Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.226

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2.226  Sechs Brüder werden bei Amsterdam auf dem Bolewyk im Jahre 1555 an Pfählen erwürgt.

Im Jahre l555 ist zuerst der Fall eingetreten, daß sich die Taufgesinnten voneinander absonderten, weil Gillis von Aachen und auch andere solche Dinge einführten, worüber die andern wasserlandischen Brüder sich mit ihnen nicht vereinigen, auch solches ihnen nicht zugeben konnten; daher ist es denn gekommen, daß diese gemeldeten Bruder sich als ein Volk für sich selbst gehalten haben; gleichwohl aber haben sie sich von den andern nicht abgesondert, sind auch nicht ausgebannt worden, sondern sie sind als ein vergessenes, ja, verlorenes Volk angesehen worden, sodass die wasserlandischen Brüder um der strengen Verfolgung willen nicht in Häusern wohnen konnten, sondern sich in Schifflein und auf den Feldern aufhalten mussten, weil sie nicht wussten, wo sie sich vor den Häschern verstecken sollten, die sie überall suchten und ihnen nach dem Leben trachteten. Zu dieser Zeit nun ist es geschehen, daß in dem Ostsaner Felde sechs Brüder, die in einem Schifflein beisammen waren, ergriffen und nach Amsterdam gebracht wurden, wo sie zum Tode verurteilt worden sind. Es war im Anfange des Winters als sie auf den Bolewyk gesetzt und daselbst an einem Pfahl erwürgt worden sind. Von dieser Zeit an hat dreizehn Wochen hindurch über jedem Pfahle dieser sechs Brüder ein Lichtlein, einer Kerze gleich, gestanden, das die ganze Nacht hindurch gebrannt hat. Als nun diese dreizehn Wochen zu Ende waren, ist ein gewaltiger Sturm und Regen, und in deren Folge ein starkes Tauwetter eingetreten, so daß eine große Wasserflut erfolgte und das Eis vom Winde zerteilt wurde. Um einen von den sechs Brüdern stand das Wasser so hoch, daß der Pfahl durch das daran stoßende Eis in Stücke zerbrach und aufs Eis niederfiel; er ward mit dem Eis durch die Ebbe und Flut zwischen Sparendam und dem Bolewyk hin und her getrieben. In derselben Gegend waren zwei Personen in einem Steigerschiffe, welche unlängst zur Gemeinde gekommen waren; diese, als sie des Nachts vorbeifuhren, sahen das vorgemeldete Licht auf dem Eis; als sie nun genau zusahen, vermuteten sie, daß es auf Jaepje Maet (so nannten sie diesen Bruder) stand. Sobald es nun Tag wurde, gingen sie zu zwei Schwestern, die in der Stadt verborgen lebten, welche diese beiden Ankömmlinge kannten; sie erzählten ihnen, was sie des Nachts gesehen hatten. Diese ließen sich deshalb von dem Schlagbaume ausschließen, setzten sich in ein Steigerschiff und fuhren an den hohen Nord, wo sie das Eis erwarteten. Unterdessen wurde das gemeldete Lichtlein auf dem Eis näher getrieben, und als sie nun auf das Lichtlein zufuhren, sahen sie, daß es auf Jaepje Maet stand. Sie nahmen ihn in ihr Schiff und führten ihn zu den andern Brüdern, die sich in einem Schiff bei dem Felde aufhielten, diese brachten ihn aus dem Steigerschiff in ihr Schiff. Als sie ihn aber anrührten, um mit ihm zum Begräbnisse zu fahren, hat der vertrocknete und gefrorene Leib, welcher dreizehn Wochen lang an dem Pfahle gehangen hatte und ausgedörrt war, zu bluten angefangen, sodass das Blut stromweise in zwei oder drei Körbe lief, welche sich im Boden des Schiffes befanden. Die Personen, die solches alles gesehen und an ihm getan haben, waren seine vornehmsten Brüder und Spielgesellen, fromme und glaubwürdige Leute; dieselben haben solches vielen andern erzählt, damit ein solches Wunder nicht in Vergessenheit geraten, sondern zur Erbauung der Frommen im Andenken bleiben möchte.