Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.543

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2.543  Ein Brief von dem Schiffer Ydse Gaukes, den er im Gefängnisse zu Deventer an seinen Bruder und an seine Freunde, dem Geiste nach, geschrieben hat.

Gnade und Friede von Gott, unserem himmlischen Vater, wünsche ich allen meinen lieben Brüdern und Schwestern in dem Herrn, insbesondere dir, meinem Bruder nach dem Fleische, und deinem geliebten Weibe und meiner Schwester nach dem Geiste; ich wünsche euch den wahren bußfertigen Glauben, der durch die Liebe tätig ist.

Ferner, liebe Freunde, es sind unserer zwölf Brüder und Schwestern gefangen, es war auch ein Ankömmling dabei; wir Männer saßen wohl acht Tage beieinander; worauf die Weiber verhört wurden; diese verleugneten den Glauben, insbesondere deine Mutter und ihre Tochter. Hiernach wurde ich vor die Herren gebracht. Sie fragten mich nach meinem Namen, und wie lange ich schon getauft wäre. Ich erwiderte: Ungefähr vier Jahre, und setzte hinzu, wie wisst ihr, daß es geschehen sei? Darauf sagten sie: Wir können nicht zufrieden sein, es sei denn, daß du einen Eid tust. Nein, sagte ich, ich muss nicht schwören. Sie sagten: Man darf doch? Ich antwortete: Man darf nicht. Sie sagten: Wo steht es geschrieben? Ich entgegnete: Mt 5. Sie sagten, ich hätte nicht recht gelesen. Darauf sagte einer von ihnen zu mir: Welch ein Schäflein bist du? Welch ein Teufel bist du? Sie fragten darauf, wie viele Kinder meine Frau hätte. Ich antworte: Nur ein einziges, von ungefähr neun Wochen. Da fragten sie ferner: Wie viel habt ihr gehabt? Ich sagte: Sechs. Und ist keins getauft worden?, fragten sie. Ich erwiderte: Das ist wahr, meine Herren. Darauf fragten sie mich nach dem Manne, der mich getauft hatte. Ich sagte, er sei gestorben. Sie fragten, wer mich denn so verführt hätte. Ich sagte: Mein früheres Leben, und weil mir Gott solches offenbart hat. Solches schrieben sie nieder, und daß wir Gottes Geist verachtet hätten. Wie es mir vorkam, hatten sie alle Fragen aufgeschrieben; auch sagte ich ihnen, es dünkt mich, daß ihr wohl wisst, warum ihr mich fragt. Wir wissen es nicht, sagten sie. Da kam es mir vor, daß sie mehr niedergeschrieben, als ich bekannt hatte; darum sagte ich, daß sie nicht mehr schreiben sollten, als ich bekannt hätte. Wir tun es nicht, sagten sie, und lasen es mir noch einmal vor, womit ich zufrieden war. Darauf fragten sie mich nach meinem Vater, nach meiner Mutter und Schwester, und wie viel Brüder ich hätte. Ich antwortete: Zwei. Sie fragten auch nach ihren Namen. Ich erwiderte: Pieter ist der Jüngste, und Simon. Wo wohnt er?, fragten sie. Ich sagte ihnen: Das ist einer von eurer Religion. Es ist nicht wahr, sagten sie. Ich erwiderte: Es ist wahr; ich entschuldigte sie auch alle und sagte, sie wären nicht so ungeschickt. Darauf bat ich sie, daß sie keine Unschuldigen antasten wollten. Sie sagten: So hat denn die Frau gelogen; wir müssen sie heraufbringen lassen. Da sagte ich: Meine Herren, ich habe nicht gesagt, daß ich nicht mehr Geschwister hätte. Sie fragten darauf: Hast du denn mehr? Ich sagte: Einen Bruder. Da fragten sie mich scharf, ob ich keinen mehr hätte. Ich antwortete: Nein. Darauf wollten sie seinen Namen wissen; denselben nannte ich ihnen. Sie fragten mich, ob er getauft wäre. Ich sagte, sie sollten ihn selbst fragen. Da sagten sie: Du kannst vor Gericht nicht reden, wie willst du denn vor Gott reden? Wir wollen dich es wohl sagen machen. Ich erwiderte: Der Leib ist übergeben. Da ließen sie mich abtreten, und brachten die Männer herauf, einen nach dem andern, welche den Glauben alle frei bekannten. Hierauf wurden wir wieder zusammengesetzt, und freuten uns sehr, daß wir wieder beieinander sein konnten, was jedoch nur einige Tage dauerte. Darauf wurde Anthonis gefoltert, und er hielt sich damals tapfer; nachher brachten sie mich zum Verhöre, und fragten, ob ich diejenigen nennen wollte, die ich kenne. Ich sagte: Nein. Sie sagten: Wir wollen es dich wohl sagen machen; wenn du aber Gnade begehrst, so wollen wir sie dir geben, wie wir der Tochter in der Norenburger Straße getan haben. Dieselbe hieß Mariken Baekers, und sagte wie Petrus, daß sie den Mann nicht kenne; solches wollte ich nicht tun. Es stand aber Meister Pouwels dabei, und sie fragten mich: Kennst du diesen Mann wohl? Ich habe ihn gestern gesehen, sagte ich. Darauf sagte der Commissarius: Nimm ihn, Meister Pouwels, worauf ich mich dem Stricke näherte. Der Scharfrichter bat mich sehr und sagte: Du bist noch ein junger Mann. Hiernächst zog ich meine Überkleider aus, und mein Hemd wurde mir um den Leib festgebunden; dann ließen sie mich nackend stehen, bis der Capitain und der Musterherr kamen; meine Hände waren mir auf den Rücken gebunden.

