Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.631

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2.631  Noch ein Bekenntnis, welches Reytse Aysetz vor dem Bischof, den fünften Januar im Jahre 1574, abgelegt hat.

Die Liebe Gottes und die Mitteilung des Heiligen Geistes, so wie die Liebe des Vaters, der seinen eingeborenen Sohn für uns alle dahingegeben hat, müsse euch und uns alle bewahren, stärken und kräftig machen bis ans Ende, damit wir dermaleinst zu dem Hirten Jesu Christo kommen mögen; darum ist meine freundliche Bitte an euch, meine herzgründlich geliebten und werten Freunde, daß ihr eilen wollt, um zu seiner Ruhe einzugehen, Hebr 4,11.

Nebst geziemendem Gruße lasse ich eure Liebe wissen, daß ich den fünften Tag dieses Jahres 1574 vor dem Bischof gewesen bin. Derselbe sagte: Guten Tag und ein seliges Neues Jahr; willst du dich noch nicht zu dem heiligen katholischen Glauben begeben, an welchen alle deine Voreltern geglaubt haben? Antwort: Ein seliges Neues Jahr begehre ich von Herzen, aber von eurem Glauben will ich nichts wissen, sondern ich will an die heilige Schrift glauben. Der Bischof sagte, ich hätte auf Menschen und auf Menschenlehre gebaut. Reytse: Ich habe nicht auf Menschen gebaut; ich habe auf den Grund der Apostel und Propheten, ja, auf den Felsen gebaut; deshalb wird mein Haus stehen bleiben.

Seht, das sind nun die Sturmwinde, die auf mein Haus stürmen; stände es auf Sand, es würde wohl fallen; nun aber ist es auf den Felsen gegründet. Bischof: Was ist die Ursache, daß du von uns gegangen bist, denn du hast bekannt, daß du unsere Lehre niemals gehört hast? Reytse: Hört mich, ich will es euch sagen. Als ich ein Kind war, lief ich dahin, wie ein anderer; aber meine Eltern hielten mich von der Bahn der Sünder zurück, wofür ich ihnen sehr danke; aber, als ich zu meinem Verstand kam, las ich in Heiliger Schrift, daß der Weg zum Reiche Gottes schmal und eng wäre, daß Fleisch und Blut daran hängen bleiben müsse, daß man sehr geschickt sein müsse, daß eine reine Gemeinde sein müsse, daß die Steine gehauen und an vier Ecken geschnitten sein müssen, bevor sie an das Haus Gottes kommen mögen, von welchem Christus Jesus der Eckstein ist, und daß keine Huren noch Buben, noch Trunkenbolde, noch Geizige, noch Götzendiener in der Gemeinde Gottes sein sollten; ich habe aber gefunden, daß eure Gemeinde, von welcher du das Haupt bist, eine solche sei, und ich bin deinetwegen besorgt, weil du ein gelinder Mann bist. Darum bitte ich dich, du wollest doch die Heilige Schrift einmal durchsehen, denn es kommt mir vor, daß du es besser weißt, als du sprichst; du hast ebenso wohl eine Seele zu verlieren als ich. Er sagte, weil Trunkenbolde, Hurer und andere Sünder in ihrer Gemeinde wären, so hatten sie verordnet, daß man für dieselben bitten und daß die Priester die Sünden vergeben sollten. Ich erwiderte: Die Priester können die Sünden nicht vergeben, sondern Gott um Vergebung der Sünden bitten; das ist sehr gut; doch muss man von Herzen bitten, daß man sie zeitlebens nicht wieder begehe. Aber ich muss euch nun auch einmal fragen: Was dünkt euch, wenn ein Mensch heute oder morgen sündigt und bittet den Herrn um Vergebung, tut es aber jeden Tag wieder; wird wohl der Herr ihm solches vergeben oder nicht? Er meinte, das könnte wohl bestehen. Ich sagte, das könnte nicht so bestehen.

