Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.513

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2.513  Noch ein Brief von Joost Verkindert, geschrieben an seine Brüder, Michael und Pleun, auf den hundertsten Tag seiner Gefangenschaft, den 7. September.

Gott der Vater und unser lieber Herr Jesus Christus wolle euch ein Herz und Gemüt geben, damit ihr euer Leben lang in seiner heiligen Wahrheit wandeln mögt, zum Heile eurer armen nackenden Seelen, damit sie erhalten werden mögen, wenn sie der Herr am jüngsten Tage heimsuchen wird, wenn wir alle vor den Richterstuhl Christi werden gestellt werden, wo ein jeder nach seinen Werken belohnt werden wird, sie seien gut oder böse. Gott, dem Vater, sei Preis und Ehre durch Jesum Christum; er wolle uns seinen Heiligen Geist zum Tröster in aller unserer Trübsal geben, in welche wir nun um Christo und des Evangeliums willen uns übergeben haben, dem Herrn sei Preis, Ehre und Dank, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Dieses wünsche ich euch, meine geliebten und werten Brüder, Michael und Pleun, zum herzlichen und freundlichen Gruße aus dem Innersten meiner Seele. Ich lasse euch wissen, daß ich dem Fleische nach noch ziemlich wohl bin, dem Geiste nach aber ist mein Gemüt noch fest gesonnen, mit der Hilfe des Allerhöchsten, bei der einigen Wahrheit zu bleiben, von welchem ich Trost und Hilfe erwarten muss, denn von mir selbst habe ich nicht einen guten Gedanken, sondern nur Verlockung, denn das Fleisch fürchtet sich allezeit vor dem Leiden, und dennoch, meine lieben Brüder, muss es gelitten sein, hier oder dereinst, denn Christus sagt, daß das Himmelreich Gewalt leide, und die ihm Gewalt antun, reißen es zu sich. Ach, liebe Brüder, ich bitte euch herzlich, daß ihr eurer selbst wahrnehmen und der Stimme des Herrn gehorsam sein wollt, damit ihr nicht unter denen erfunden werdet, die ihr Pfund in die Erde vergraben hatten, und einen neuen Lappen auf das alte Kleid setzen, oder neuen Wein in die alten Schläuche sammeln wollten. Ach, meine lieben Brüder; wenn ihr eurer selbst nicht wahrnehmt, so müsst ihr Gott dafür schwere Rechenschaft geben, denn Christus sagt: Bringt alle her, die nicht wollen, daß ich über sie herrsche; tötet sie vor meinen Augen und werft sie in die äußerste Finsternis, wo Heulen und Zähneklappern sein wird; auch sagt Christus, Lk 13: Der Knecht, der des Herrn Willen weiß, und sich nicht bereitet, oder nach seinem Willen getan hat, wird viele Streiche leiden müssen. Ach, liebe Brüder! Haltet mir diese Warnung zugut, denn sie ist aus aufrichtiger, brüderlicher Liebe geschehen, und das darum, weil ich wohl weiß, daß außer Christo und seinem Worte keine Seligkeit ist; ich habe auch einige Jahre lang es besser verstanden, als ich gehandelt habe; der Herr wolle es mir vergeben, denn hätte ich dem Herrn und der Welt zugleich dienen können, ich wäre nicht in Banden. Ach, liebe Brüder, hierzu hat mich Fleisch und Blut nicht gebracht, sondern das Wort des Herrn, welches schärfer ist als ein zweischneidiges Schwert. Niemand aber kann zugleich zweien Herren dienen; er muss den einen verachten, und dem anderen anhängen; ebenso könnt ihr auch nicht Gott und dem Mammon zugleich dienen. Ja, so ruft auch Elias den Kindern Israel zu: Wie lange wollt ihr auf beiden Seiten hinken? Ist der Herr Gott, so folgt ihm nach; ist es aber Baal, so folgt ihm nach. Ach, liebe Brüder, mit dergleichen Sprüchen, und mit mehreren andern, musste ich meinen eigenen Willen verleugnen lernen, damit ich der großen Sündflut und großen Strafe entgehen möchte, welche über diejenigen kommen wird, die dem Evangelium unsers lieben Herrn Jesu Christi nicht gehorsam gewesen sind; diese werden Pein leiden und das ewige Verderben, vor dem Angesichte des Herrn und vor der Herrlichkeit seiner Macht. Ach, liebe Brüder, erschreckt doch vor dem Tage, der wie ein Ofen brennen wird, wo alle vermessenen Verächter und Gottlosen wie Stroh sein werden; aber die ihres Gottes Gesetze bewahrt haben, werden alsdann wie die Mastkälber wachsen, und sie werden aus- und eingehen und die Gottlosen wie Asche unter ihren Füßen zertreten. Ach, liebe Brüder, möchten wir alle würdig erfunden werden, die angenehme Stimme Christi zu hören, welche sagt; Kommt her, ihr Gesegneten, ererbt