Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.568

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2.568  Ein Brief, an diese Adriaanken Jans in ihren Banden von ihrem Manne gesandt.

An mein herzlich geliebtes Weib Adriaanken, Jans Tochter, aus Liebe, um dein Gemüt zu stärken, Amen.

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Gnade und Friede, Weisheit und Trost sei mit dir, mein sehr geliebtes Weib und Schwester in dem Herrn, von Gott, unserm himmlischen Vater, durch die große Liebe seines Sohnes Jesu Christi, unsers Herrn und Seligmachers, und durch die Kraft des Heiligen Geistes; auch wünsche ich dir Geduld in deinen Banden, mein geliebtes Weib und Schwester in dem Herrn, als einen freundlichen Gruß, zum Preise des Herrn und deiner Seele Heil, Amen. Fasse deine Seele in Geduld.

Nach allem herzgründlichen Gruße, mein sehr geliebtes Weib und Schwester in dem Herrn, bitte ich dich freundlich, daß du dich in deiner Trübsal und deiner Not tapfer halten und allezeit auf den Herzog des Glaubens und auf den Vollender Jesum Christum sehen wollest, welcher, da er wohl hätte Freude haben mögen, das Kreuz erduldete und die Schande nicht achtete; merke, er sagt: und die Schande nicht achtete. So tritt denn vor das Lager hinaus, und hilf ihm seine Schmach tragen, denn da Christus litt, musste er außer Jerusalem leiden; er hat dort unsere Sünden auf sich genommen, und ist wie ein Wurm voller Schmach geworden, sagt der Prophet Jesaja; und Paulus sagt: Obgleich er in göttlicher Gestalt war, so achtete er es doch für keinen Raub, Gott gleich zu sein, sondern er hat sich selbst zum Tode übergeben, ja, zum Tode am Kreuze; und Petrus sagt: Weil nun Christus für uns im Fleische gelitten hat, so wappnet euch mit demselben Sinne, denn wer am Fleische leidet, der hört auf von Sünden, daß er hinfort, was noch hinterstelliger Zeit im Fleische ist, nicht der Menschen Lüste, sondern dem Willen Gottes lebe; auch sagt Paulus: Alle, die in Christo Jesu gottselig leben wollen, müssen Verfolgung leiden, wie er auch an die Hebräer, Kap 11, von so vielen frommen Zeugen erzählt, die durch ihren Glauben so viel erlitten haben, und auf die Belohnung sahen, auch gesteinigt, zerhackt und zerstochen, untersucht und durch das Schwert getötet worden sind; sie sind in Pelzen und Ziegenfellen, in Mangel und Trübsal, in Ungemach, deren die Welt nicht wert war, umhergegangen, und haben dadurch das Reich der Himmel mit Gewalt eingenommen; sie haben nur von fern auf die Verheißung gehofft, und dieselbe noch nicht gehabt, wie Christus sagt: Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht, und die Ohren, die hören, was ihr hört; denn viele Propheten und Gerechte wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen; ebenso sagt auch Paulus: Nachdem Gott in früheren Zeiten manchmal und auf mancherlei Weise zu den Vätern durch die Propheten geredet hat, hat er zuletzt in diesen Tagen durch den Sohn zu uns geredet, welchen er zum Erben über alles gesetzt und durch welchen er auch die Welt gemacht hat, welcher, indem er der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens ist, alle Dinge mit seinem kräftigen Worte trägt. Siehe nun, mein liebes Schaf, wie viele fromme Zeugen wir jetzt haben; darum laß uns nicht müde werden, sondern zusehen, daß wir mit Josua und Kaleb in das Land der Verheißung ziehen mögen; denn du bist schon durch die Wüste gewandert, und stehst nun vor dem Jordan, und obgleich er fürchterlich anzusehen ist, so wirst du doch durchkommen; sei nur standhaft; es mangelt dir weiter nichts, als das Durchziehen. Sei männlich, mein Schaf, der Herr wird dir wohl helfen; setze dein Vertrauen auf ihn, denn er ist unser Hauptmann, unsere feste, starke Burg und unser Schloss. Sei doch, mein liebes Schaf, wohlgemut in dem Herrn; du hast eine herrliche Krone zu erwarten, denn der Herr sagt: Selig sind, die um der Wahrheit willen Verfolgung leiden, denn solchen gehört das Reich der Himmel.

