Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.618

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2.618  Der fünfte Brief von Maeyken Wens geschrieben an Jan De Metser, einen Diener.

Lieb’ Gott vor allem ganz allein,
Er ist’s, der ist, und der wird sein.

Die reiche Gnade und der Friede Gottes, des Vaters, die Liebe Jesu Christi wolle dein Tröster sein. Obgleich wir nun jetzt sterben müssen, so haben wir es doch besser als ihr, die ihr hier in diesem Tränentale bleibt; aber man muss die Zeit in Geduld erwarten, bis der Herr kommt. Ach, mein Bruder in dem Herrn, ich hätte dir so gern ein kleines Brieflein geschrieben; aber die Zeit ist verflossen, wiewohl ich lange genug gesessen habe, überdies bin ich auch so ungeübt im Schreiben; darum musst du es mir zum Besten aufnehmen und bedenken, daß, wenn du irgendwo zu Gast geladen wärst, du mit demjenigen zufrieden sein müsstest, was dir gereicht wird; ebenso musst du nun auch mit meinem Schreiben zufrieden sein, denn ich habe nicht viel, darum kann ich nicht viel mitteilen; so kann ich denn auch nicht viel schreiben, weil ich verurteilt bin, und dennoch war ich so voller Freude, daß ich sie nicht aussprechen konnte; der Herr müsse ewig für die große Gnade, die Er an mir bewiesen hat, gelobt sein, da ich doch furchtsam war. Ach, welchen starken Gott haben wir, und was dagegen haben die Gottlosen? Ach, laß uns doch guten Mut haben! Wir werden unsere Feinde wie Brot verschlingen; ich gehe nun morgen voran, der Herr wolle dir Stärke verleihen, daß du mir nachfolgen mögest, wie ich hoffe, daß du tun werdest. Aber mein lieber Bruder in dem Herrn, halte doch allezeit gute Wache, denn der Herr kommt, wie ein Dieb in der Nacht, wenn man am wenigsten daran denkt, denn so ist es mir auch ergangen; aber dann ist es gut, daß der Mensch nicht schläft. Aber, lieber Jan, obgleich ich dir wohl noch etwas mehr hätte schreiben sollen, so rückt doch nun die Zeit des Gebärens herbei, und mein Fleisch fängt schon etwas an zu erschrecken; doch es ist des Fleisches Art; ich gedenke dich hiermit dem Herrn und dem Worte seiner Gnade zu empfehlen. Gehabe dich wohl, mein lieber Freund Jan. Dieses habe ich dir in der Nacht geschrieben, als ich verurteilt war, damit du um der Bekanntschaft willen etwas von meiner Hand haben möchtest. Auch nimm mein geringes Schreiben zum Besten auf, denn ich hätte nicht gemeint, daß ich noch so viel hätte schreiben können, nachdem ich verurteilt war; nun will ich dir gute Nacht sagen hier in dieser Welt; aber ich hoffe, daß wir einander droben im neuen Jerusalem sehen werden, wo man von keiner Scheidung mehr hören wird; denn ich hoffe, daß ich mit der Hilfe des Herrn in der Ruhe sein werde, ehe dieser Brief gelesen wird, wie ich denn auch ein Brief zu sein hoffe, der von jedermann gelesen wird. Gute Nacht, lieber Freund, grüße mir sehr dein liebes Weib, und falls sie an mir etwas Unerbauliches gesehen hat, so soll sie mir hierin nicht nachfolgen; wenn sie aber etwas Erbauliches gesehen hat, so möge sie dem Besten nachkommen; das ist der gute Wunsch meines Herzens, geschrieben an dich den 5. Oktober 1573. Meine Mitgefangenen lassen dich sehr grüßen.

Geschrieben in meinen Banden von mir, deiner schwachen Schwester Maeyken Wens, was ich vermag, das aber nicht viel ist.