Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 3.57

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3.57  Auszug aus dem zweiten Brief von Obersültzen, den 23. Mai 1671.

Die Verfolgung unserer Freunde hält noch immer stark an, weshalb wir uns wundern, daß sie sich nicht mehr beeilen, aus dem Lande zu ziehen. Bisweilen kommt wohl der eine oder andere ganz ärmlich hierher, die meisten aber halten sich noch oberhalb Straßburg im Elsaß auf. Einige gehen in den Wald, um Holz zu spalten, andere arbeiten in der Nähe des Gebirges in den Weingärten, wie mich dünkt, in der Hoffnung, daß es mit der Zeit wieder still werden möchte, daß sie wieder zu ihren verlassenen Wohnplätzen zurückkehren könnten, aber ich fürchte, es werde sobald nicht vorübergehen und daß sie in ihrer Hoffnung bitter werden betrogen werden.

Die Obrigkeit zu Bern hat sechs von den Gefangenen, worunter ein Mann war, der neun Kinder hatte, an eine Kette schließen lassen und sie auf das Meer verkauft, um als Sklaven auf den Galeeren zwischen Mailand und Malta gebraucht zu werden; was sie aber mit den anderen Gefangenen vorhaben, kann man so eigentlich nicht wissen. Einer von den Gefangenen, welcher ein alter Mann von achtzig Jahren war, ist im Gefängnis gestorben. Der Herr wolle sie in ihrer Trübsal trösten und in ihrer Schwachheit stärken, damit sie das Kreuz mit Geduld ertragen und treulich für die Wahrheit des Evangeliums bis ans Ende streiten und dadurch endlich die verheißene Seligkeit und Krone des Lebens davon tragen mögen, Amen.