Sieh, meine Schöne, du wirst eine von der Zahl derer sein, welche Johannes unter dem Altar sah, die mit weißen Kleidern angetan waren; deren Zahl wirst du erfüllen helfen, und die Schar, von welcher der Engel zu Esra sagte, denn, wenn die Zahl oder die Schar der Gerechten erfüllt ist, so wird die Belohnung bald geschehen; dann werden alle deine Tränen abgewischt werden; der Sonnenbrand wird dich nicht mehr verhindern, denn du wirst mit allen auserwählten Kindern Gottes unter seinem Schatten ruhen. Mein liebes Schaf, wenn du nur männlich für die Wahrheit streitest, man leidet nur in diesem Leben; nach dieser Zeit aber wird keine Zeit mehr sein; niemand wird gekrönt, es sei denn, daß er gesetzmäßig streite. Jakobus sagt: Liebe Brüder, wir preisen selig, die erduldet haben; und Salomo sagt, daß sein Volk geprüft werde, wie das Gold im Ofen, und wenn er sie angenehm findet, nimmt er sie an, wie ein völliges Opfer. Bekenne doch nun des Herrn Wort vor diesem argen Geschlechte, denn, wenn wir ihn bekennen, so wird er uns auch vor seinem himmlischen Vater und vor seinen Engeln bekennen; verleugnen wir ihn aber, so wird er uns auch verleugnen. Wenn wir nicht glauben, so bleibt er doch getreu; er kann sich selbst nicht verleugnen; aber der feste Grund Gottes besteht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Seinen, und es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt. Sieh, mein liebes Schaf, das Urteil ist hier schon gesprochen, sieh nur zu, daß du standhaft bleibst in deinen Banden für des Herrn Wort, wie du angefangen hast, damit du doch vollen Lohn empfangen und dasjenige nicht verlieren mögest, wofür du so lange durch den Glauben gearbeitet hast, denn wer übertritt und nicht in der Lehre Christi bleibt, der hat keinen Gott, wer aber in der Liebe Christi bleibt, der hat beides, den Vater und den Sohn. Liebe Jans Tochter, wir sind einer herrlichen Krone gewärtig, wenn wir bei der Wahrheit bleiben; wie werden wir uns erfreuen, wenn wir in das neue, himmlische Jerusalem kommen werden, wo die Straßen von reinem Golde sind, und ihre Tore werden vor den Bußfertigen nicht zugeschlossen, den Gottlosen aber stehen sie nicht offen, denn draußen sind die Hunde und die Zauberer. Sieh, mein allerliebstes Schaf, seine Gnade steht sonst niemandem, als den Gottesfürchtigen zu allen Zeiten offen, ja, er wird sie aus dem schönen Strome tränken, der durch die schone Stadt hinfließt; das sind die lebendigen Wasser, von denen der Herr zum samaritischen Weiblein sagte, daß, wenn sie davon trinken würde, sie in Ewigkeit nicht dürsten sollte. Sieh, meine liebe Rippe, von diesem Wasser haben alle Gerechte getrunken; sie tranken alle von dem Felsen, der ihnen nachfolgte; dieser Fels war Christus; aber an vielen derselben hatte Gott keinen Wohlgefallen, denn sie sind in der Wüste niedergeschlagen.

Sieh, liebe Adriaanken Jans, welche Tugenden hat uns der Herr bewiesen, und wie reichlich hat er seine Kinder beschenkt, und wie wird er sie beschenken, wenn er kommen wird, um alle Geschlechter der Erde zu richten? Dann werden wir alle unsere Feinde zertreten, und werden mit allen Auserwählten Gottes auf zwölf Stühlen sitzen und die zwölf Geschlechter Israels richten, und werden in großer Standhaftigkeit gegen diejenigen stehen, die uns geängstigt haben, und werden wie Funken im Rohre leuchten, und werden an dem Tage, den der Herr ersehen hat, wie Mastkälber aufhüpfen. Wir lesen auch, daß Esra auf dem Berge Zion im Geiste gesehen habe, daß der Herr denen Palmzweige in die Hände gegeben und Kronen auf ihr Haupt gesetzt habe, die ihn in dieser Welt bekannt hatten; auch sagt Petrus, daß wir zu Königen und Priestern gemacht werden sollen, damit wir die Tugenden dessen verkündigen, der uns von der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte berufen hat.

Ach, Jans Tochter, mein liebes Weib und Schwester in dem Herrn; sollten wir alle herrlichen Verheißungen erzählen, die der Herr denen gegeben, die in ihrer Anfechtung getreu bleiben, so würde es uns an Zeit fehlen, solches zu schreiben.

