Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.535

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2.535  Ein Brief von Hendrik Verstralen, geschrieben an seine Brüder und Schwestern.

Unsern herzlich geliebten Brüdern und Schwestern, die ihr in gleichem Glauben mit uns steht in dem Herrn und aus Babel gegangen seid, damit ihr nicht mehr anrührt, was unrein ist, oder mit den Ungläubigen an einem Joche zieht, sondern nach Jerusalem zur Gemeinde des lebendigen Gottes gekommen seid, damit ihr daselbst dem Herrn, eurem Gott, dient, wozu eurer noch einige gespart sind, wie der Prophet Jeremia sagt, damit sie getauft werden, wünschen wir Gefangene und Gebundene in dem Herrn um der ewigen Wahrheit willen, H. V. und N. D., euer schwächster B. und S. in dem Herrn, viel Trost, Freude und Wonne in eurer aller Herzen von Gott, unserm himmlischen Vater, und das durch Jesum Christum, seinen ewigen und eingeborenen Sohn voller Gnade und Wahrheit, als durch unsern Hohepriester und Gnadenthron, der sich selbst Gott, seinem Vater, für uns am Kreuze aufgeopfert hat, damit er uns durch seinen Tod des Kreuzes zu dem ewigen Leben zubereiten möge. Durch dieses unschuldige und unbefleckte Lämmlein, das unsere Sünden hinweggenommen hat, beugen wir Tag und Nacht die Knie unserer Herzen vor Gott unserem himmlischen Vater, daß er seinen Frieden bei euch ausbreiten wolle, wie einen Wasserfluss, und euch stärke, meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, mit seinem Heiligen Geiste, damit an dem inwendigen Menschen ihr gestärkt werden, und die Einigkeit im Geiste durch das Band des Friedens und der Liebe erhalten mögt, damit wir, meine lieben Brüder und Schwestern, die wir durch das edle und teure Blut unseres Herrn Jesu Christi erkauft und erlöst sind, sämtlich dem Herrn dienen mögen, in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die vor ihm gefällig ist, solange wir in dieser Hütte sind, Amen.

O du Heerlager des Herrn! Du Stadt des lebendigen Gottes! Der Herr wolle dir auf deine Mauern Wächter stellen, die weder Tag noch Nacht schweigen; deine Lehrer müssen (wie David sagt) mit viel Segen geschmückt werden, und einen Sieg nach dem andern erhalten, damit des Herrn Weinberg gepflanzt werden möge und du, Jerusalem, auferbaut werden mögest, du Tempel des Herrn, wiewohl in kümmerlicher Zeit. Ein jeder gürte sein Schwert an seine Seite, mit der einen Hand zimmere er, und mit der andern halte er den Spieß, damit die Feinde, die unsere Arbeit verhindern wollen, zurückgetrieben werden mögen, damit Zion allein zubereitet dargestellt werden möge. Ach, meine lieben Brüder und Schwestern, dieses wünschen wir euch von Gott, daß ihr in einander aufgebaut werden mögt, zu einem geistigen Hause und zur Wohnstätte Gottes, daß Gottes Gesetz in aller Herz geschrieben und sein Gebot in eurem Sinne sein möge, und er euch bewahre, die ihr Gottes Söhne und Töchter bleibt, worunter Gott wohnen und wandeln will, damit ihr nimmermehr anrührt, was unrein ist, sondern euch in allen Dingen als Diener Gottes beweist, damit der Name des Herrn gepriesen werde, vom Aufgange der Sonne bis zum Niedergang. Ach Brüder und Schwestern, daß doch euer Licht wie ein Morgenstern aufgehen möchte, und ihr das königliche Priestertum, das heilige Volk des Eigentums bleiben mögt, damit ihr, liebe Brüder und Schwestern, an allen Orten heilige Hände zu Gott aufheben und ihm die Frucht der Lippen und geistige Opfer opfern mögt, damit die Schale des Herrn voll Rauchwerk werde, von den Gebeten der Heiligen. O du Braut des Lammes, die du aus Liebe zu deinem Bräutigam Christo bis zum Tode eifern, die Früchte der Gerechtigkeit mit vielen Schmerzen gebären und von seiner Liebe krank liegen musst! Der Herr, unser Gott, lege doch seine linke Hand unter dein Haupt, und mit seiner rechten Hand müsse er dich herzen, du wiedergeborene Eva von Christo, deinem Manne, durch den unvergänglichen Samen des lebendigen Wortes Gottes, die aus dem väterlichen Herzen gezeugt ist. O du schöne Tochter des allmächtigen Vaters, die seinem Sohne Jesu, dem Herrn selbst vom Himmel, nun vorgestellt ist, und durch den Glauben von ihm das ewige Leben empfangen soll; der ewige allmächtige Vater gieße seinen Segen durch die Kraft des Heiligen Geistes reichlich in dich aus, und mache dich fruchtbar zu allen guten Werken geschickt, damit du seinem Sohne Jesu viele Söhne und Töchter erzeugen mögest, und seine Weinkelter durch die Zahl seiner Heiligen bald voll werden möge, und du also desto eher den Untergang unserer unzähligen Feinde sehen mögest, welche unsern Rücken gebeugt haben, und über uns wie über eine Straße laufen und uns Böses für Gutes einschenken, weil sie nicht mit uns bauen an dem geistigen Hause des Herrn, denn sie sind unbeschnitten am Herzen und fleischlich gesinnt. Wider diese unsere Feinde wolle uns und euch, meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, Gott die Waffen der Gerechtigkeit anziehen, daß wir mit dem Evangelium des Friedens gestiefelt, an unsern Lenden aber mit der Wahrheit umgürtet sein mögen und allezeit das zweischneidige Schwert des Geistes an der Seite haben, und so unsern Helm der Seligkeit durch den Schild des Glaubens, und das Päcklein der Liebe bewahren, und also unserem Herzoge des Glaubens als christliche Ritter nachfolgen, die unverzagt des Herrn Krieg führen, unter dem blutigen Fähnlein Christi, damit wir und alle unsere lieben Brüder und Schwestern durch Gottes Gnade den Sieg des keuschen Kampfes und des gottseligen Streites erhalten und so die Krone des ewigen Lebens erlangen mögen, Amen.

