Meenen ist ein schönes Städtchen in Flandern, welches drei Meilen von Ryssel auf dem Wege nach Brügge an der Leye liegt. In diesem Städtchen wohnte ein gottesfürchtiger Mann, Piersom des Muliers, mit seinem Weib, Claudine le Vettre, welcher durch Leonhard Bouwenß Predigt und durch das Lesen und den Gebrauch des Wortes Gottes von der päpstlichen Abgötterei abgezogen worden ist. Als solches Tittelmannus, Diakon zu Ronse und Untersucher des Glaubens, in Erfahrung brachte, so ist er mit den Häschern und Bütteln dahin gekommen, in der Absicht, den vorgemeldeten Piersom in seinem Wohnhause zu verhaften; aber ein frommer Mann aus dem Rate zu Meenen hatte Piersom gewarnt, daß er dem Ketzermeister ausweichen möchte, weshalb er sich in einen nahen Wald begab; aber sein Weib Claudine mit ihren vier Kindern (wovon das eine noch am Leben ist) verspätete sich in Folge häuslicher Geschäfte, und war eben, mit einem ihrer Kinder auf dem Arme, aus dem Hause gegangen, als die Häscher eintraten, und im Tumulte die Kinder und Nachbaren fragten, wo der Mann wäre; als sie es aber nicht erfahren konnten, schickten sie sich an, das Haus wieder zu verlassen. Als dies einer der Nachbaren bemerkte, welcher durch einen bösen und verkehrten Eifer erbittert war, sagte er: Ihr Männer, dort geht die Frau mit einem Kindlein auf dem Arme. Diese Mitteilung benutzend, holten sie dieselbe auf frischer Tat ein, und überlieferten sie den Händen des vorgemeldeten Ketzermeisters. Dieses ist im Jahre 1567, einige Monate vor der Ankunft des Herzogs von Alba in den Niederlanden geschehen. Von Meenen wurde sie nach Ypern geführt, wo viele um des Glaubens willen gefangen lagen, weil sie nicht verstehen konnten, daß ein anderer Mittler und Seligmacher wäre, als Jesus Christus, der für unsere Sünden am Stamme des Kreuzes geopfert worden ist, und weil sie nicht glauben konnten, daß Gott einen Gefallen an Bildern, von Holz und Stein oder Silber und Gold gemacht, hätte, sondern glaubten, daß solcher Götzendienst in Gottes Worte verboten wäre; weil sie ferner nicht glaubten, daß tote Menschen unsere Gebete erhören und uns helfen könnten, sondern weil sie glaubten, daß wir Gott allein anrufen müssen, welcher allein unsere Herzen und Gedanken kennt, und weiß, was wir bitten sollen, ehe wir unser Gebet vor Ihm ausgeschüttet haben, und welcher mit lauter Stimme ausgerufen hat: »Kommt her zu mir alle, die ihr beladen seid, ich will euch trösten;« auf welchen uns alle Propheten und Apostel weisen, nicht aber auf einen verstorbenen Heiligen.
Alle nun, die solchen Glauben hatten, wurden von Tittelmannus für Ketzer erklärt und der weltlichen Obrigkeit überantwortet, um mit ihnen nach den Befehlen zu Verfahren, nämlich die Männer lebendig zu verbrennen, die Weiber aber lebendig in die Erde zu vergraben; dieser schwere Tod hat einigen unter ihnen einen großen Schrecken eingejagt, sodass sie, um ihr Leben zu retten, abgefallen sind; ebenso sind auch viele aus dem Gefängnisse gebrochen und entlaufen, weshalb Claudine auch wohl hätte entfliehen können, wenn sie ihr Kind und einen frommen Bruder hätte verlassen wollen, welcher bei ihr im Gefängnisse bis ans Ende geblieben ist und sie nicht verlassen wollte; derselbe ist auch mit ihr an demselben Orte um der Wahrheit willen gestorben. Claudine aber wollte, der vielen Anfechtungen ungeachtet, welche ein Jahr anhielten, nicht abfallen, sondern ist im Glauben standhaft geblieben, und hat alles dasjenige aus Gottes Wort widerlegt, was die Pfaffen und Mönche wider sie vorzubringen wussten, wie aus verschiedenen Briefen zu ersehen ist, welche sie aus dem Gefängnisse an ihren Mann geschrieben hat. Zuletzt, als sie ihr nichts abgewinnen konnten, hat man versucht, sie durch die mütterliche Liebe zu ihrem Kinde zum Abfalle zu bringen; man entriss ihr nämlich ihren Säugling, welchen sie im Gefängnisse gesäugt hatte, und übergab ihn einer Amme; dies ist ihr größter Kummer gewesen, den sie während der Zeit ihrer Gefangenschaft erlitten hat. Darüber hat sie auch manche Träne vergossen, und Gott beständig um Kraft und Stärke gegen solche Versuchung und Anfechtung des Fleisches angefleht, damit sie nicht abfallen möchte, wie so viele ihrer Glaubensgenossen in ihrer Gegenwart abgefallen sind; es hat auch der allmächtige Gott ihr Gebet erhört, denn, als unterdessen der Herzog von Alba ins Land kam, und alle Gefängnisse von Ketzern zu reinigen gebot, so ist sie auch draußen vor Ypern, im Jahre unsers Herrn 1568, mit der Krone der Gottseligen gekrönt worden, und mit ihr ein Bruder, der auch um der Wahrheit willen dort verbrannt worden ist.