Hiermit will ich dich, mein liebes Weib und Schwester in dem Herrn, dem Herrn und dem reichen Worte seiner Gnade anbefehlen, welches mächtig ist, uns vor allen listigen Nachstellung zu bewahren, mit welchen unser Widersacher, der Teufel, uns wie ein brüllender Löwe umringt, wie Petrus sagt; er konnte ja dem Herrn beikommen, sollte er denn sein Volk nicht bestürmen? Denn es ist uns nicht unbekannt, was er im Sinne hat, indem er auch durch seine Boten wirkt, welches die Kinder des Unglaubens sind, die vielleicht noch kommen werden, um dich zu bekämpfen; aber wir können sie wohl überwinden; durch des Herrn Gnade vermögen wir alles, welche Gnade uns Gott geben wolle, dir und mir und uns allen, Amen.

Gehabe dich wohl, und bitte den Herrn für mich, damit mich der Herr in dieser argen Zeit bewahre, daß ich allezeit auf des Herrn Bahn wandeln möge; auch bitte ich für dich, daß dir der Herr Stärke geben wolle, damit du ihm ein bequemes Opfer sein mögest, und damit durch deine Bande und das freiwillige Übergeben deines Leibes in der Tyrannen Hände viele zu der Wahrheit kommen möchten. Fällt es dem Fleische auch etwas schwer; der Herr kann denen wohl Stärke verleihen, die auf ihn trauen. Ja, liebe Jans Tochter, meine allerliebste und werte Schwester in dem Herrn, laß uns doch zusehen und den Herrn bitten, daß wir uns selbst wohl bewahren, damit wir den Tempel Gottes nicht schänden, denn Paulus sagt: (Merke wohl) Wisst ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid, und daß Gottes Geist in euch wohnt; wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig, dieser Tempel aber seid ihr. Wenn wir unserer selbst wohl wahrnehmen, so wird es uns wohlgehen, denn wir haben einen köstlichen Schatz in irdenen Gefäßen, den Geist des Herrn, den Tröster, der von uns nicht weggenommen werden wird, wenn wir anders Gott fürchten, von allen Sünden ablassen und Gutes tun.

Ach, meine Liebste, schlage doch das aus deinem Sinne, daß du dahin gehen wollest, das Bett zu holen, denn der Herr will dich vielleicht nur so prüfen, und laß uns den Herrn nicht versuchen: Er tut es alles zu unserm Besten. Der Herr weiß es, der alle Herzen kennt, daß ich dich nicht um aller Welt Schatz hingeben wollte; nun es aber so ist, muss es in des Herrn Namen sein; du kannst wohl denken, daß Abraham auch betrübt war, weil er seinen lieben Sohn aufopfern musste, denn er war ihm ein lieber Sohn, und der Herr hatte ihm gesagt, daß sich sein Same mehren sollte, wie der Staub auf Erden und die Sterne des Himmels; aber, mein liebes Schaf, er fürchtete den Herrn, und durfte des Herrn Befehle nicht ungehorsam sein; ebenso auch wir; darum fasse doch Mut, mein liebes Weib; bedenke, es ist um eine böse Stunde zu tun, oder um eine halbe Stunde; man kann viel in einer halben Stunde tun. Sieh, meine Geliebte, wer überwindet, soll alles besitzen; wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode. Deshalb sollen alle, die nach Gottes Willen leiden, ihre Seelen dem treuen Schöpfer mit guten Werken anbefehlen; laß uns für diejenigen bitten, die es uns antun (das ist der Papst mit seinem Anhange), damit sie doch sehen mögen, wie blind sie sind, und auch für die Obrigkeit laß uns bitten, damit sie doch dem unschuldigen Blute nicht mehr nachstellen, sondern zufrieden sein und sehen mögen, worin sie vor Gott sündigen.

Gute Nacht, sei wohl zufrieden in dem Herrn, mein liebes Weib und Schwester in dem Herrn; halte mir mein schlechtes Schreiben zu gut, denn es ist ja in guter Absicht geschrieben.

Geschrieben mit viel Betrübnis und großer Mühe. Für dieses Mal nicht mehr; der Herr wolle dich in einem gottseligen Leben erhalten, und wolle dich vor dem zweiten Tode bewahren, Amen.

Von mir, J. von Dort., deinem lieben Manne und schwachen Bruder in dem Herrn, der ich des Namens unwürdig bin; aber durch des Herrn Gnade vermögen wir alles.

Geschrieben den 18. und 19. Januar im Jahre 1572. Was ich tun kann, ist zu deinem Besten; schone meiner nicht. Gute Nacht, gehabe dich wohl; setze dein Vertrauen allein auf den Herrn, dann wirst du Ruhe finden für deine Seele, Amen.