Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.393

Zum Inhaltsverzeichnis

2.393  Weiterer Brief von Christian Langedul.

Noch ein Brief von Christian Langedul, in welchem er seinen Bruder N. L. zum Aushalten in der angefangenen Wallfahrt ermahnt und in seinem Gemüte versichert, um das Gebet der Heiligen zum Ausharren anhält, ihm sein Weib befiehlt und erzählt, daß ein Pfaffe sich mit ihm ins Gespräch eingelassen habe.

Der ewige und allmächtige Gott und Vater der Barmherzigkeit, durch seinen Sohn, unsern Herrn und Seligmacher, derselbe allmächtige, ewige, ehrwürdige, allein weise Gott und barmherzige Vater aller Gnade wolle euch mit seinem heiligen Geiste stark und kräftig machen, mein lieber Bruder und Schwester in dem Herrn, auch nach dem Fleische, damit ihr die Krone des Lebens, mit allen heiligen und auserwählten Kindern Gottes, empfangen mögt; hiermit will ich von euch in dieser Zeit einen ewigen Abschied nehmen; ich grüße euch und alle Brüder und Schwestern in dem Herrn, die bei euch wohnen, insbesondere aber diejenigen, die meine Person kennen, Amen.

Mein herzlich geliebter Bruder und meine geliebte Schwester, die ich aus Grund meines Herzens liebe, ich bin veranlasst worden, an dem Scheidepunkte meines Lebens euch ein wenig zum Andenken zu schreiben; ich habe das Vertrauen, ihr werdet es mir zu gut halten, damit es ein ewiger Denkzettel und eine Warnung von diesem deinem zweiten Bruder sein möge, der hier in dieser Stadt Antwerpen um des Zeugnisses des Herrn willen in Banden gelegen hat; ich hoffe auch, daß ich das Leben, durch des Herrn Gnade, dafür lassen werde, und daß auch ihr, um dieser unserer Trübsal willen, nicht nachlassen werdet, die wir nun um Christi Jesu willen in der Hoffnung leiden, daß es zur Beförderung des Evangeliums und zur Auferweckung vieler, die vielleicht schon lange im Schlummer herumgegangen sind, geschieht (damit sie wacker und nüchtern werden). Ich hoffe, durch des Herrn Gnade, es werde euch solches nicht zum Abweichen, sondern zur größeren Auferbauung gereichen, hoffe auch, solches werde euch zu einer ewigen Aufmerksamkeit in eurer Wallfahrt, die euch noch bevorsteht, dienen, da ihr durch eine wilde Wüste wandern müsst, in welcher euch noch vieles begegnen möchte.

Darum wendet Fleiß an, und lasst euch das Böse nicht gelüsten, folgt auch denen nicht nach, die da murrten, sondern seht ernstlich zu, daß ihr allezeit mit dem frommen Josua und Kaleb nach dem verheißenen Lande hinwandert und es mit Gewalt einnehmt; seid mit des Herrn Wort zufrieden, und seht auf die Verheißungen, denn er ist treu; ebenso wisst ihr auch, daß die Israeliten allein um ihres Unglaubens willen ausgeschlossen worden sind; darum, meine lieben Freunde, glaubt Gottes Wort, bleibt dabei bis in den Tod, dann wird Gott euch den Sieg geben, und wiewohl sie wie Riesen erscheinen, so wollen wir sie doch wie Brot verschlingen, und das durch unseren Glauben, womit wir Teufel, Hölle, Tod und die Welt überwinden. Ach geliebteste Freunde, ihr wisst besser, als ich es euch schreiben kann, wie alle Frommen durch den Glauben überwunden haben; seht doch zu, meine Geliebten, daß ihr nicht in der Wüste verfallt, wie so mancher hier verfällt, sonst wäre es besser, daß wir die Wahrheit niemals erkannt hätten, ja, daß wir niemals geboren worden wären, denn wenn wir uns unserer ersten Geburt verlustig machen, ach, womit wollen wir den Segen wieder erlangen! Es steht ja geschrieben, daß sie Esau mit Tränen gesucht, aber nicht gefunden habe. Darum lasst nicht nach, sondern haltet an mit Ernst, denn es ist die rechte Gnade Gottes, worin ihr steht, was ihr, wie ich hoffe, selbst wisst; ich zweifle auch nicht daran, es wird in Ewigkeit kein anderer Weg gefunden werden.

