Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.10

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2.10  Leonhard Kaiser, 1527.

Als die Gläubigen unter der Verfolgung und dem Kreuz sehr zunahmen, ist in Bayern ein gelehrter Messpfaffe gewesen, Leonhard Kaiser genannt, welcher Zwinglis und Luthers Schriften untersuchte, wie er denn selbst nach Württemberg gezogen ist und daselbst mit den Gelehrten Unterredung gepflogen, auch das Nachtmahl mit ihnen gehalten hat. Als er nach Bayern zurückgekehrt ist, hat er die Früchte und die Lehre sowohl der Taufgesinnten, als Zwinglis und Luthers in Überlegung genommen und sich unter das Kreuz zu der abgesonderten Kreuzeskirche der Taufgesinnten begeben und sich mit derselben im Jahre 1525 vereinigt, hat auch von der Zeit an sein Lehramt mit großer Kraft und mit großem Eifer und unerschrocken gegen alle Tyrannei, welche mit Ertränken, Verbrennen und Ermorden den Gläubigen drohte, fortgesetzt. Dieser Leonhard Kaiser wurde im zweiten Jahr seines Amts zu Scharding in Bayern gefangen genommen und von dem Bischof zu Passau, wie auch von andern Pfaffen und Domherren, auf den Freitag vor Laurentius, im August desselben Jahres zum Feuertod verurteilt. Sie banden ihn aber, als sie ihn zum Feuer hinausführten, auf einen Karren, zu dessen Seiten die Pfaffen gingen, welche Latein mit ihm redeten; er aber antwortete deutsch des Volkes wegen, wie sie denn auch vor Gericht mit ihm nicht deutsch sprechen wollten, obgleich er solches oft begehrte. Als er nun hinaus aufs Feld kam und sich dem Feuer näherte, hat er sich zur Seite des Karrens gebückt; mit seiner Hand, obgleich er gebunden gewesen, ein Blümlein ergriffen und zu dem Richter, der neben dem Karren zu Pferde ritt gesagt: Herr Richter, hier breche ich ein Blümlein ab, werdet ihr dieses Blümlein und mich verbrennen können, so habt ihr mich mit Recht zum Tode verurteilt; werdet ihr jedoch mich und das Blümlein in meiner Hand nicht verbrennen können, so erinnert euch daran, was ihr getan habt und tut Buße. Hierauf hat der Richter mit drei Schinderknechten viel Holz, mehr als sonst gewöhnlich ins Feuer geworfen, um ihn durch das große Feuer bald zu Asche zu verbrennen; als aber das Holz ganz verbrannt war, hat man seinen Leib unverbrannt aus dem Feuer genommen; hierauf haben die drei Scharfrichter mit ihren Knechten aufs neue Holz genommen und ein großes Feuer gemacht; als solches ausgebrannt war, war gleichwohl sein Leib vom Feuer nicht verzehrt, nur dass seine Haare versengt und seine Nägel etwas braun waren; als man seinen Leib unter der Asche hervorsuchte war er glatt und klar; desgleichen hat man das Blümlein geschlossen, unverwelkt und vom Feuer durchaus nicht verzehrt in seiner Hand gefunden. Hierauf haben die Scharfrichter seinen Leib in Stücke zerhauen und die Stücke in ein neues Feuer geworfen; als nun das Feuer abermals ausgebrannt war, lagen die Stücke gleichwohl noch unverbrannt im Feuer. Endlich haben sie die Stücke genommen und in einem Fluss, der Inn genannt, geworfen. Dieser Richter ist dadurch so erschreckt worden, dass er sein Amt niedergelegt hat und an einen andern Ort gezogen ist. Der erste Diener des Richters, welcher mit ihm war, auch dieses alles gehört und gesehen hatte, ist zu uns nach Mähren gekommen, unser Bruder geworden, und hat fromm gelebt, ist auch ebenso gestorben. Unsere Lehrer haben aus seinem Munde dieses zum Andenken aufgeschrieben und lassen es nun zu Gottes Ehre ausbreiten und bekannt machen.