Ihr Mann Piersom hat oft von seiner Frau gesagt, daß sie eine bewundernswürdige Festigkeit in der Schrift erlangt habe, denn wenn er eine Stelle in der Heiligen Schrift nicht finden konnte, so fragte er sein Weib Claudine, welche ihm sichern Bescheid darüber erteilte, was er suchte.
So viel man weiß, ist das Kind, welches ihr im Gefängnisse abgenommen worden ist, verschwunden, sodass der Vater und die Freunde niemals erfahren haben, wo es hingekommen ist.
Früher hatte Piersom mit seinem Weib Claudine in Brügge gewohnt, wo er mit ihr durch die wohlmeinende Warnung einer Ratsperson aus der Stadt dem Ketzermeister entgangen ist; doch musste er alles, was er hatte, im Stiche lassen, wie auch zu Meenen geschehen ist; aber dieser fromme Mann von Meenen, der ihn gewarnt hatte, verbarg Piersoms Bücher und einen Teil seines Hausgerätes; ließ sie aber zurück und an den Ort bringen, wo die Bücher hingehörten. Der böse Nachbar aber, der die Claudine verraten hatte, ist in solchen Hass bei der Bürgerschaft gefallen, daß er die Stadt räumen musste, weil ihm das gemeine Volk seinen Laden erbrochen und zerstört hatte, ihm auch nachrief: Judas, Judas, der Verräter!
Zu derselben Zeit war Meenen eine offene Stadt, ohne Wälle und Tore; darum durfte Tittelmannus derselben seine Gefangenen nicht anvertrauen; es wäre ihnen sonst ergangen, wie in einer andern kleinen Stadt in Flandern, wo die Einwohner in großer Anzahl auf einen verabredeten Tag kamen, das Gefängnis erbrachen und ungefähr vierhundert Personen, die um eben derselben Ursachen willen gefangen waren, erlösten.
Die Freunde ließen Piersoms Kinder bei dem Pfarrer zu Meenen taufen, wie solches das älteste unter den Kindern, Margaretha genannt, zu erzählen pflegte, welche nachher, als sie 16 Jahre alt gewesen, in Calais gestorben ist.
Die andern drei waren Söhne, Peter, Nicolaus und Jan, welcher Letztere von der Mutter im Gefängnisse gesäugt worden war, der Peter aber ist bei seiner Mutter Lebzeiten, als sie im Gefängnisse saß, gestorben.
Piersom hat sich mit einer Frau verehelicht, genannt Peronne Hennebo, welche im Jahre 1589 zu Leyden starb, und zwei Töchter hinterlassen hat, Maria und Martha, welche beide zu Hoorn geboren sind. Diese Martha ist des Doktor Dirk Volkertß Velius Weib gewesen, der die Jahrbücher von Hoorn geschrieben hat, und die Mutter des Peter Velius zu Hoorn.
Des Piersoms drittes Weib ist Habeo de la Motte gewesen die Mutter der Margaretha des Muliers, die zu Gouda wohnte.
Piersom ist in Leyden im Jahre 1591 im Herrn entschlafen, und hat einen Sohn von seiner ersten Frau Claudine, zwei Töchter von der zweiten Frau Peronne und eine Tochter von der letzten Frau, wie gesagt worden ist, hinterlassen.
Claudine war schön von Person, und konnte herrlich singen, sodass sie die Umstehenden mit ihrem Gesang sehr ergriff; insbesondere standen die Leute den letzten Tag ihres Lebens vor dem Gefängnisse, damit sie dieselbe aus fröhlichem Herzen singen hören möchten, nachdem ihr der Tod angekündigt war. Derjenige, der mir dieses erzählt hat, hat sie mit lauter und erhabener Stimme den 27. Psalm Davids singen gehört: »Der Herr ist mein Licht, vor wem soll ich mich fürchten?« Die Leute hielten für gewiss, sie wäre, wenn man ihr den Mund nicht zugestopft hätte, als man sie zum Gerichtsplatze brachte, singend und Gott preisend gestorben. Diese Geschichte haben wir von D. N. M., des Piersom und der Claudine Sohn, durch Hilfe des Schwagers der Claudine, D. D. V., empfangen.