Hiernächst wandten sie mich auf, ungefähr einen Fuß hoch über die Erde, und ließen mich so hängen; (ich hatte aber große Pein) ich gedachte zwar meinen Mund zu halten, aber ich schrie dreimal; dann schwieg ich still. Sie sagten: Das ist nur Kinderspiel, und als sie mich wieder herunterließen, setzten sie mich in einen Stuhl; fragten mich aber nicht, und redeten auch nichts zu mir. Sodann legten sie mir eine eiserne Stange mit zwei Fesseln an die Füße, an die Stange aber banden sie drei Stück Geschütz. Als sie mich wieder aufbanden, wollte ein Spanier mich mit einer goldenen Kette ins Gesicht schlagen, aber er konnte es nicht. Während ich nun so hing, arbeitete ich sehr und zog den einen Fuß durch die Fessel; da hing alles Gewicht an dem einen Beine. Sie hätten es gern wieder gebunden; aber ich befreite den einen Fuß mit Gewalt, worüber sie alle lachten; ich aber hatte große Pein.

Hierauf setzten sie mich in einen Stuhl und ich nannte einige Personen, von welchen ich glaubte, daß sie ihnen schon bekannt wären, denn sie wussten mir mehrere zu nennen. Von Claes Opreyder habe ich keine Gewissheit, der eine sagt dies, der andere das; ich hoffe durch des Herrn Gnade meinen Leib hinzugeben; durch des Herrn Gnade sage ich. Mein Gemüt ist noch unverändert; ich bitte den Herrn Tag und Nacht, daß er mir Stärke verleihen wollte; bittet den Herrn auch herzlich für mich, denn das Gebet der Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist.

Nachher hat mir meine Frau durch die Mönche, die sie oft zu mir sandte, großen Streit veranlasst; aber Gott hat mir geholfen. Darauf wurde ich vor den Bischof und Pastor geführt, welche viel mit mir redeten, daß ich mehr glauben müsste, als im Evangelium steht, denn (sagten sie) woher weißt du es, daß ich ein Mensch bin? Ich erwiderte: Wie sollte ich das nicht wissen? Sie sagten aber: Wo steht das geschrieben, und in welchem Kapitel? Auch fragten sie, wie ich wüsste, daß sie meine Frau wäre, und machten noch mehr dergleichen Worte, aber sie fragten nur wenig aus der Schrift.

Darauf ging ich wieder nach meinem Schlosse, wo ich wieder eingesperrt wurde. Meine Mutter war auch einmal bei mir; mich jammerte das Weib sehr. Ich sagte: Gott würde sie wohl trösten; darauf sagten sie, es wäre der letzte Tag der Gnade. An eben demselben Tage hielt der Bischof den Abgefallenen eine Ermahnung; da kam der Vorsteher der Franziskaner und sagte: Ich komme um euretwegen herunter; es wäre der letzte Tag der Gnade (aber Gottes Gnade steht allezeit offen). Nachher, als die Ermahnung zu Ende war, holten sie mich herauf; ich fand hier meine Frau; sie weinte bitterlich; aber ich sagte: Man muss Gott nicht verlassen. Du sollst Gott nicht verlassen, sagte der Bischof, und sie weinte sehr. Als ich aber mein Herz zu Gott wandte, dachte ich, es würde zu lange währen, nach dieser Zeit zu leiden. Auch ist Katelyntgen sehr gepeinigt worden; man zog sie aus und hing ihr zwei Eisen an die Beine. Darauf kam der Scharfrichter und sagte: Die Frau würde nicht ein Wort geredet haben, wenn man ihr auch ein Glied nach dem andern gezogen hätte. Das war mir eine Freude zu hören. Auch ist Tryntgen durch Trost, Verheißungen und Bedrohungen sehr angefochten worden; sie verglichen dieselbe mit einem Hunde; ein solcher wäre besser als sie. Der Herr hat ihr geholfen; aber (zur Warnung) sie war nicht vorsichtig genug im Reden, denn als der Pastor von dem Alten Testamente redete, wollte sie nichts davon hören; das war unverständig geredet, aber bei dem Neuen Testamente wollte sie bleiben. Das hat mir Gysbert gesagt; derselbe sagt auch, daß er keine Schuld an uns hätte, denn man hat ihm wohl hundert Namen unserer Mitgenossen aus verschiedenen Ortschaften vorgelesen; von ihm habe ich diese Gerätschaft zum Schreiben erlangt. Liebe Brüder, habt doch Aufsicht auf meine armen Waisen. Die Furcht des Herrn wünsche ich allen Gottesfürchtigen. Geschrieben mit großer Angst und Bangigkeit. Seid dem Herrn befohlen und gebt gute Achtung auf euch selbst.

Geschrieben von mir, Ydse Gaukes, eurem lieben Bruder, aus dem Gefängnisse, den 20. Tag unserer Gefangenschaft.