Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.29

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2.29  Georg Blaurock und Hans von der Reve, 1529.

Um diese Zeit, im Jahre 1529, ist Georg von dem Hause Jacobs, mit dem Zunamen Blaurock, nachdem er ungefähr zwei oder drei Jahre in der Schweiz und insbesondere in der Grafschaft Tyrol, wohin er selbst gereist ist, die Lehre der Wahrheit ausgebreitet und verkündigt hatte, damit er nämlich mit dem Pfunde wuchern und mit seinem Eifer für das Haus Gottes eine Ursache des Heils sein möchte, nebst seinen Mitgesellen zu Gusodaum gefangen genommen, um des Glaubens willen zum Tode verurteilt und nicht weit von Clausen lebendig verbrannt worden und zwar wegen nachfolgender Artikel: Weil er sein Priesteramt und seinen Stand, den er zuvor im Papsttume bediente, verlassen hatte; weil er nichts von der Kindertaufe hielt und den Leuten eine neue Taufe predigte; weil er die Messe oder Beichte verworfen, wie sie von den Pfaffen eingesetzt worden ist; weil er dafür halte, dass wir die Mutter Christi nicht anrufen oder anbeten müssen. Wegen dieser Ursachen ist er hingerichtet worden und hat, wie einem Ritter und Glaubenshelden gebührt, Leib und Leben dafür gelassen. Als er auf dem Richtplatze war, hat er ernstlich zum Volke geredet und sie zur Schrift angewiesen.

Nachdem nun die Liebe zur Wahrheit aufgegangen ist, so dass dieselbe unter den Menschen zu brennen angefangen und das Feuer Gottes sich entzündet hat, so sind in der Grafschaft Tyrol um des Zeugnisses der Wahrheit willen viele getötet und umgebracht worden, insbesondere in den nachfolgenden Plätzen: In dem Gusodaumer Gerichte, zu Clausen, Brixen, Sterling, Baltzen, Neumark, Katren, Terlen, in Gundersweg; desgleichen in dem Inntale zu Imbs, zu Petersburg, zu Steyen im Spruktal, Schwatz, Rotenburg, Kufstein und Kitzpichel; in diesen Plätzen hat eine große Menge der Gläubigen mit ihrem Blute die Wahrheit standhaft durch das Feuer, Wasser und Schwert bezeugt; dadurch hat sowohl das Volk Gottes als auch die Verfolgung täglich zugenommen. Einer ihrer Vorsteher und Lehrer in der Grafschaft Tyrol wurde Jakob Hueter genannt, welcher sich nicht lange darauf samt den Seinen mit der Gemeinde, die in Mähren versammelt war, vereinigt hat. Nachdem nun diejenigen, welche sich zu dem Jakob Hueter hielten, mit ihm aus der Grafschaft Tyrol nach Mähren zogen, wozu sie teilweise durch die große Verfolgung gezwungen und genötigt worden sind, so hat die Verfolgung und Tyrannei in der Grafschaft Tyrol sich täglich sehr vermehrt, weshalb die Frommen wenig Sicherheit hatten und viele von ihnen gefangen genommen und um des Glaubens willen auf allerlei Weise genötigt wurden, wozu denn die Pfaffen von dem Predigtstuhle mit großem Grimme gewaltigen Lärm schlugen und darauf bestanden, dass man solle zusehen, sie auszukundschaften und sie mit Feuer und Schwert zu vertilgen; auch hat man einige Male denjenigen viel Geld angeboten und verheißen, der sie angeben würde, wodurch sie zu Zeiten aufgefunden worden sind; man hat sie überall aufgesucht, in den Gebüschen und Häusern, welche im Verdacht waren, in allen Plätzen, auch innerhalb der verschlossenen Zaune; diese musste man öffnen oder sie brachen sie auf und durchsuchten die innere Fläche. Es war unter ihnen auch ein Judaskind, namens Prabeger, der sich einer Schalkheit bediente und dadurch viel zu erlangen glaubte; dieser lief zur Obrigkeit und verriet sie alle, brachte auch die Häscher und die Pilatuskinder mit Schwertern, Spießen und Stangen mit sich; vor denselben ging er her, wie Judas, der Verräter. Auf solche Weise haben sie viele gefangen, andere aber zerstreut und verjagt. Nicht lange darauf, als sie sich wieder versammelten, hat sich auch wieder ein Ischariot hervorgetan, namens Georg Früder, der zu den Pfaffen lief und sagte, wenn sie ihm Lohn geben wollten, so wolle er hingehen und es sollte sich niemand von den Brüdern vor ihm verbergen können. Hierauf haben ihm die Pfaffen, das Geschlecht der Pharisäer und Schriftgelehrten, Geld und guten Lohn und außerdem noch einen Brief gegeben, womit dieser Schalk ausgegangen ist, sich aufs Höchste verstellt und sein Gaukelwerk getrieben hat; er ging hin und wieder zu den Leuten, von welchen er dachte, dass sie davon Wissenschaft hätten, fragte überall im Pöstertale, wo die Brüder wären und wo er sie finden möchte, man sollte ihm doch dazu verhelfen; solches hat dieser Schalk unter vielen Tränen begehrt, unter dem Vorwande, dass er keine Ruhe hätte, bis er bei ihnen wäre; auf solche Weise hat er sie betrogen und ist endlich zu ihnen gekommen; er stellte sich vor ihnen ganz traurig, demütig und gütig an, wie einer, der Buße sucht und sich auf einen andern Weg begeben will; dann aber sprach er in großer Eile: Meine Brüder, wartet ein wenig, so will ich nachhause gehen und mein Weib und meine Kinder herholen. Der Diener hatte viel Überlegung und sagte zu ihm: Wenn du im Herzen falsch bist und etwas Arges im Sinne hast, so wird dich Gott gewiss darum Heimsuchen und du wirst sein Gericht schnell auf dich laden. Er aber sagte: O nein, davor behüte mich Gott! Kommt mit mir in mein Haus. Damit ging er fort und lief zum Richter, zu den Pfaffen und zu der Obrigkeit; dieselben kamen mit Gewalt, mit Schwertern und Stangen, und nahmen die Brüder und Schwestern gefangen.

