Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.163

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2.163  Ein Brief der Lysken, Hieronymus Hausfrau, welchen sie im Gefängnisse zu Antwerpen im Jahre 1551 an ihn geschrieben hat.

Gnade und Frieden widerfahre uns beiden von Gott dem Vater; die Liebe des Sohnes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns zu unserer Seelen Stärke, Trost, Freude und Seligkeit.

Mein geliebter Mann in dem Herrn! Wisse, dass mir im Anfange die Zeit sehr lang gefallen ist, weil ich nicht gewohnt war, gefangen zu sitzen, auch sonst nichts hörte, als dass ich versucht wurde, vom Herrn abzufallen. Sie sagten, warum ich mich mit der Schrift bemühen wollte; ich solle meine Naht nähen. Es scheint, sagten sie, dass du den Aposteln nachfolgen willst; wo sind die Zeichen, die du tust? Sie haben alle Sprachen geredet, als sie den Heiligen Geist empfangen hatten, und sagten: Wo ist deine Sprache, die du vom Heiligen Geist empfangen hast? Aber es ist genug, dass wir durch ihre Worte gläubig geworden sind, wovon Christus spricht, wie Johannes berichtet: Ich bitte nicht allein für sie, sondern auch für diejenigen, die durch ihr Wort an mich glauben werden. Hiermit befehle ich dich dem Herrn; die Gnade Gottes sei stets mit uns.

Dank sei Gott dem Vater, der solche Liebe zu uns gehabt und an uns erwiesen hat, dass Er seinen lieben Sohn für uns dahingegeben hat; derselbe wolle uns solche Liebe, solche Freude, solche Weisheit und solch ein standhaftes Gemüt durch Christum und durch die Kraft des Heiligen Geistes verleihen, dass wir wider alle reißenden Tiere, wider Drachen und Schlangen, und wider alle Pforten der Hölle stehen mögen, die nun sehr listig sind, unsere Seelen zu fangen, zu betrügen, zu verderben und zu verführen. Deshalb sollen wir den Herrn Tag und Nacht ohne Aufhören demütig bitten; denn der uns zu verschlingen sucht, geht um uns her und sucht, welchen er verschlinge, indem uns nicht bekannt ist, was er im Sinne hat. Aber obschon sie sehr listig sind, so ist doch des Herrn Hand nicht zu kurz bei denen, die Ihn lieb haben und seinen Willen tun, denn die Augen des Herrn sehen auf diejenigen, die Ihn lieben, und seine Ohren hören auf ihr Schreien, aber das Angesicht des Herrn steht über denen, die Böses tun. Darum soll sich auch ein jeder wohl vorsehen, dass des Herrn Angesicht nicht über ihm stehe, denn eines jeden Menschen Seele, welcher sündigt, soll des Todes sterben, wenn er sich nicht bessert, ehe der Herr kommt. Wir sind aber nicht gewiss, wann der Herr kommen wird, denn Er wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Darum soll einer für den andern bitten, dass unsere Flucht nicht am Sabbat geschehe, wenn wir müßig, noch im Winter, wenn unsere Bäume ohne Frucht sind, denn ein jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen; den aber, der gute Früchte bringt, wird Er reinigen, damit er reichliche Früchte hervorbringe. Auch ist uns durch des Herrn Wort verkündigt, dass, wenn wir mutwillig sündigen, wir ferner kein Opfer mehr für die Sünde haben, sondern ein schreckliches Warten des Gerichtes und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Das Gesetz Moses hatte solche Kraft, dass, wer solches übertrat, ohne Gnade des Todes sterben musste, durch zwei oder drei Zeugen; wie vielmehr wird der gestraft werden, welcher den Sohn Gottes mit Füßen tritt. Ferner sagt auch der Heilige Geist: Wenn wir mit leiden, so werden wir auch mit herrschen; sterben wir mit, so werden wir auch mit leben; verleugnen wir ihn, so wird Er uns auch verleugnen; glauben wir nicht, so bleibt Er doch getreu, denn Er kann sich selbst nicht verleugnen, noch versagen. Da wir nun eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, so lasst uns alles ablegen, was uns beschwert, und die Sünde, die uns träge macht, und lasst uns durch Geduld in dem Kampfe laufen, der uns verordnet ist und zu dem Vollender aufsehen, welcher, da Ihm die Freude vorgelegt wurde, das Kreuz erduldete und der Schande nicht achtete, auch nicht drohte, als er für unsere Sünde, zu unserer Seelen Heil, litt. Also auch wir, mein Liebster in dem Herrn, dem Herrn zum Preise und zum Troste aller lieben Freunde. Ich wünsche uns beiden den gekreuzigten Christum zur ewigen Freude und Stärke. Ich habe das Vertrauen zu dem Herrn, der allein weise ist, und seine Weisheit allein den Einfältigen, Unschuldigen und in dieser Welt Verstoßenen mitteilt, dass Er uns trösten werde, bis unsere Geburt geschehen ist.

Mein lieber Mann in dem Herrn, mit welchem ich mich vor Gott und seiner Gemeinde verehelicht habe, wovon sie sagen, dass ich mit dir im Ehebruch gelebt hätte, weil unsere Ehe in dem Baal nicht befestigt worden ist; aber der Herr sagt: Freuet euch, wenn alle Menschen Übles von euch reden um meines Namens willen; freuet euch alsdann und seid fröhlich, denn es wird euch im Himmel wohl belohnt werden.

Wisse, dass ich sehr geweint habe, weil du um meinetwillen betrübt warst, indem du vernommen hast, dass ich oft zu dir gesagt habe, wir sollten von Assuerus fortziehen, und du gleichwohl solches nicht getan hast; sei hierin zufrieden, mein Liebster in dem Herrn; hätte solches dem Herrn nicht wohl gefallen, es wäre nicht so geschehen; des Herrn Wille soll zu unserer beiden Seelen Seligkeit geschehen; denn Er lässt uns nicht über unser Vermögen versucht werden. Darum sei getrost, mein Liebster in dem Herrn, und freue dich in dem Herrn, wie du zuvor getan hast; lobe Ihn und danke Ihm, dass Er uns dazu ersehen hat, dass wir um seines Namens willen so lange in Banden liegen sollten und dessen würdig geachtet sind; Er weiß, was Er hierin zuvor verordnet hat. Und obschon die Kinder Israel lange in der Wüste lagen, so wären sie doch mit Josua und Kaleb in das Land der Verheißung gekommen, wenn sie der Stimme des Herrn gehorsam gewesen wären. Also sind wir nun auch hier in der Wüste unter den reißenden Tieren, welche ihre Netze täglich stellen, um uns zu fangen; der Herr aber ist stark, der die seinen nicht verlässt, die auf ihn trauen, bewahrt Er vor allem Übel, ja wie seinen Augapfel; darum sollen wir uns in Ihm zufrieden geben und unser Kreuz mit Freuden und Geduld auf uns nehmen, und mit festem Vertrauen auf die Verheißungen warten, welche Er uns gegeben hat und an welchen nicht zu zweifeln ist, indem derjenige, der uns diese Verheißungen gegeben hat, sagt, dass wir auf dem Berge Zion gekrönt werden und, mit Palmen geziert, dem Lamme nachfolgen sollen. Ich bitte dich, mein Lieber im Herrn, sei getrost im Herrn, nebst allen lieben Freunden, und bitte den Herrn für mich, Amen.