Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.567

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2.567  Ein Brief von Adriaanken, Jans Tochter von Müllersgrab, geschrieben an ihren Mann, als sie auf der Vuylpforte zu Dortrecht im Gefängnisse lag, wo sie den 28. März mit Jan Wouterß von Kuyk verbrannt worden ist, wie wir zuvor angeführt haben.

Gnade und Friede von Gott, unserm himmlischen Vater, durch Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn und Heiland, samt der Mitwirkung des Heiligen Geistes, vermehre sich bei deiner Liebe und bei allen Gottesfürchtigen, zum Troste auf eurer Wallfahrt, dem Herrn zum Preise und zu eurer aller Seelen Seligkeit, Amen.

Nach diesem meinem herzgründlichen Gruße und guten Wunsche lasse ich dich, meinen geliebtesten und sehr wertgeschätzten Mann und Bruder in dem Herrn, wissen, daß ich, dein herzlich geliebtes und sehr wertes Weib und Schwester in dem Herrn, genannt Adriaanken, Jans Tochter, noch wohlgemut sei in dem Herrn; kann auch dem Herrn der Herren für seine tägliche große Güte, die seine Gnade an mir Unwürdiger beweist, niemals genug danken; ihm sei ewiger Preis und Lob, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Weiter lasse ich dich, J. A., meinen herzgründlich geliebten Mann, wissen, daß ich, dein geliebtestes wertes Weib und Schwester in dem Herrn, nicht wohl habe unterlassen können, deiner Liebe zu meinem Andenken ein Schreiben zu hinterlassen, um der großen Liebe willen, die wir zueinander gehabt haben, welche, wie ich hoffe, ewig bleiben, und von der uns auch niemand scheiden wird; und obgleich wir, dem Leibe nach, voneinander geschieden sind, so bleibt dennoch die Liebe; ferner beabsichtige ich, dich durch mein Schreiben in etwas zu trösten, daß du deine Betrübnis mäßigen wollest, indem du wohl weißt, daß dieses die Kosten sind, die wir auf unser Haus verwenden müssen, welches wir auf den Felsen Christum gegründet haben, und welches ja nun durch die Gnade und Kraft des Herrn stehen bleibt, obschon viele Stürme darauf fallen, worüber wir uns freuen, daß wir einen solchen treuen Nothelfer haben. Aber es nützt nicht, daß wir unsere Freude allein bei uns behalten, sondern es ist gut, daß wir dieselbe ausbreiten, damit du, mein Geliebtester, dich auch mit auf dieser Erde freuen mögest, und auch alle, die Gott fürchten, wenn es möglich wäre. Darum wollt ihr, mein geliebter Mann, und auch alle Gottesfürchtigen, fest anhalten und nicht erschrecken, wenn gleich unserer Feinde so viele sind; wir sagen mit dem Propheten Eliseus: Es sind derer mehr, die mit uns, als die wider uns sind; gleichwie auch Paulus sagt: Ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein? Der seinen einigen Sohn nicht verschont, sondern ihn um unsertwillen dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Auch sagt der Prophet David: Der Herr ist allen denen ein unüberwindlicher Schild, die auf ihn trauen, und ein treuer Nothelfer, denn er erhört das Schreien der Elenden. Darum, mein Geliebtester, schreite fort in dem Vertrauen auf des Herrn Verheißungen, denn er ist ein getreuer, wahrhaftiger Gott; ihm ist niemand gleich; alle seine Verheißungen sind Ja in ihm, und nicht Nein, sowohl in dieser Zeit uns in der Not zu helfen, als auch nach dieser Zeit, um denen das ewige Leben zu geben, die an Christum glauben. Wir beiden unwürdigen Schäflein Jesu Christi gehen nun gerade der Stadt zu, die voll aller Güter und unser Erbteil durch das Verdienst Christi geworden ist, ja, wir gehen aus dem Drucke, aus aller Drangsal und jeder Gefahr, und lassen dich und alle andere lieben Brüder, Schwestern und Freunde in dieser elenden Wüste, ja, in dieser bösen Welt, voll aller Ungerechtigkeit, wo es überall voll böser Exempel ist, zu unserer Seelen Schaden und Betrübnis, denn man kann kaum mit Pech umgehen, ohne besudelt zu sein und zu bleiben. Darum sehen wir es auch so an, daß es dem Herrn gefällt, uns zwei schwache Schäflein schnell hinweg zu rücken, damit wir nicht wie Eva betrogen, sondern erhalten werden in und durch den Glauben an Jesum Christum. Und daß der alleinweise, gute und barmherzige Gott uns zuerst in etwas prüft in dieser unserer Züchtigung, das ist ein Zeichen seiner Gnade und besonderen Liebe, denn er gebietet, oder hält sich gegen uns Unwürdige, wie sich ein lieber Vater gegen seine Kinder hält, wenn er ihnen zugetan ist, womit er nach seiner großen Barmherzigkeit versiegelt, daß er uns nicht für Bastarde, sondern für rechte Erbgenossen erkennt.