Dergleichen Schalke taten sich noch mehr hervor; insbesondere einer, welcher Peter Lantz hieß; desgleichen ein anderer mit Namen Pranger; einige gingen in der Nacht mit vieler Schalkheit umher, stellten sich ebenso an und kamen zu den Plätzen und Häusern, worin sie jemanden zu finden hofften; aber Gott hat ihnen ihren verdienten Lohn gegeben, so dass sie wünschten, dass sie nicht geboren worden wären.

Außer dem erwähnten Georg Blaurock ist noch einer gewesen, namens Hans von der Reve, welcher mit zu denen gehörte, welche die Wahrheit des heiligen Evangeliums mit Ernst angenommen und die christliche Gemeinde zu der Zeit haben stiften und bauen helfen, als die Wahrheit durch das Papsttum und andere Irrtümer lange verfinstert gewesen ist. Nachdem sie nun ihr Lehramt eine Zeitlang treulich bedient, viele Menschen erbaut und unterwiesen und dadurch ihr Pfund mit Wucher auf Gewinn gelegt hatten, so sind sie endlich von der missgünstigen und neidischen Kainsart gefangen genommen und zu Clausen in Tyrol im Jahre unsers Herrn 1529 verbrannt worden.

Um nun zu bezeugen, dass sie in allem diesem sich in Gott erfreut und auch ihrer Brüder Trost und Stärkung gesucht haben, so haben sie das Nachfolgende ihnen zum Andenken hinterlassen:

Herr Gott! Dich will ich loben von nun an bis an mein Ende, weil du mir den Glauben gegeben hast, durch welchen ich dich kennen gelernt habe. Du sendest dein göttliches Wort zu mir, welches ich aus lauter Gnade merken und spüren kann. Von dir, o Gott, habe ich dasselbe empfangen, wie du weißt; ich hoffe gewiss, es wird nicht leer wieder zu dir zurück kehren. O Herr, stärke hierzu mein Gemüt, dass ich deinen Willen erkenne, dessen ich mich von Herzen erfreue. Wärest du mir, o Gott mit dem Worte deiner göttlichen Gnade nicht erschienen, als ich die schwere Last der Sünden gewahrte, welche mich sehr ängstigte, so hätte ich unterliegen und ewige Pein leiden müssen. Darum will ich deinen herrlichen Namen ewig hochloben und rühmen, weil du dich stets als einen barmherzigen, lieben Vater erweisest. Verstoße mich doch nicht, sondern nimm mich als dein Kind an. Darum schreie ich zu dir, hilf doch, o Vater, dass ich dein Kind und Erbe sein möge. O Herr, stärke meinen Glauben, sonst wird mein Gebäude, wenn mir deine Hilfe nicht beisteht, bald umfallen; vergiss mein nicht, o Herr, sondern sei immer bei mir; dein Heiliger Geist beschütze und lehre mich, dass ich in allen meinen Leiden stets deinen Trost empfangen und in diesem Streite ritterlich kämpfen möge, bis ich den Sieg erhalten haben werde. Der Feind hält mit mir eine Schlacht in dem Felde, worin ich nun liege; er hätte mich gern aus dem Felde verjagt; aber du, Herr, hast mir den Sieg gegeben. Er ist mit scharfem Geschütz auf mich eingedrungen, so dass mir alle meine Glieder vor der falschen Lehre und ihrem Zwange bebten. Aber du, o Herr, erbarme dich meiner und hilf mir armen Menschen, deinem Sohne, mit deiner Gnade und kräftigen Hand, damit ich überwinde. O Gott! Wie bald hast du mich erhört, wie bist du mit deiner Hilfe geeilt und hast meine Feinde zurückgeschlagen! Darum will ich zum Lobe deines Namens, in meinem Herzen singen und die Gnade, die mir widerfahren ist, ewig ausbreiten. Ich bitte dich nun, Vater, für alle deine Kinder; bewahre uns sämtlich in Ewigkeit vor allen Feinden unsrer Seelen; auf das Fleisch will ich nicht bauen, denn dasselbe vergeht und hat keinen Bestand, aber auf dein Wort will ich fest vertrauen, das sei mein Trost, darauf ich mich verlasse, das wird mir aus allen meinen Nöten zur ewigen Ruhe helfen. Die Stunden des letzten Tages, wo wir das Leben lassen müssen, ist nun sehr nahe. Lieber Herr! Hilf uns doch das Kreuz bis auf den Platz zu tragen und kehre dich zu uns mit aller Gnade, damit wir unsern Geist in deine Hände befehlen mögen. Ich bitte dich, o Herr, herzlich für alle unsere Feinde, wie viele derer auch sind; Herr, rechne ihnen ihre Sünde nicht zu; dieses bitte ich dich nach deinem Willen und so wollen wir (ich, Georg Blaurock und Hans von der Reve) im Frieden hinscheiden; der gute Gott wolle uns durch seine Gnade bis in sein ewiges Reich geleiten; gleichwie wir ihm auch fest vertrauen, dass er solches tun und sein heiliges Werk in uns vollenden und mit seiner Kraft bis ans Ende uns beistehen werde, Amen.

Dies ist auch augenscheinlich geschehen, denn diese beiden sind standhaft und unerschrocken um der Wahrheit willen gestorben und verbrannt worden.