Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.155

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2.155  Joris, Wouter, Grietgen und Naentgen.

Als die große Verfolgung in den Niederlanden wider die rechten Christen überall scharf anhielt, so sind unter andern im Jahre 1551 vier fromme Christen, namens Juris, Wouter, Grietgen und Naentgen, von Lier in Brabant nach Gent in Flandern geflüchtet, welche, als sie daselbst noch nicht lange gewohnt hatten, von einem Judas verraten und aus ihren Häusern nach des Grafen Stein gefänglich gebracht worden sind, wo sie Gott fröhlich gedankt und ihm Lob gesungen haben, weil sie würdig waren, um seines Namens willen zu leiden. Als sie nun von den Mönchen und andern Betrügern angefallen wurden, haben sie ihren Glauben ohne Scheu bekannt, und haben durch keine falsche List davon abgezogen werden können, sondern haben ihren Verführern, welche ihre Seelen zu ermorden suchten, mit der Wahrheit tapfern Widerstand geleistet. Nachher sind sie auf des Kaisers Befehl zum Tode verurteilt worden, weil sie von der römischen Kirche abgefallen waren, die Kindertaufe verachtet, und sich auf den Glauben hatten taufen lassen. Sie wurden dahin verurteilt, dass sie, ohne erwürgt zu werden, an einem Pfahl verbrannt werden sollten; dafür haben sie sich gegen die Herren bedankt und Grietgen sagte: Meine Herren, sparet drei Pfahle, wir können alle vier an einem sterben, denn im Geiste haben wir alle doch dieselbe Gesinnung. Sie waren freudig im Herrn und dankten Gott aufs Höchste; auch sagte Naentgen: Dies ist der Tag, wonach mich so sehr verlangt hat. Darauf kamen acht Mönche, um sie zu quälen; sie aber haben ihren Rat nicht angenommen, sondern Grietgen sagte: Ziehet eure langen Kleider aus und lehret euch selbst, ehe ihr euch untersteht, andere zu lehren. Man führte sie wie Schlachtschafe zum Tode und die Mönche gingen mit ihnen, zu welchen sie sagten: Bleibt nur zurück und lasst uns zufrieden, denn wir kennen euch wohl und wollen euch nicht hören.

Als sie auf den Schauplatz kamen, sprach Joris zum Volke: Wisset, dass wir nicht wegen Dieberei, Mord oder Ketzerei sterben; hierüber wurden die Mönche entrüstet und widersprachen ihnen; dann sind sie auf ihre Knie gefallen, haben ihr Gebet zu Gott verrichtet und beim Aufstehen einander mit dem Kusse des Friedens geküsst. Als sie nun mit fröhlichem Angesichte das Volk anredeten, standen die Mönche vor ihnen, um sie zu verhindern; einer aber aus dem Volke rief: Ihr rasenden Antichristen, tretet zurück und lasset sie reden! Wouter sagte: Ihr Bürger von Gent, wir leiden nicht als Ketzer oder Lutheraner, die in der einen Hand den Bierkrug, in der andern aber ein Testament halten, und dadurch Gottes Wort verunehren als Trunkene verhandeln, sondern wir sterben für die rechte Wahrheit. Der Scharfrichter hat sie an die Pfähle, einen jeden derselben an einen Strick gehängt, aber nicht erwürgt; da haben sie einander gestärkt und gesagt: Lasst uns nur tapfer streiten, denn dies ist unsere letzte Pein, nachher werden wir uns mit Gott in ewiger Freude erfreuen. Als sie nun in der Pein hingen, ehe die Pfähle angezündet wurden, ist Joris mit dem Stricke gefallen; da hat ihm Wouter zugerufen: O Bruder, sei wohlgemut. O Herr! rief Joris, auf dich traue ich, stärke meinen Glauben. Darauf ist das Feuer angegangen, und sie riefen: O Gott Vater, in Deine Hände befehlen wir unsern Geist. Also haben sie, nach des Herrn Willen, ihr Opfer getan, und ihr Glaube ist wie Gold im Feuer probiert und gut befunden worden, welcher auch also von Gott angenommen worden ist.