Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.655

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2.655  Antwort auf Johannes Foxus Schreiben, geschrieben von den Gefangenen in London, 1575.

Ehrsamer und werter Dr. Mr. Foxus, wir haben deinen Brief gelesen, woraus wir den Fleiß ersehen haben, den du um unsertwillen angewandt hast, sowohl bei der königlichen Majestät, als auch bei ihrem weisen Rate; dafür danken wir dir aufs Höchste, wie auch für deine gute Ermahnung, denn obgleich uns dein Brief ein wenig zu scharf geschrieben zu sein scheint, so sind wir doch versichert, daß es von der Liebe und einem guten Eifer herkommt, den du für die Wahrheit und deines Nächsten Wohlfahrt trägst; darum können wir es auch nur zum Besten deuten, wiewohl es uns sehr leid ist, daß du unsere Meinung nicht besser verstehst, und eine andere Meinung von uns hast, als wir wohl wollten (indem du dafür hältst, dass wir durch unsere Spitzfindigkeit und Halsstarrigkeit nicht allein die Kirche Gottes ärgern, sondern auch Gott aufs Höchste erzürnen und unsere Seligkeit umstoßen).

Welche Veranlassung du wohl hast, dergleichen von uns zu denken, wissen wir nicht, doch können wir dich versichern, daß wir von ganzem Herzen dem einigen Gott und Christo mit gutem Gewissen zu dienen und unsern Nächsten zu erbauen suchen, so viel es uns möglich ist.

Deshalb nehmen wir gern an, was uns die heilige Schrift bezeugt und wünschen, daß man uns bei der Einfachheit des Wortes Gottes bleiben ließe, und uns durch spitzfindige Fragen nicht weiter triebe, als wir mit unserm schwachen Verstand begreifen oder mit der Schrift verantworten können. Wir bekennen (wie du sagst), daß Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, aus dem Weibe in der Fülle der Zeit wahrhaftig Mensch geworden oder geboren sei.

Wir bekennen, daß das Fleisch Christi nicht phantastisch oder aus der Luft sei, sondern wahres, menschliches Fleisch, uns in allem gleich, ausgenommen die Sünde; daß Er der verheißene Weibessamen, der Sohn Davids und die Frucht des Leibes Maria sei; endlich glauben wir allem, was die heilige Schrift von ihm außerdem bezeugt, und setzen auch in unserem Leben oder Sterben unsere Seligkeit nicht in unsere Werke oder Heiligkeit, sondern allein in seinen Tod und seine Auferstehung. Darum können wir uns nicht genug verwundern, daß man von Christen mehr fordern mag, denn wie du selbst aus dem Apostel anführst, wenn wir auch Christum nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir Ihn doch jetzt nicht mehr; wer aber in Ihm ist, der ist eine neue Kreatur. Damit gibt uns ja der Apostel zur Genüge zu erkennen, daß wir mehr die Früchte der Menschwerdung und des Leidens Christi bemerken und uns zueignen als vorwitzig von der Herkunft seines Fleisches disputieren sollten, welche wir gleichwohl bekennen, insoweit uns die heilige Schrift davon Zeugnis gibt, und lassen uns mit demjenigen begnügen, was du von uns begehrt hast, daß Er ins Fleisch gekommen sei; wenn nur die Menschen damit zufrieden wären und uns nicht zwingen wollten, zu bekennen, daß Christus aus dem Wesen des Fleisches Maria hergekommen sei, was wir um deswillen nicht begreifen noch glauben können, weil das Wort Wesen in der heiligen Schrift nicht ausgedrückt wird. Darum schließt man daraus gegen uns, daß wir lehren, Christus sei kein wahrer Mensch, und überhaupt, daß wir unsere Seligkeit verleugnen, während man doch im Gegenteil schließen sollte, wie uns die Liebe lehrt, daß wir, wenn wir sagen, daß Christus so wahrhaftig das menschliche Fleisch an sich gehabt, als unser erster Vater Adam vor dem Falle hatte, wir auch zugleich bekennen, daß Er ein wahrer Mensch und unser Seligmacher sei, insbesondere, da wir solches mit ausdrücklichen Worten bekennen. Wolltest du hierauf sagen, daß du einen geringen oder gar keinen Unterschied zwischen eurem und unserm Glauben findest, als nur in dem Wörtlein Wesen des Weibes, und daß wir dasselbe um deswillen nicht halsstarrig verwerfen sollten, so antworten wir darauf, daß man uns dazu nicht mit Gewalt zwingen, sondern unsere Schwachheit in diesem Punkt ertragen sollte, weil wir in unserm Gewissen nicht anders überzeugt sind, und uns an Gott sehr versündigen würden, wenn wir gegen das Zeugnis unseres Gewissens reden würden.