Ach Bruder, wäre ein anderer, als dieser ängstliche, enge und schmale Weg zu finden, wie gern wäre damit das Fleisch zufrieden; aber es muss doch durch die enge Pforte, und wie bange ist ihm, denn Fleisch und Blut muss an den Pfosten hängen bleiben. Aber, lieber und getreuer Bruder, welche große Seligkeit hat der barmherzige Vater für mich verordnet, der ich doch so ganz untüchtig bin; welchen großen Dank soll ich ihm dafür sagen, daß er mich so begnadigt und ein solche Seligkeit für mich verordnet hat; bleibt doch dabei, meine lieben Brüder und Schwestern, und bittet den Herrn für uns, daß er uns in unserer größten Not bewahren und uns trösten wolle, wenn wir in unserer größten Trübsal sind und uns Hilfe und Trost am nötigsten sein wird, wie ich denn hoffe, daß er tun wird, denn treu ist, der es verheißen hat; er wird es auch tun, und wird bis in den Tod bei uns sein, auch uns nicht verlassen. Ist auch wohl jemals jemand zu Schanden geworden, der sein Vertrauen auf ihn gesetzt hat? Ich hoffe, er werde uns in keiner Schmach verlassen, und durch seine grundlose Barmherzigkeit und Gnade das gute Werk ausführen, das er in uns angefangen hat. Hierin helft uns doch streiten mit euren Gebeten zu Gott für uns, das ist mein und unserer aller Begehren; dadurch könnt ihr uns nun am meisten helfen. Meine lieben Brüder, habt ihr um meinetwillen einige Betrübnis, so tröstet euch darin, denn es ist von dem Herrn ausdrücklich so verordnet; er liebt uns, und will uns zur Ruhe bringen, solch ein lebendiges Gefühl habe ich von dem Herrn; denn, wenn ich eine Zeitlang von keiner Befreiung höre, so erlange ich große Freude in meinem Herzen und Erquickung vom Herrn, und wenn dann wieder etwas kommt, worauf das Fleisch genau merkt, so entweicht die Freude bald, und wir haben viele Arbeit, ehe wir sie wieder vom Herrn erlangen können. Darum hoffe ich, ihr werdet euch hierin desto leichter zufrieden geben, denn er (der Herr) will uns doch von diesem Leibe des Todes erlösen und uns aus dieser Angst helfen; der Herr müsse für seine Liebe, die er mir beweist, und wodurch er hilft, ewig gelobt sein; ich hoffe, er werde auch euch in seiner Wahrheit bewahren; darum seid doch wohlgemut, und tröstet euch mit den schönen Verheißungen des Herrn, mit welchen auch wir uns kräftig trösten. Also, lieber Bruder, will ich hier mit meinem Schreiben endigen, und bitte dich freundlich, daß du es aufs Beste aufnehmen wollest, es ist aus herzlicher brüderlicher Liebe an dich und dein liebes Weib zum ewigen Abschiede und Andenken geschrieben; ich will auch hiermit dir für die schwere Mühe und Arbeit, die du um meinetwillen gehabt und auch für die großen Unkosten, die dir durch mich erwachsen sind, meinen großen Dank sagen; ich kann und mag es dir nimmermehr abverdienen oder vergelten, hoffe aber, daß es der Herr hier und dort dir und den Deinigen wieder vergelten werde, desgleichen auch die andere Sache, die dir wohl bewusst ist. Ach Bruder, laß es dich nicht verdrießen, daß es mir so ergangen ist! Gott, der alle Herzen kennt, weiß es, daß ich es gern für dich und die Deinigen getan hätte. Wenn es sich tun lassen will, so sei meinem Weibe ein wenig behilflich, wenn sie deiner bedarf, solange du hier bist, und tröste sie in ihrer außerordentlich großen Betrübnis, worin sie gegenwärtig ist; darum bitte ich dich freundlich.

Hiermit will ich dich dem Herrn und dem Worte seiner Gnade anbefehlen; er wolle dich in seiner Wahrheit bis uns Ende deines Lebens stark und kräftig machen, zu seinem Preis, auch deiner und unserer aller Seligkeit.

Den Nachmittag war ein kleines mageres Pfäfflein bei uns, ich meine, er sei ein Jesuit, welcher bisweilen in Koppekens Kirche predigt; es war ein sehr unbedeutender Mensch. Bei ihm war der Schultheiß, auch verdammte er uns sehr, sonst richtete er nichts aus; ich war etwa einige Stunden bei ihm; es wäre zu weitläufig, alles niederzuschreiben, er konnte nur wenig Bescheid geben. Es kommt mir sonderbar vor, daß sich die Herren nicht schämen, mit solchen Menschen zu kommen, die sich doch keineswegs mit der Heiligen Schrift, sondern mit den Gelehrten von der römischen Kirche, Ambrosius, Hieronymus und Augustinus verteidigen wollen, denen wir glauben sollen; ich bekannte, daß man es mit den apostolischen Schriften nicht beweisen könne, daß die Apostel Kinder getauft hätten; auch daß die Taufe den Gläubigen zukomme und daß die Kinder keinen Glauben hätten; aber man hörte sonst nichts, als: So haben es die alten Gelehrten aufgezeichnet, auch hält es die römische Kirche so, darum müssten wir es auch halten; wahrlich ein kurzer Bescheid. Der andere hatte noch etwas, aber mit diesem stand es jämmerlich, darum würde es zu weitläufig sein, es niederzuschreiben.

Hiermit bleibe Gott befohlen. Geschrieben zu Antwerpen auf dem Steine, von mir, deinem schwachen Bruder in dem Herrn und auch nach dem Fleische, Christian Langedul, gefangen um des Zeugnisses des Herrn und meines Gewissens willen, den 10. September 1567.