Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.310

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2.310  Ein Brief des Leonhard Plovier an sein Weib geschrieben.

Sehr geliebtes und wertes Weib Maeyken, nebst herzlichem Gruße, wisse, daß es um mich, dem Gemüte nach, noch wohl stehe, und daß ich auch, dem Fleische nach, noch wohl sei, wie ich denn auch hoffe, daß ihr euch alle ebenso befindet. Es ist mir aber auch sehr angenehm gewesen, zu hören, daß dein Gemüt entschlossen sei, dem Herrn in aller Gerechtigkeit nachzufolgen; denn wir wissen nicht, wann uns der Herr heimsuchen wird, daß wir vor dem Richterstuhle Christi offenbar werden müssen, wo ein jeder seinen Lohn empfangen wird, nachdem er getan hat, es sei gut oder böse. Darum, liebe Maeyken, schicke dich, dem Evangelium Christi gehorsam zu sein, ehe der Tag kommt, denn er wird kommen, wie ein Dieb in der Nacht; das ist der rechte Weg, der zum ewigen Leben führt; er ist dir ja zu Zeiten gezeigt worden, und ist auch in keinem andern irgend ein Heil zu finden, denn Christus sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, so laß uns suchen, der Wahrheit zu folgen und auf diesem Wege zu wandeln, damit wir das Leben haben mögen; denn es steht geschrieben, daß der Herr kommen wird, herrlich zu erscheinen, mit seinen Heiligen, und wunderbar mit allen Gläubigen, und zur Strafe denen, die dem Evangelium nicht gehorsam gewesen sind, welche Pein und das ewige Verderben von dem Angesichte des Herrn leiden werden. Und wenngleich, liebe Maeyken, bisweilen Trübsal, Angst und Verfolgung entsteht, ja, Bande und Gefängnis unserer harren, wie man täglich an uns und an anderen sieht, die der Wahrheit gehorsam sein wollen, so laß uns gleichwohl nicht aufhören, auf diesem Wege zu wandeln, oder der Wahrheit nachzukommen, denn Christus sagt: Die Welt wird sich freuen, ihr aber werdet traurig und betrübt sein; doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Darum, liebe Maeyken, siehe doch nicht auf Vater oder Mutter oder Kinder, noch auf etwas, das zur Welt gehört; denn Christus sagt: Wer etwas lieber hat als mich, der ist meiner nicht wert; wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; denn fleischlich gesinnt sein ist der Tod, ja, eine Feindschaft wider Gott, weil es dem Gesetze Gottes nicht untertan ist. Das aber heißt fleischlich gesinnt sein, wenn man Vater, Mutter, Kinder, oder etwas, das der Welt angehört, mehr liebt als Gott, oder wenn man um deswillen unterlässt, der Wahrheit nachzufolgen, oder um zeitlicher Nahrung, zeitlichen Verlusts willen, oder weil wir viele Kinder haben, aus Fürsorge, wie wir ihnen die Kost gewinnen werden. Christus sagt: Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, so wird euch alles, was euch nötig ist, zugeworfen werden. Darum wendet hierin allen Fleiß an, meine liebe Maeyken, solches begehre ich von dir von Herzen, darum bitte ich dich auch; ferner lasse ich dich wissen, daß ich auf dem Jahrmärkte gewesen sei, und als ich wieder zu Antwerpen ankam, sind wir (nämlich ich und unser Vetter Henrich) vor Antwerpen hinausgegangen, als es schon etwas spät war, und als wir in der Nähe der Stadt kamen, sind uns die Stadtdiener (oder Büttel) begegnet; diese haben uns ergriffen, so daß wir ohne Kränkung unseres Glaubens ihren Händen nicht entrinnen konnten. Darum, liebe Maeyken, obgleich ich durch des Herrn Schickung gefangen worden bin, so werde doch nicht kleinmütig, und betrübe dich nicht zu sehr darüber; ich weiß zwar wohl, daß du betrübt sein wirst, aber betrübe dich nicht allzu sehr, damit du dadurch nicht bettlägerig werdest, oder dir eine Krankheit zuziehst; denn es geschieht ja doch um der Wahrheit willen; was aber mein Fleisch sehr beschwert, ist, daß ich dich und die Kinder verlassen muss, daß ich dir nicht helfen kann, ihnen die Kost zu verdienen, und für sie Sorge zu tragen, auch daß du nicht gesinnt bist, wie ich; doch hoffe ich, es wird mit der Zeit geschehen. Darum, liebe Maeyken, wende allen Fleiß an, dem Evangelium gehorsam zu sein, daß, wenn wir auch einander dem Fleische nach nicht mehr sehen sollten, wir doch einst einander finden mögen; ich hätte wohl noch einmal dich sehen und mit dir reden mögen, aber die Zeit wird wohl zu kurz sein; auch würde es dir und mir hart ankommen, voneinander zu scheiden, da es mir jetzt schon hart fällt, obgleich wir miteinander nicht reden, aber wir müssen Gott über alles lieben und lieber alles, als Gott verlassen. Darum, wenn du hierher kommst, oder dein Gemüt so gesinnt, so wende allen Fleiß an, der Wahrheit nachzukommen, und die Kinder in der Furcht des Herrn aufzuziehen. Hiermit sei dem Herrn befohlen. Geschrieben zu Antwerpen in Banden, des Sonntags abends nach dem Ipermarkte, von mir, Leonhard P., deinem Manne. Grüße mir sehr den Franse, und daß er den Herrn für mich bitten wolle, daß ich es zu des Herrn Preise bis ans Ende ausführen möge.