Zuletzt hielt der Bischof eine lange Rede, daß ich meinem Oberhaupt nicht gehorsam sein wollte, daß ich von ihrem heiligen Glauben abgefallen und zu den Mennoniten und Tibben übergegangen wäre. Ich antwortete, daß ich niemals ungehorsam gewesen sei; ich hätte mich auch niemals gegen den König gesetzt, und begehrte das Schwert wider niemanden zu tragen, wie Christus lehrt. Darauf sagte der Bischof, er wollte das Klarste von allem nehmen, dem ich nicht widersprechen könnte; ich sollte mich stellen, als ob ich unwissend wäre, er wollte sich auch stellen, als ob er unwissend wäre, dann sollte die Schrift den Ausschlag geben. Ich sagte, er sollte es sagen; wenn es mit der Schrift bestehen könnte, so wollte ich ihn hören. Er sagte, daß der Herr so klar in dem Evangelium gesagt habe: Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird; desgleichen auch den Kelch; darum muss man sein Fleisch essen und sein Blut trinken, wie Er gesagt hat; dagegen kannst du nichts einwenden. Ich erwiderte, ich wüsste wohl, daß solches geschrieben stände und daß der Herr gesagt habe: Nehmt, esst, das ist mein Leib; aber ich bekenne, daß der Herr im hohen Himmel ist und nicht unter der Menschen Zähne kommt; denn euer eigenes Volk glaubt es nicht, daß ihr ihnen Fleisch und Blut gebt. Er sagte, sie müssten es glauben. Ich sagte, daß der Herr so gesprochen habe: Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen werden soll. Das hat der Herr so gesagt; aber seine Jünger sprachen: Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben? Darauf sagte der Herr: Fleisch und Blut ist nichts nütze, denn die Worte sind Geist und Leben. Daraus erhellt klar genug, daß man Christi Fleisch und Blut nicht essen und trinken möge, wie Er gesagt hat, sondern daß wir dabei seines Todes und Leidens eingedenk sein sollen; denn der Herr hat seinen Leib für die ganze Welt und für die Erbsünde gegeben, worin wir geboren worden sind. Hätte uns der Herr nicht von den Sünden, die uns Adam auferlegt hat, erlöst, so hätten wir nicht selig werden mögen; nun aber hat uns der Herr mit seinem Fleisch und Blut erlöst und uns von allen Sünden frei gemacht, und hat sein Blut für viele vergossen; darum können wir sein Fleisch nicht essen, weil Er uns damit frei gemacht hat. Der Bischof sagte, daß Christus solches nicht von seinem eigenen Fleisch sagte, daß es nichts nütze sei, sondern von einem andern. Darum, weil der Herr solches so klar sagt, fügte er hinzu, muss man sein Fleisch essen und sein Blut trinken, wollen wir anders selig werden; Paulus hat gesagt: Ist das nicht der gesegnete Kelch? und weil Christus und Paulus so klar geredet haben, so kannst du dagegen nichts einwenden. Reytse: Mein Herr, ich weiß wohl, wie Christus und Paulus reden, denn die Apostel haben das Brot von Haus zu Haus gebrochen, wie wir klar lesen, und das zum Beweis, wie es Christus hinterlassen hat; aber er blieb dabei stehen, daß wir des Herrn Fleisch essen müssten, wenn wir selig werden wollten.

