Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.101

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2.101  Maria von Beckum und Ursel, ihres Bruders Weib, im Jahre 1544.

In diesem Jahre 1544 war eine Schwester im Herrn, Maria von Beckum genannt, welche um ihres Glaubens willen von ihrer Mutter aus dem Hause getrieben wurde; als dies im Stifte Utrecht ruchbar geworden und dem Statthalter gemeldet wurde, hat derselbe Goosen von Raesfeld mit vielen Dienern ausgesandt, um die Jungfrau bei ihrem Bruder Jan von Beckum, wohin sie geflüchtet war, zu fangen; hier musste sie aus dem Bette aufstehen und mit ihnen gehen; als sie aber einen großen Haufen Volkes sah, welcher um ihretwillen gekommen war, fragte sie ihres Bruder Weib Ursel, ob sie mitreisen und ihr Gesellschaft leisten wollte, worauf dieselbe antwortete, wenn Jan von Beckum damit zufrieden ist, so will ich gerne mit dir gehen, und wir wollen uns gemeinschaftlich in dem Herrn erfreuen. Als nun Maria solches von ihrem Bruder begehrte, war er damit wohl zufrieden, und Ursel zog deshalb mit ihr; hier war die Liebe stärker als der Tod und fester als die Hölle. Ihre Mutter und Schwester waren aus Friesland zu ihr gekommen; solches aber konnte sie keineswegs bewegen; sie hat von denselben Abschied genommen und ist mit ihrer Schwester Maria fortgezogen, weil sie lieber Ungemach leiden, als der Welt Freude haben wollte. Sie wurden zusammen nach Deventer geführt; hier kamen die blinden Leiter zu ihnen, die sie mit List zu ihren Menschensatzungen zu überreden suchten; sie aber antwortete: Wir halten uns an Gottes Wort und achten weder des Papstes Satzungen noch die Irrtümer der ganzen Welt; Bruder Grouwel wollte sie auch viel lehren, er konnte aber seine Sachen mit der Schrift nicht beweisen; als er sie nun nicht überwinden konnte, sprach er: Der Teufel redet aus eurem Munde, weg, weg, zum Feuer damit. Sie haben sich aufs Höchste gefreut, dass sie würdig wären, um Christi Namen willen zu leiden und seine Schmach tragen zu helfen; dann hat man sie auf das Haus zu Delden gebracht, wo man, wiewohl umsonst, viel Mühe angewandt hat, sie zum Abfalle zu bringen. Es kam von dem Burgundischen Hofe ein Verordneter, welcher die Messe, sowie die Satzungen des Papstes, trefflich herausstrich, aber er konnte den von ihnen angeführten Schriftstellen nichts abgewinnen. Hierauf hat er sie gefragt, ob sie wiedergetauft wären, worauf sie antworteten: »Wir sind einmal nach dem Befehle Christi getauft, wie er geboten hat, und die Apostel getan haben; denn es ist nur eine rechte Taufe; wer dieselbe empfängt, hat Christo angezogen und führt ein unsträfliches Leben durch den Heiligen Geist im Bunde eines guten Gewissens.« Er fragte auch, ob sie glaubten, dass Christus ganz im Sakramente sei, welches sie für eine blinde Frage hielten und sagten: »Gott will weder Gleichnis noch Bildnis haben, weder im Himmel noch auf Erden; denn Er sagt durch die Propheten: Ich bin der Herr, und außer mir ist kein Heiland. Von dem Abendmahle aber finden wir, dass es Christus zum Gedächtnisse seines Todes mit Brot und Wein nachgelassen; so oft wir nun solches gebrauchen, sollen wir seinen Tod verkündigen bis Er kommt.«

