Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.584

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2.584  Der erste Brief, den Adrian Rogiers an sein Weib geschrieben hat.

Aus günstiger Liebe zum freundlichen Gruße geschrieben an dich, mein herzgründlich geliebtes und sehr wertes Weib, welche ich lieb und sehr wert habe von Herzen, das weiß der Herr, der alle Dinge weiß und (wie Jeremia sagt) Herzen und Nieren der Menschen prüft. Sodann, meine Liebe, nach diesem meinem geziemenden und christlichen Gruße lasse ich deine Liebe wissen, daß ich (dem Herrn sei ewiges Lob!) noch ziemlich wohlauf bin, sowohl nach dem Fleische als auch nach dem Geiste, Gott sei gepriesen! Mein Gemüt ist so bestellt, um mit meinem Gott über die Mauer zu springen. Ebenso hoffe ich, meine Geliebteste, durch Gottes Güte, daß du auch an Leib und Seele gesund und bereit sein werdest, durch Gottes Hilfe lieber mit Eleazar ehrlich zu sterben, als schändlich zu leben. Der allmächtige Herr, der Brot gibt in der Not und, nach des Propheten Wort, Wein und Milch umsonst gibt, wolle dich und uns alle so stärken und kräftig machen durch seinen Heiligen Geist, damit wir in unserer gegenwärtigen Drangsal alles ertragen mögen, was um des Herrn willen über uns kommt, und damit wir seinen Namen fürchten, denn dazu hat uns Gott von dem erlöst, der uns zu mächtig war, damit wir Ihm in rechtschaffener Gerechtigkeit unser Leben lang dienen und Ihn fürchten möchten; denn Sirach sagt: Es ist kein köstlicheres Ding, als den Herrn fürchten. Darum, ach mein liebes Weib, laß uns doch den Herrn von ganzem Herzen fürchten und in aller Not laß uns zu dem Herrn fliehen, dann wird Er uns helfen; denn David sagt: Der Herr legt uns ein Last auf, aber Er hilft sie uns auch tragen, denn wir haben, sagt er, einen Gott, der da hilft, und einen Herrn der Herren, der vom Tode erlöst; denn Er ist, sagt der Prophet, der Kleinen Kraft, der Armen Stärke in der Not, eine Zuflucht vor dem Ungewitter, ein Schatten vor der Hitze, denn Er steht dem Armen zur rechten Hand, damit Er ihm von denen helfe, die sein Leben verurteilen; aber Gott wird den Kopf seiner Feinde, die in ihren Sünden fortfahren, in Stücke zerschmeißen; so sagt auch Judith: Wehe den beiden, die mein Volk verfolgen, denn der allmächtige Herr richtet sie, und sucht sie heim zur Zeit der Rache! Er wird ihren Leib plagen mit Feuer und Würmern, und sie werden brennen und heulen in Ewigkeit. Aber das, womit uns der Herr straft, ach, meine Auserwählten, währt nur einen Augenblick, denn David sagt: Den Abendlang währt das Weinen, aber des Morgens die Freude; denn Gott (sagt Judith) straft uns, seine Knechte, zur Besserung, aber die Gottlosen straft Er zu ihrem Verderben.

Darum, mein liebes Weib, laß uns doch ein wenig in Geduld unser Kreuz tragen, und laß uns bedenken, wie viel unser lieber Herr für uns gelitten hat, wie der Prophet sagt: Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheiten; Er war so verachtet, daß man auch das Angesicht vor Ihm verbarg. Darum haben wir Ihn auch nicht geachtet; fürwahr Er trug unsere Krankheiten, und lud auf sich unsere Schmerzen; wir hielten Ihn aber für den, der von Gott geschlagen und gemartert wäre; aber Er ist um unserer Missetat willen geschlagen, und um unserer Sünden willen verwundet; die Strafe liegt auf Ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in der Irre, wie die Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg; aber der Herr warf unser aller Sünden auf sich; als Er geschlagen und gemartert wurde, tat Er seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das vor seinem Scherer verstummt.

Darum, ach mein sehr geliebtes Weib, weil wir nun wissen, wie Petrus lehrt, daß Christus im Fleische gelitten hat, so laß uns auch mit demselben Sinne gewappnet sein, denn wer am Fleische leidet, der hört auf von Sünden, daß er hinfort, was noch hinterstelliger Zeit im Fleische ist, nicht der Menschen Lüste, sondern dem Willen Gottes lebe.

So sei denn, meine Geliebteste, wohlgemut wenn dich der Herr prüft, denn es steht geschrieben: Die gerechten Seelen werden ein wenig gestäupt, aber viel Gutes wird ihnen widerfahren, denn Gott versucht sie, und findet sie, daß sie seiner wert sind. Er prüft sie wie das Gold im Ofen, und nimmt sie an wie ein völliges Opfer; und zur Zeit, wenn der Herr drein sehen wird, werden sie hell scheinen und daherfahren wie Flammen über die Stoppeln. Sie werden die Heiden richten, und über alle Völker herrschen, und der Herr wird ewig über sie herrschen, denn die Ihm vertrauen, die erfahren, daß Er seine Verheißung treulich hält, und die in der Liebe treu sind, lässt Er sich nicht nehmen, denn seine Heiligen sind in Gnaden und Barmherzigkeit, und Er hält Wache über seine Auserwählten.

Darum, ach meine Geliebte, laß uns unsere Sache dem Herrn befehlen, und die uns überfallene Not und Sorge auf Ihn werfen, denn Er (sagt Petrus) sorgt für uns; und ist Gott mit uns (sagt Paulus), wer mag wider uns sein?

So laß uns denn, meine Geliebteste, guten Mutes sein, und ernstlich wachen, damit wir, wenn unser Bräutigam kommt, mit Ihm von Ewigkeit zu Ewigkeit triumphieren mögen, Amen.

Ferner, mein sehr geliebtes Weib, befehle ich dich unserem lieben Herrn; der müsse dein Geleitsmann allezeit sein, denn ich nehme nun Urlaub, und sage gute Nacht. Tue doch an den Kindern das Beste, wie ich denn auch in dieser Beziehung das Vertrauen zu dir habe.

Endlich wisse, meine Geliebte, daß ich deinen Brief empfangen habe, wofür ich dir sehr danke; grüße mir denjenigen sehr, der ihn geschrieben hat. Doch sollst du auch wissen, daß ich sehr betrübt bin, weil ich schon so lange keine Nachricht von dir erhalten habe; ich bitte dich, du wollest mich doch wissen lassen, wie es dir und den Kindern geht. So sage ich denn nochmals gute Nacht; bitte den Herrn für mich, wie ich auch für dich tue, und grüße die Bekannten; wir Gefangenen grüßen dich alle; bitte doch den Herrn für uns.

Geschrieben in meinen Banden von mir, deinem lieben Manne, Adrian Rogiers, zu deinem Besten.