Ferner hat der Bischof eine lange Rede über die Auferstehung der Toten gehalten, wie wir sterben müssen und mit diesem Fleisch wieder auferstehen, wobei er viele Gründe von der Auferstehung anführte. Zuletzt sagte ich, daß ich wohl glaubte, daß eine Auferstehung der Toten sei, denn, wenn keine Auferstehung der Toten wäre, so wäre uns Christus nichts nütze; ich wollte auch nicht so leiden, solches wäre ein unnützer Streit. Dabei ließ er es bewenden; hiernächst hat er eine lange Rede gehalten, daß von einem Herrn, einem Glauben und einer Taufe geschrieben stände; solches hätte ich übertreten und mich wieder taufen lassen, da ich doch einmal getauft gewesen wäre; auch hätte ich die Heilige Schrift übertreten, indem ich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft gewesen sei, was den Ordnungen der heiligen Kirche widerspricht. Reytse: Ich habe mich nicht wiedertaufen lassen, indem ich nur einmal getauft bin, denn ich weiß wohl, daß von einem Herrn und einem Glauben geschrieben steht; darum habe ich mich auch zu einer Taufe begeben, wie der Herr an vielen Stellen lehrt, daß man die Gläubigen taufen soll; so habe ich mich denn einmal zur Buße taufen lassen, wie es sich nach der Schrift und nach meiner menschlichen Schwachheit gebührt; aber daß du sagst, daß ich mich habe wiedertaufen lassen, dazu sage ich nein, denn ich erkenne die Kindertaufe nicht für eine Taufe, sondern für eine Menschensatzung, wie solches klar genug am Tage liegt, weil man keine Schriftstelle dafür hat, daß man die Kinder taufen soll. Der Bischof sagte, daß man aus Wasser und Geist geboren sein müsste, wenn man selig werden wollte, und darum müssten die Kinder getauft sein, wenn sie selig werden wollten. Reytse: Nein, dafür hat man keine Schrift, daß man die Kinder taufen soll, denn der Herr hat die Kinder zu sich gerufen und gesagt, man soll ihnen nicht wehren, denn das Reich Gottes gehört ihnen zu; darum sind sie schon selig; er sagte, das wären gläubige Kinder gewesen, die beschnitten waren; dabei hielt er eine lange Rede über die Beschneidung Abrahams, wie die Kinder hätten beschnitten sein müssen, oder sie wären verdammt gewesen, und wie es sich damals mit der Beschneidung verhalten hätte, so sei die Taufe von den heiligen Vätern verordnet, wie es jetzt ist. Reytse: Dazu sage ich nein, dem ist nicht so, daß die Kinder verdammt worden sind, die nicht beschnitten waren, denn es war ein Befehl, daß man sie beschneiden sollte, weil sie von dem Samen Abrahams waren; darum sollte man sie beschneiden; der Herr hatte es so befohlen, weil sie sein Volk sein sollten und nicht um deswillen, weil sie verdammt gewesen wären, die nicht beschnitten worden waren, denn sie wurden den achten Tag beschnitten, es sind ihrer aber viele gestorben, die nicht so alt wurden, daß sie das Zeichen der Beschneidung empfangen hätten; also wäre ja den armen Kindlein großes Unrecht geschehen; auch wären die Mägdlein alle verdammt worden, die gleichwohl Miterben des Reiches Gottes sind, wie wir. Dagegen sagte er nicht viel, aber er blieb dabei, daß die Kinder getauft werden müssten, sollten sie anders die Seligkeit erlangen. Reytse: Mitnichten; ich sage noch einmal, daß die Kinder in den Händen Gottes sind, solange sie unwissend sind, und daß ihnen die Taufe nicht zukommt, sondern denen, die Buße getan haben, denn Johannes hat gepredigt, daß man Buße tun und sich bekehren solle, und daß man sich nicht eher taufen lassen sollte, als zur Vergebung der Sünden, wie er auch sagt: Ihr Otterngezücht, wer hat euch denn geweissagt, daß ihr dem zukünftigen Zorne Gottes entfliehen werdet? darum tut Buße, und lasst euch helfen von diesem unartigen Geschlecht.

