden um meinen Leib gebunden; sodann wurden die Stricke vermittelst hölzerner Knebel zugedreht, sodass ich nicht anders dachte, als daß sie die Rippen in meinem Leibe in Stücke gedreht hätten, wobei sie mir Urin in den Mund gossen. Als ich nun so in der Pein lag, wurde ich noch auf meine Brust gegeißelt; der Herr weiß es, wie sie mit mir umgegangen sind. Um der Pein willen nannte ich vier Brüder, aber ich hoffte, daß sie nicht mehr in der Stadt waren; solches währte ungefähr eine halbe Stunde; ich sagte ihnen, sie sollten mir auch einen Strick um die Kehle tun, und mir auf einmal davon helfen. Als sie die Stricke losmachten, konnte ich nicht auf meine Füße kommen; die Diener mussten mir aufhelfen. Darauf wurde ich wieder ins Gefängnis gebracht, Tags darauf aber wieder hinauf vor die Herren geholt; wiewohl ich kaum gehen konnte, wäre ich nochmals gepeinigt worden, wenn es Joost Buik nicht verhindert hatte. Der Schultheiß fragte mich, ob ich nicht einen Mönch zu sehen wünsche; ich erwiderte, er könnte wohl wegbleiben; er sagte darauf: Du musst ja einen Hund bellen hören, willst du denn nicht einen Mann reden hören? Sodann wurde ich abermals ins Gefängnis gebracht, und bald kam ein Priester in Begleitung eines Mönches zu mir, um mit mir zu disputieren; sie fingen an, bald von diesem, bald von jenem zu reden und brachten viele Lügen vor, ich aber schwieg still, und ließ sie genug reden; sie wurden böse darüber, daß ich ihnen nicht mehr antwortete, und der eine sagte, daß ich den Teufel hätte. Vier Tage darauf wurde ich wieder hinaufgebracht und mir gesagt, ich sollte mich gegen den Samstag fertig halten; ich erwiderte: Wenn es dem Herrn gefällt, so bin ich fertig. Da wurde ich abermals ins Gefängnis gebracht, und ich wusste nicht anders, als daß ich mein Opfer tun müsste; statt dessen aber kam ein Priester zu mir, der von mir verlangte, daß ich ihm beichten sollte; ich sagte ihm, daß ich ihm nicht beichten wollte, denn er könnte mir meine Sünden nicht vergeben; meinem Herrn und Gott zu beichten, ist die beste Beichte. Hiernächst kam der Schultheiß mit zwei Gerichtsherren zu mir, welche sich dahin aussprachen, sie wollten mit mir noch vierzehn Tage warten; ich war aber so wohlgemut, mein Opfer zu tun, als ob ich von keinem Sterben gewusst hätte; bin auch noch jetzt so wohlgemut, als ob ich von keinem Gefängnisse wüsste. Es verdross mich, daß es so lange aufgeschoben wurde, denn mich verlangt, außer dem Fleische zu sein, ich bin auch sehr wohlgemut mein Opfer zu tun; der Herr verlässt die Seinen nicht, die ihm vertrauen. Ferner, mein lieber und sehr werter Vater, berichte ich dir, daß ich deinen Brief empfangen habe, worüber ich mich freute, weil ich vernahm, daß du hierin so wohl zufrieden seiest.

So will ich denn, meine lieben Eltern, euch gute Nacht sagen, wenn es dem Herrn gefällt, bis zur Wiederkunft unseres Herrn. Der Friede des Herrn sei mit euch bis in Ewigkeit, Amen.

Von mir, Clemens Hendriks, unwürdig gefangen in dem Herrn.