Als nun diese Maria und Ursel die Einsetzungen des Papstes für Ketzerei hielten, so sind sie den 13. November in dem öffentlichen Gerichte zu Delden vor Pilatus und Kaiphas Gesellen gestellt und zum Tode verurteilt worden, worüber sie sich freuten und Gott lobten. Als nun das Volk ihre Standhaftigkeit sah und man sie zum Pfahl führte, haben viele geweint; sie aber sangen vor Freude und sagten: »Weinet nicht über das, was man uns antut; wir leiden nicht,« sagte Maria, »als Zauberinnen oder andere Missetäter, sondern weil wir bei Christo bleiben und von Gott nicht weichen wollten; darum bekehret euch, so wird es euch ewig wohl gehen.«

Als nun die Zeit des Leidens herannahte, sprach Maria: »Liebe Schwester! Der Himmel ist uns geöffnet, weil wir hier eine kleine Zeit leiden, so werden wir uns in Ewigkeit mit unserm Bräutigam erfreuen.« Hierauf haben sie sich einander den Kuss des Friedens gegeben. Auch baten sie dort gemeinschaftlich, dass Er den Richtern ihre Sünden vergeben wolle, denn sie wüssten nicht, was sie täten, und weil die Welt ganz in Blindheit versunken sei, so wolle sich Gott über sie selbst erbarmen und ihre Seelen in sein ewiges himmlisches Reich aufnehmen. Zuerst bemächtigten sie sich der Maria; dieselbe bat die Obrigkeit, dass sie doch nicht noch mehr unschuldiges Blut vergießen wollte, dann verrichtete sie ihr Gebet brünstig zu Gott und bat auch für diejenigen, welche sie töteten; darauf stand sie freudig auf und ging mit so großer Freude zum Holzstoße, dass es nicht beschrieben werden kann; dabei sagte sie: Dir, o Christe, habe ich mich übergeben, ich weiß dass ich ewig mit Dir leben werde. Darum, o Gott vom Himmel, in deine Hände befehle ich meinen Geist. Der Scharfrichter fluchte, weil die Kette nicht nach seinem Sinne war; sie aber sagte: »Freund, bedenke, was du tust, mein Leib ist dessen nicht würdig, dass du Christum darüber lästerst; bessere dich, dass du nicht in der Hölle brennen mögest.« Der Prediger, welcher Lehrer zu Delden war, hat die Ursel abgewandt, sie aber wandte sich wieder um und sagte aus einem dringenden Gemüte: »Lasst mich meiner Schwester Ende sehen, denn ich begehre Teil zu nehmen an der Herrlichkeit, während sie eingehen wird.« Als nun Maria verbrannt war, fragten sie jene, ob sie noch nicht abfallen wollte? Sie sagte aber: »Nein, um des Todes willen nicht; ich will den ewigen Gott nicht also verlassen.« Sie wollten sie auch mit der leichteren Todesart des Schwertes begünstigen, sie aber sagte: »Mein Fleisch ist nicht zu gut, um für Christi Namen verbrannt zu werden.« Damit sagte sie zu einer ihrer Basen: »Sagt Jan von Beckum gute Nacht, und dass er Gott diene, welchem ich nun geopfert werde.«

Als sie zum Scheiterhaufen kam, schlug sie ihre Hände zusammen und sprach: Unser Vater, der Du bist im Himmel. Ja, sprach der Pfaff, dort findet man ihn. Weil ich Ihn dort suche, sagte sie, muss ich des zeitlichen Todes sterben; hätte ich Ihn im Brote bekennen wollen, ich hätte wohl noch länger leben können. Als sie nun auf das Holz trat, glitt sie aus, worauf sie sagte: Es dünkt mich, ich falle ab; der Tyrann aber rief: Haltet ein, denn sie will abfallen! Nein, sprach sie, der Block weicht unter meinen Füßen; ich will in Gottes Wort nicht schwach werden, sondern bei Christo standhaft bleiben. Also haben sie sich bis an ihr Ende männlich gehalten und haben mit ihrem Tode das Wort Gottes mit großer Geduld und Freimütigkeit versiegelt und uns ein gutes Beispiel hinterlassen.