Der Bischof sagte, daß ich solches mit Johannes Taufe nicht beweisen könnte; ich antwortete, Christus sei selbst zu Johannes gekommen und habe sie von Johannes begehrt; Johannes aber hat es dem Herrn abgeschlagen. Der Herr sagte: Nein, laß es so geschehen, damit alle Gerechtigkeit erfüllt werde; darauf hat es Johannes zugelassen. Warum sagst du, daß ich es mit der Taufe Johannes nicht beweisen könnte, da Christus sie ja selbst begehrt hat? Dagegen sagte der Bischof nicht viel; ich sagte, ich will dir wohl noch mehrere andere Sprüche anführen, woraus hervorgeht, daß sie den Gläubigen zukommt, wie den Kämmerer, zu welchem Philippus kam und sagte: Verstehst du wohl, was du liest? Er erwiderte: Wie kann ich es verstehen, wenn mich nicht jemand unterrichtet; darauf predigte ihm Philippus von Anfang an, und er glaubte; er sagte: Hier ist Wasser, was hindert es, daß ich mich nicht taufen lassen sollte? Philippus sagte: Glaubst du von Herzen, so mag es wohl geschehen; der Kämmerer sagte: Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn des lebendigen Gottes ist. Darauf ist es geschehen. Seht, da war der Glaube vor der Taufe; ebenso war er auch kein Kind; ebenso ist Paulus auch in solcher Weise getauft worden, als er gläubig geworden war; ei, durchlest einmal die Geschichte der Apostel. Der Bischof sagte, er wollte auch wohl die Alten taufen, die in ihrer Jugend nicht getauft worden wären, wie Heiden oder Tibben; dergleichen Alte wollte er auch taufen, denn, sagte er, es stände geschrieben: Wer glaubt und getauft wird, soll selig werden, und obgleich der Glaube der Taufe vorangeht, so ist es dennoch gut, daß man die Kinder taufe, denn es sind viele, die nicht so alt werden, daß sie zu ihrem Verstand kommen, und wenn sie ohne Taufe sterben, so sind sie ja verdammt. Darum müssen die Kinder getauft werden, damit sie alle selig werden; ich sagte: Die Kinder sind in der Hand Gottes, aber die Taufe kommt ihnen nicht zu, denn man kann es aus der Schrift nicht beweisen, daß solches geschehen müsse; hätte es der Herr haben wollen, Er hätte es wohl befohlen; aber nun hat Er befohlen, daß man die Gläubigen taufen soll, wie Er es gelehrt hat, und seine Apostel haben es getan. Darum beweise es mir mit der Schrift, daß es befohlen sei, die armen, unschuldigen Kinder zu taufen, die doch keine Sünde begangen haben, und wenn ich auch noch so viel Kinder hätte, so wollte ich sie doch nicht von euch getauft haben; er erwiderte, wäre es auch nicht geboten, daß man die Kinder taufen sollte, so wäre es ja auch nicht gesagt, daß man sie nicht taufen soll; es ist in keiner Schrift geboten, daß es nicht sein soll; ich sagte: Alles, was der Herr nicht geboten hat, das hat Er verboten; darum hat Er geboten, die Gläubigen zu taufen; die Menschen sollten es nicht anders machen, als es der Herr selbst geboten hat, denn wir lesen überall von einer Taufe der Buße, nicht aber von einer Kindertaufe, wie ihr lehrt und tut. Warum tut ihr solche Dinge, die sich nicht geziemen? Mich dünkt, daß du es besser weißt; sage die Wahrheit. Aber darauf gab er mir keine Antwort, sondern äußerte nur, ich wäre verführt, ich wäre verdammt, wenn ich bei diesem Glauben bliebe; darum sollte ich mich zu dem heiligen katholischen Glauben begeben. Wir redeten noch vieles miteinander, aber es wurde spät; er ging fort und sagte zu dem Schlossvogt, es wäre an mir keine Hoffnung, und ich wollte mich nicht unterrichten lassen; zu mir aber sagte er, ich sollte mich noch bedenken; ich erwiderte, das wollte ich zwar wohl tun, aber in diesem Fall hätte ich mich schon bedacht; bedenke du dich aber selbst, darum bitte ich dich, setzte ich noch hinzu.