Deshalb, wenn man uns dem Tode überantwortet (was wir doch von Ihrer königlichen Gnade nicht hoffen), so bezeugen wir vor Gott, daß wir nicht wegen dieses oder jenes Artikels (welchen, wenn man uns nur mit Gründen überzeugen könnte, wir von Herzen annehmen wollten), sondern um unsers Gewissens willen sterben, denn wenn wir gegen dasselbe handeln, und wenn wir auch gleich recht täten, so tun wir dessen ungeachtet übel, und geben Zeugnis wider uns selbst, wie du, nach deiner Gelehrheit, viel besser einsehen kannst, als wir schlichte und ungelehrte Leute.

Endlich, wir sind Menschen, und was noch mehr ist, ungelehrte Menschen, die wohl irren können; deshalb wollen wir uns allen denen, die uns mit der Schrift etwas Besseres beweisen können, zur Unterweisung unterwerfen; daß man uns aber dazu mit Feuer und Schwert zwingen will, dünkt uns vergeblich zu sein und gegen den Verstand zu streiten, denn es ist wohl möglich, daß man uns durch die Furcht vor dem Tode nötige, anders zu reden, als wir es verstehen, aber daß wir es anders verstehen sollten, als wir glauben, solches wisst ihr wohl, daß es unmöglich sei.

Diesem nach stellen uns diejenigen, die mit uns auf diese Weise handeln, eins von beiden vor Augen, entweder zeitlich oder ewig zu sterben; zeitlich, wenn wir bei demjenigen bleiben, was uns unser Gewissen bezeugt, daß es recht und die Wahrheit sei; ewig aber, wenn wir gegen unser Gewissen handeln und reden. Aber wir haben zur königlichen Gnade eine bessere Hoffnung, welche bisher noch nicht für gut befunden hat, wegen Religionssachen zu töten, indem sie wohl weiß, daß der wahre Glaube eine besondere Gabe Gottes sei, welche dem Menschen eingegossen wird, nicht durch Feuer und Schwert, sondern durch den Heiligen Geist und die Predigt des äußerlichen Wortes Gottes. Auch sollten wir wohl bedenken, daß wir zuvor alle Ketzer gewesen seien, die wir, wenn wir in solchem Stande gestorben wären, des Leibes und der Seelen Tod hätten leiden müssen. Aber wir wollen jetzt schließen und dir für die Mühe danken, die du unsertwegen hast unternehmen wollen; wir bitten dich, daß du das Beste in unsern Sachen (bei dem Rate, und insbesondere bei der königlichen Majestät) tun wollest, wie wir denn nicht bezweifeln, daß, wenn derselben unser Zustand wohl bekannt wäre, sie nach ihrer außerordentlichen Weisheit und gewohnten Gnade barmherzig mit uns handeln würde, da wir doch Ihrer Majestät alle Ehre und Gehorsam gern beweisen, und bitten, daß sie lange leben und glücklich regieren möge, Amen.

Unterschrieben war Gerrit von Byler, Hendrik Terwoort, Hans von Straten, Jan Pieterß, Christian Kemels.