Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 3.64

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3.64  An die Stadt Bern, in der Schweiz.

Wohledle, hochachtbare, weise, vorsichtige Herren, besondere gute Freunde und Nachbarn.

Aus den Klagen verschiedener Personen, welche von ihren Gemeinden, die man hierzulande Mennoniten nennt, abgefertigt worden sind, als Bürger und Einwohner der Städte Dortrecht, Harlem, Leyden, Amsterdam, Goude und Rotterdam, welche alle in der Landschaft Holland liegen, haben wir vernommen, daß ihre Glaubensgenossen, die man Wiedertäufer nennt, zu Bern und in den dortigen Gegenden in Folge sehr scharfer Befehle, die gegen dieselben erlassen worden sind, wodurch ihnen nicht allein verboten wird, im Land zu wohnen, sondern auch selbst nicht einmal erlaubt wird, mit ihren Haushaltungen und Gütern an andere Orte zu ziehen, große Verfolgung erleiden, obgleich man sie keiner Missetat oder Lasters beschuldigen kann, und daß einige von der oben gemeldeten Religion in dortiger Stadt sehr streng gefangen gehalten würden.

Dieses alles hat uns zum christlichen Mitleiden bewogen; darum haben wir nicht unterlassen können, sondern im Gegenteil gut gefunden, euch hiermit freundlich und nachbarlich, wie auch sehr ernstlich zu ersuchen, daß ihr den Glaubensgenossen der Bittenden, die unter dem Wiedertäufer-Namen in eurem Gebiet und unter eurer Gerechtigkeit angetroffen werden oder dazu gehören, nicht nur mit keinem ungebührlichen Verfahren begegnet oder begegnen lasst, auch die vorgemeldeten Gefangenen auf freien Fuß stellt, sondern auch, daß ihr vielmehr nach dem guten Exempel der Herren von der Regierung zu Schaffhausen den Bittenden Zeit verwilligt und vergönnt, mit ihren Gütern und ihrem Hausrat abzuziehen, wohin es ihnen beliebt. Ihr wollt zu dem Ende in gebührliche Betrachtung nehmen, daß im Jahre 1655, als die Waldenser, unsere und eure Glaubensgenossen von den Römischgesinnten lediglich um des Bekenntnisses ihrer reformierten Religion willen so grausam verfolgt und verjagt worden sind, daß auch der Not der armen vertriebenen Menschen anders nicht zu steuern war, als durch Sammlung bedeutender Almosen in England, hierzulande und an andern Orten, wo die reformierte Religion gehandhabt wird, die Gemeinde der Taufsgesinnten, die vorgemeldeten Bittenden, auf die einfache Recommadation ihrer Obrigkeiten, aus schuldigem Gehorsam gegen dieselben und zugleich aus christlicher Liebe und Mitleiden, den vorgemeldeten, vertriebenen und verfolgten Christen so mildreich in ihren Versammlungen mitgeteilt haben, daß daraus eine bedeutende Summe hervorgegangen ist, welche die Diener der vorgemeldeten Gemeinden auf ihrer gemeldeten Obrigkeiten Anordnung damals gehörigen Orts eingehändigt haben.

Wir wollen unser Vertrauen dahin richten, daß ihr unsere wohlmeinende freundnachbarliche Fürbitte so gut aufnehmen werdet, als es die Billigkeit der Sache erfordert, und wir von eurer gewöhnlichen Weisheit und Bescheidenheit gewärtig sind, und versichern euch, daß wir niemals ermangeln werden, solches gegen euch alle, wie auch gegen eure Bürger und Einwohner zu vergelten und erkenntlich dafür zu sein, wenn sich uns Gelegenheit dazu darbieten sollte, und euch gefallen wird, eine Probe hiervon zu nehmen. Unterdessen bitten wir den allmächtigen Gott, Wohledle . In dem Haag, den 19. Februar 1660.

Kommt überein mit dem Original, welches in Ihro Hochmögenden Kanzlei liegt. J. Spronssen.

Außer diesem Schreiben der Hochmögenden an die Herren von Bern, war auch nachfolgendes an die von Zürich aufgesetzt, welches wir, einige Worte ausgenommen, die in dem vorhergehenden enthalten sind, um eine Sache nicht zweimal zu erzählen, hier beifügen wollen.