Darum sind wir in allem getrost, was der Herr über uns kommen lässt; es dient uns alles zum Besten, denn in Trübsal vergibt er die Sünden; darum müsse sein heiliger Wille geschehen, zu unserm Nutzen, das ist zu unserer Seligkeit, was unsere größte Begierde ist; darum ertragen wir alles, und sind geduldig nach dem Exempel Hiobs, der Propheten, der Apostel, und unsers Herrn Ende, wie auch anderer Märtyrer nach ihnen. Nun gehen wir schnell fort, um unsern Streit, durch des Herrn Hilfe, zu vollenden, mit getreuem Herzen bis zum Tode, denn wir wissen und glauben, daß uns die Krone des ewigen Lebens bereitet ist, Amen.

Darum, mein herzgründlich geliebter Mann und werter Bruder in dem Herrn, ich, dein herzgründlich geliebtes Weib Adriaanken Jans, deine allerliebste Schwester in dem Herrn, die wir einander vor dem Herrn und seiner Gemeinde geehelicht haben, will deiner Liebe hiermit gute Nacht sagen, und dich bei deinem und unserm allerliebsten Bräutigam Christo Jesu erwarten; darum halte doch das, was du hast, denn es ist die einzige und unverfälschte Wahrheit; damit dir niemand deine Krone nehme, denn der Satan wirkt wunderlich in den Seinen. Der Vorsteher des Klosters der grauen Mönche sagte mir: Ich lobe doch noch Jan Wouterß, denn er sagte, daß es ihm leid wäre. O Schalk! dachte ich, ich kenne deine Schalkheit wohl. Also hat mich der Herr bewahrt, damit wir allezeit das Feld erhalten in Christo; derselbe wird uns noch wohl forthelfen in das Land unserer verheißenen Ruhe, nach seiner Verheißung.

Hiermit will ich dich, meinen geliebtesten Mann und werten Bruder in dem Herrn, dem allmächtigen Gott und dem reichen Worte seiner Gnade anbefehlen, welches mächtig ist, euch aufzubauen, vor dem Argen zu bewahren und zu dem ewigen Erbe zu bringen; dort hoffe ich dich mit ewiger Freude zu sehen, wozu der gute Gott seine Gnade geben wolle, Amen. Halte mir doch dieses wenige Schreiben zu gut; ein langes Schreiben halte ich für unnötig, denn die Gottesfürchtigen haben durch Eingeben des Heiligen Geistes viele, herrliche Schriften hinterlassen, zur Besserung, zur Lehre, zum Troste und zur Stärkung.

Ich, Adriaanken, Jans Tochter, dein herzlich geliebtes und wertestes Weib und Schwester in dem Herrn, grüße dich, meinen geliebtesten Mann und wertesten Bruder in dem Herrn, liebreich mit dem Kusse der ewigen Liebe und des Friedens Christi, mit dem Munde meines Herzens, im Geiste gegenwärtig bei dir.

Schließlich sage ich dir, noch einmal hiermit gute Nacht, und danke euch allen, so viel ich danken kann, für eure gute Gesellschaft und Treue.

Geschrieben von mir, dein geliebtes Weib, Adriaanken Jans, gefangen um des Zeugnisses des Evangeliums Christi willen, zu des Herrn Preise, zum Troste und zur Freude unsers Nächsten, zum Lichte denen, die noch in der Finsternis sind, zur Beschämung derer, die uns als Abgefallene verurteilt haben, und zu unserer Seelen Seligkeit, Amen. Ich und meine Mitgefangenen grüßen euch und alle Gottesfürchtigen sehr.

Wir hatten gehofft, daß wir den Montag vor Maria unser Opfer tun und dadurch zur Ruhe gelangen sollten, aber so viel Glück hatten wir nicht; ich hoffe jedoch, daß es bald geschehen werde, wenn es anders der Herr beschlossen hat; sollte aber unsere Trübsal noch etwas länger währen, so müsse des Herrn Wille geschehen, zu unserer Seligkeit, Amen.

Geschrieben in meinen Banden, den andern Tag nach Maria in den Fasten, im Jahre 1572, von mir, Adriaanken Jans.