das Reich meines Vaters, das euch bereitet ist von Anfang der Welt her; ach, dann wären wir zu einer seligen Stunde geboren; denn derer sind wenige, die von ganzem und aufrichtigem Herzen dem Herrn nachzufolgen suchen, denn es will sich jeder entschuldigen; der eine sagt: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft; der andere, ich habe ein Weib genommen; der dritte, ich habe einen Acker gekauft; ich bitte dich, entschuldige mich. Ach, liebe Brüder, vor dem Herrn kann keine Entschuldigung bestehen; darum lasst uns wohl zusehen, wenn wir seine Stimme gehört haben, daß unsere Herzen nicht verhärtet noch verstockt werden, denn wir haben viele Exempel in Heiligen Schrift, daß die Gottlosen vor dem Herrn nicht bestehen mögen; ebenso lesen wir auch, daß Gott die Welt um ihrer Sünde willen mit der Sündflut gestraft habe, aber er bewahrte den Prediger Noah nebst sieben anderen, und brachte die Sündflut über die Welt der ungerechten Menschen, und hat die Städte Sodom und Gomorrha umgekehrt und verdammt um ihrer Sünde willen; aber den gerechten Lot mit seinen beiden Töchtern, welcher von ihrem ungebührlichen und unkeuschen Wandel überfallen wurde, bewahrte er. Darum, liebe Brüder, wenn euch auch der Herr nicht äußerlich tötet, wie er damals tat, so wird er dennoch die Sünde nicht ungestraft lassen, denn der Herr ist ein gerechter Richter, welcher Sinne und Gedanken richten wird. Ach, ja, der Mensch wird von jedem unnützen Worte, das er geredet hat, Rechenschaft geben müssen! Ach, liebe und werten Brüder! Geht doch aus von diesem geistigen Ägypten, von der Macht des höllischen Pharaos und aus diesem geistigen Sodom, da sie unsern Herrn gekreuzigt haben, und aus diesem geistigen Babel, damit ihr in Zion leben, und daselbst den schönen Gottesdienst anschauen mögt; ich warne euch im Namen des Herrn und auf Veranlassung meines Gewissens, weil ihr es am jüngsten Tage finden werdet, wie ich es euch hier geschrieben habe. Ach, liebe Brüder, Michael und Pleun, ich ermahne euch auch mit, denn wenn ich in diesem Streite nicht Stand halte, so ist alles umsonst, was ich erlitten habe, denn die Unseligen werden in der Erde aufgeschrieben. Ach, ich empfinde so viel Schrecken vor dem Abweichen, weil ich so gewiss und versichert bin, daß ich auf dem rechten Wege bin. Liebe Brüder! Ihr wisst wohl, daß niemand in diese Welt kommen kann, er sei denn geboren; ebenso kann auch niemand in die zukünftige Welt kommen, er sei denn wiedergeboren, wie Petrus klar bezeugt; nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich, aus dem lebendigen Worte Gottes, das ewig bleibt. Ach, Brüder, liebe Brüder! Wohl dem, der hieraus geboren wird, denn diese Wiedergeborenen halten die rechte Taufe und das rechte Abendmahl; sie sondern sich ab von allen falschen Lehrern, führen auch einen rechten Bann und eine rechte Meidung, damit sie die Gemeinde rein erhalten; sonst würde sie bald zum Babel werden. Liebe Brüder, ich bin vier Mal vor einem Pfaffen gewesen, aber wir konnten in keinem Punkte einig werden: O wie viel Fleiß wandte er an, um uns zu seiner Kirche zu bringen, und da wir seine Ware nicht kaufen wollten und dieselbe mit gutem Gewissen nicht annehmen konnten, sagte er, wir hätten den Teufel, und wären verdammt, wenn wir so in unserm Glauben dahin stürben. Aber seine Drohung hat mir keinen Schrecken eingejagt, sondern ich bitte den Herrn, daß er ihnen die Augen des Verstandes öffnen wolle, damit sie sehen mögen, wider wen sie streiten, nämlich, nicht wider Menschen, sondern wider Gott und das Lamm, denn Christus sagt: Wärt ihr von der Welt, so hatte die Welt das Ihre lieb, nun ihr aber nicht von der Welt seid, so hasst euch die Welt; ferner sagt Christus; Haben sie den Hausvater Beelzebub genannt, um wie viel mehr werden sie seine Hausgenossen so nennen. Ach, ja, es ist jetzt auch die Zeit, wo unser Leben für unsinnig und unser Ende für Schande gehalten wird. Ach, wie wird Christi Wort erfüllt, wenn er sagt: Sie werden euch in den Bann tun, und die Zeit wird kommen, daß, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst daran; und das werden sie euch tun, weil sie weder mich, nach meinen Vater kennen; ebenso sagt auch Paulus: Hätten sie ihn erkannt, sie hätten den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.

