Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.100

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2.100  Georg Libich und Ursel Helrigling, 1544.

Um das Jahr 1544 ist Georg Libich um des Glaubens der Wahrheit Gottes willen zu Filleburg bei Insbruck gefangen genommen worden. Da aber dieser Ort, wie bekannt ist, der Gefahr der bösen Geister besonders unterworfen ist, so hat auch dieser Bruder von dem bösen Feinde viel Widerstand und Verfolgung erlitten; denn derselbe hat ihn oft in sichtbarer Gestalt versucht, und insbesondere im ersten Jahre ihn viel angefochten.

Einst erschien er ihm in Gestalt einer Jungfrau und wollte ihn umarmen; wenn der Bruder niederkniete und betete, so legte er ihm etwas in den Weg, sein Gebet zu verhindern; auch hat er den Versuch gemacht, ihn mit sich zu nehmen, allein er vermochte es nicht; er ist ihm ebenfalls in Gestalt eines Jünglings und eines Kriegsmannes erschienen und hat viel dergleichen Dinge angefangen; als er aber damit nichts schaffen oder ausrichten konnte, ist er oben zum Turme hinausgefahren. Er hat auch vieles erzählt, wie es auf dem Lande bei der Gemeinde zuginge, dass er mit den Brüdern geredet, und dass sie ihm dergleichen Dinge erzählt hätten, als aber der Bruder Georg ihn scharf bestrafte, ließ er ihn zuletzt in Ruhe und hat sich nicht mehr viel mit ihm eingelassen. Es hat ihn nicht allein der Feind in eigener Person besucht, sondern auch durch seine Kinder versuchen lassen; denn einst kam jemand zu ihm, wie ein Bruder gekleidet, gab sich auch für einen Bruder aus, grüßte ihn und sprach: Der Herr sei mit uns, mein Bruder, und bot ihm den Frieden an, um ihn durch solche Schalkheit zu verführen und zu betrügen. Georg aber fragte ihn, woher er käme; er sagte: Aus Mähren, von der Gemeinde. Hierauf fragte ihn Georg, was für eine Botschaft er brächte, und wie es dort stünde und zuginge. Er sprach: Die Gemeinde und Brüder sind alle verjagt und zerstreut, keiner ist mehr mit dem andern und es ist aus mit ihnen. Da merkte Georg, dass es ein Betrug sei. Er sprach zu ihm seiner Schalkheit wegen, welche er wohl verstand, und hat ihn mit seinem ernstlichen Zureden vertrieben, worüber er sich lange zu bedenken hatte.

Um nun die Versuchungen des Satan und seiner Kinder vollzählig zu machen, wurde eine Schwester, die auch des Glaubens wegen gefangen lag, namens Ursel Helrigling, eine schöne junge Weibsperson in eben dasselbe Gefängnis an seine Füße gelegt und eine Zeitlang daselbst gelassen. Was der Satan und sein Same gerne gesehen hätte, ist leicht zu erraten. Sie aber hielten sich ritterlich und gottesfürchtig, ließen sich auch durch keine Lockung bewegen oder zu Falle bringen.

Dieser Georg Libich wusste ein Jahr zuvor den Tag, wann er erlöst werden sollte.

Auch sind nach ihm noch einige gefangen genommen worden, welche alle auf denselben Tag aus ihrer Gefangenschaft befreit und wieder zu der Gemeinde gekommen, dann aber im Herrn entschlafen sind.

Die Schwester Ursel, welche bei ihm gefangen gewesen, ist durch Gottes Schickung ohne an ihrem Glauben und Gewissen verletzt zu weiden, wieder frei geworden, auch zu der Gemeinde gekommen und daselbst im Herrn entschlafen.