Wir Gefangene in dem Herrn und Gebundenen um der ewigen Wahrheit und des Zeugnisses Jesu willen, Maeyken Deynoots und Hendrik Verstralen grüßen hiermit alle unsere Brüder und Schwestern in dem Herrn, und senden euch dieses wenige Schreiben aus dem innersten Grunde unserer Herzen zu unserem letzten Abschiede, und nehmen hiermit einen freundlichen Urlaub von allen lieben Brüdern und Schwestern, insbesondere von euch, die ihr uns bekannt seid, und uns in unserer Trübsal durch eure tröstliche Ermahnung viel Gutes bewiesen habt, während wir um der ewigen Wahrheit willen gefangen liegen. Endlich bitten wir noch einmal alle, die unsern Brief sehen oder lesen hören werden, ehe wir aus dem Fleische sind, daß ihr uns doch helfen wolltet, herzlich zum Herrn bitten, daß wir bis in den Tod überwinden mögen, zum Lobe und Preise des großmächtigen Gottes, zu unserm Heile und eurem Ruhme auf den Tag Christi, Gute Nacht, alle meine lieben Brüder und Schwester. Gute Nacht alle, die den Herrn und seine Zukunft lieben. Gute Nacht H. P. H. von R. und D. P. und Adam nebst seinem Weibe und B. P. und S. und I. von H., unseren treuen Nothelfern. Gute Nacht R. und L. B. und M. S. und G. nebst ihrer Schwester Janneken. Liebe Freunde, lasst es euch zu Herzen gehen, daß ihr für uns zu Gott bittet, denn wir bitten euch darum mit Tränen. H. von R., ich bitte dich, grüße mir doch sehr mit dem Frieden des Herrn L. von C, zum Abschiede, wie auch eure Magd, euren Freund C. und alle meine lieben Brüder. Ach, wollte Gott, daß die beiden Abrahams, ein jeder von seiner Rippe, eine Sarah machen möchten, das wäre meines Herzens Wunsch; sagt ihnen auch gute Nacht, Grietjen und Judith; gute Nacht T. von S. und L., dein Weib, unsere L. S. G., euch darf ich ohne Scheu nennen, mein lieber Bruder; gute Nacht, mein lieber Freund; ich hoffe noch, euch zu bedenken, wenn es möglich ist. Haltet euch tapfer. Geschrieben auf Georgentag 1571.