Ach, meine lieben Brüder, weicht mit eurem Fuße von den Wegen der Gottlosen, denn sie gehen zur Hölle wie Schafe zum Tode, und seht nicht auf den großen Haufen; denn Esra schreibt: Gleichwie man viel Erde findet, um irdene Gefäße, wenig aber, um goldene zu machen, so sind auch die Gottlosen gegen die Gerechten; ferner spricht er: Was nützt es dem Menschen, daß eine Stadt voll alles Guten verheißen ist, wenn wir Werke des Todes wirken? Darum können wir wohl mit Esra sagen: Ach, Adam, Adam, was hast du getan? Denn dadurch, daß du gesündigt hast, ist nicht dein Fall über dich allein geraten, sondern auch über uns, die wir von dir hergekommen sind. Ach, meine lieben Brüder, schafft doch, daß ihr rechte Schafe von der Herde Christi werdet, und rechte Reben am Weinstocke Christi sein mögt; sucht das, was droben ist, wo Christus ist, zur rechten Hand Gottes sitzend; schmeckt das, was himmlisch ist, und nicht, was irdisch ist, und tötet eure Glieder, die auf Erden sind: Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust, und Geiz, welcher Abgötterei ist, um deretwillen der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens kommt.

Darum, meine lieben Brüder, wenn euch nach der Wahrheit verlangt, und ihr der zu künftigen Strafe entfliehen wollt, so sucht euer Leben nach dem Evangelium einzurichten, und verleugnet euch selbst, denn Christus sagt im Evangelium: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz täglich auf sich und folge mir nach; denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren, und wer sein Leben um meinet- und des Evangeliums willen verliert, der wird es erhalten. Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und nimmt doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, daß er seine Seele damit erlöse? Wer sich aber meiner oder meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündhaften Geschlechte, dessen wird sich des Menschen Sohn auch schämen, wenn er kommen wird in seines Vaters Herrlichkeit samt den heiligen Engeln. Ach, liebe Brüder! Denkt doch diesen Schriftstellen recht nach und behaltet dieselben wohl, denn Christus Jesus hat sie aus dem hohen Himmel mit auf diese Erde gebracht, hat nach denselben gelebt und gelehrt, und sie mit seinem Blute versiegelt, und ist um unseretwillen arm geworden, damit er uns durch seine Armut reich machte. Ach, denkt doch einmal der Sache recht nach, wie verachtet Christus um unseretwillen gewesen sei, sodass der Prophet Jesaja klagte und sagte: Es war keine Gestalt an ihm, die uns gefallen hätte; ja, er klagt, daß er ein Wurm wäre und kein Mensch. Ach, liebe Brüder! Lasst uns an ihm ein Beispiel nehmen, wie liebreich er uns vorangegangen ist; denn wer Christum nicht annimmt, wird durch ihn nicht erlöst; ebenso sagt auch Christus im Evangelium: Warum nennt ihr mich Herr! Herr! und tut doch nicht, was ich euch sage? Denn wer von mir diese Worte hört und tut, den will ich mit einem weisen Manne vergleichen, der sein Haus auf einen Stein gebaut hat; dann als die Winde wehten und die Wasserfluten gegen das Haus angingen, so fiel es doch nicht, denn es war auf den Eckstein gegründet; und wer diese Worte von mir hört, und tut sie nicht, den will ich mit einem törichten Manne vergleichen, der sein Haus auf den Sand gebaut hat, und als die Winde wehten, und die Fluten kamen und der Platzregen daran schlug, so fiel es, und sein Fall war sehr groß; ferner sagt Christus von dem Sämann, Mt 13, daß einiges auf den Weg gefallen sei, einiges auf das Steinige, einiges unter die Dornen und einiges in gute Erde, welches nachher Frucht gebracht habe. Ach, denkt diesem Spruche wohl nach, wie der betrügliche Reichtum in so vielen Menschen das Wort Gottes unterdrücke, daß es keine Frucht hervorbringt! Darum, meine lieben und werten Brüder, habe ich euch zu einer ewigen Warnung aus meinen Banden geschrieben. Ach, daß Gott Gnade gäbe, daß sein Wort in eurem Herzen wohnen möchte, gleichwie ich es im Herzen trage; ihr würdet der Welt bald gute Nacht gesagt haben; gleichwohl hat mein Fleisch eine wunderbare Furcht vor dem Leiden, sodass es mir bisweilen so bange ist, wie einem Weibe in Kindesnöten; gleichwohl hat sich Christus Jesus auch vor dem Leiden gefürchtet, Lk 22.

Hiermit will ich euch dem gekreuzigten Christo Jesu anbefehlen und dem reichen Worte seiner Gnade, zu einem ewigen Abschiede auf Erden, wenn wir etwa einander hier nicht mehr sehen würden. Mein Gemüt ist noch gegenwärtig so gesinnt, diesen Brief mit meinem Blute zu versiegeln und mit dem alten Eleazar lieber ehrlich zu sterben, als mit Schanden zu leben; ich grüße auch Michael, deines Weibes Tanneken Schwester sehr herzlich zum ewigen Abschiede. Meine Brüder, tut allezeit Gutes, und sagt dem Herrn Lob und Dank, daß ihr einen Bruder habt, der würdig ist, um Christi und des Evangeliums willen sein Leben zu lassen. Geschrieben an euch mit Tränen, um der Freundschaft willen; seid Christian und den Kindern behilflich, wenn euch möglich ist, und bewahrt diesen Brief als ein Testament.

Von mir, eurem lieben Bruder, Joost Verkindert.