Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.301

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2.301  Der erste Brief von Lorenz von der Leyen.

Gnade und Friede allen Brüdern, die zu Emden wohnen, insbesondere meinen beiden Brüdern, und Tonüntgen, Leevens Weib. Der Herr Jesus Christus wolle euch und uns alle kräftig machen durch seinen göttlichen Geist, Amen.

Ich, Lorenz von der Leyen, um des Zeugnisses Jesu Christi willen den 21. Mai gefangen genommen, habe den 22. Tag meinen Glauben vor den Promoteur, Meister Claes, bekannt; er kam allein, in der Hoffnung, ich würde reden, wie er es gerne hätte; aber der Herr hat meinen Mund bewahrt. Als ich gefragt wurde, vor wem ich zu Ostern in die Beichte gegangen sei und das Sakrament empfangen hätte, erwiderte ich: Vor Herrn Lieven Biestman; aber nicht letztvergangene Ostern, denn er ist schon zwei bis drei Jahre tot. Ich wurde weiter gefragt: Glaubst du nicht, daß Gott im Fleische und Blute im Sakrament sei? Darauf antwortete ich: Nein. Für was hältst du denn das Sakrament? Ich antwortete: Für einen Götzen. Dann wurde ich gefragt, ob ich nicht an die römische Kirche glaubte, von welcher der Papst das Haupt ist. Ich sagte: Nein, denn ich habe einen Ekel an der römischen Kirche, weil sie der Wahrheit ganz zuwider ist; aber ich glaube an die apostolische Kirche, deren Haupt Christus ist. Was hältst du von der Kindertaufe? Dieselbe achte ich für unwert und für einen üblen Gebrauch, denn ich sage meiner ersten Taufe ab. So bist du also nicht getauft? Ich antwortete: Nein. Ist die Taufe denn nicht notwendig? Ich sagte: Ja, sie ist notwendig zur Vollkommenheit.

Warum bist du denn nicht getauft? Ich sagte: Ich war noch nicht gut genug. Da sagte er: Warum? Weil ich noch zu sehr in der Welt verwickelt war, denn ich war und bin noch viel schuldig; darum dachte ich, wenn ich gefangen würde, so würden die Leute sagen, daß ich ein Betrüger wäre, und würden sich viel daran ärgern; aus diesem Grunde habe ich die Taufe noch nicht empfangen, aber ich halte sie für recht und gut, will auch darin leben und sterben; und obgleich es noch nicht geschehen ist, so wird mich doch der Herr durch seine Barmherzigkeit und durch sein Leiden und teures Blut selig machen, denn ich glaube alles, was ein Christenmensch zu glauben schuldig ist; dabei will ich auch bleiben, ihr könnt mit mir tun, was euch wohlgefällt, denn ich bin in eurer Gewalt.

Darauf wurde ich gefragt, was ich von der Menschwerdung glaubte, ob ich nicht glaubte, daß Christus von dem Fleische und Blute Maria gekommen wäre. Ich erwiderte: Ich glaube, was hiervon die Schrift bezeugt, Joh 1 und Lk 1. Solches erzählte ich ausführlich, wobei es auch blieb; ich musste es selbst aufzeichnen; das war der härteste Sturm, er dauerte wohl zwei oder drei Stunden.

Den 24. Tag im Mai kam der Diakon von Ronsen mit noch zwei anderen; er setzte mir mit vielen schönen Worten zu, und sagte: Lorenz, du musst dich unterrichten lassen; du darfst dich nicht auf einige ungelehrte Leute verlassen, welche dreißig oder vierzig Jahre dem Hosenstricken obgelegen haben. Ich erwiderte: Was, meinst du, daß ich mich auf Menschen verlasse? Verflucht ist, sagt die Schrift, der sich auf Menschen verlässt; ich setze meine Hoffnung allein auf Gott und auf sein lebendiges Wort; dabei will ich bleiben, solange mir Gott das Leben gönnt. Sie wollten mir mit vielen Worten beweisen, daß Gott im Sakramente sei, wiewohl ich es nicht glauben wollte; mit diesen Worten schieden wir voneinander, als wir wohl zwei Stunden beieinander gewesen waren.

Geschrieben in Eile von mir, Lorenz von der Leyen, den 25. Mai im Jahre 1559.