Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.197

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2.197  Elisabeth und Hadewyk, 1549.

Elisabeth und Hadewyk, von denen die erste, nämlich Elisabeth, zu Leuwaarden ertränkt worden, Hadewyk aber dem Tode entgangen ist; im Jahre 1549.

Diese Elisabeth war von vornehmer Herkunft; sie war in ihrer Jugend von ihren Eltern dazu bestimmt, daß sie in das Tienger Kloster, bei Lier in Ostfriesland gelegen, gehen sollte, um dort verschiedene Künste und die lateinische Sprache zu lernen; sie hat dort zufällig oder vielmehr durch die Vorsehung Gottes ein lateinisches Testament erlangt, in welchem sie beständig las und woraus sie so viel Erkenntnis des Willens Gottes erlernte, daß sie sich in ihrer Lage nicht glücklich fühlte, und weil sie nicht sah, wie sie ihr Leben im Kloster, vielweniger in ihrer Eltern Hause nach der Richtschnur des Wortes Gottes einrichten könnte, so hat sie sich nach hartem Kampf entschlossen, heimlich aus dem Kloster zu fliehen. In dem Vertrauen auf die väterliche Vorsehung des allmächtigen Gottes, daß dieselbe ihr helfen und sie führen werde, ist sie zu dem Ende mit der Melkerin des Klosters einig geworden, daß diese mit ihr die Kleider wechseln und ihr so des Morgens früh in der Maske einer Melkerin aus dem Kloster helfen sollte. Nachdem solches geschehen, ist sie zuerst in Lier, und zwar ohne ihr Wissen, in ein Haus gekommen, in welchem Taufgesinnte wohnten, welche, als sie der Elisabeth Lage in Überlegung genommen, sie zu sich aufnahmen, ihr den Weg zu Gott noch deutlicher auslegten, und sie nach einiger Zeit, aus Furcht, man möchte ihr nachspüren, nach Leuwaarden führten, und daselbst zu einer sittsamen Schwester der taufgesinnten Gemeinde (genannt Hadewyk) brachten, mit welcher sie auch später zugleich gefangen worden ist.

Diese Hadewyk war mit einem Trommelschläger der Kompanie, welche in Leuwaarden lag, verheiratet; dieser nun, wenn er von Übungen, Wacht, usw. frei war, ging in eine gewisse Werkstätte, das Nötige für Weib und Kinder zu verdienen, wo zugleich mit ihr ein sehr frommer Bruder1 der Taufgesinnten arbeitete, welcher damals um der Religion willen in Bande kam und zum Tode verurteilt wurde. Als nun die gedachte Kompanie Befehl erhielt, auf dem Richtplatze, wo dieser fromme Bruder aufgeopfert werden sollte, einen Kreis zu schließen, um Aufruhr zu verhüten, so hat der vorgenannte Trommelschläger Schwierigkeit gemacht, bei solcher Gelegenheit sein Amt zu verwalten, hat auch solches seinem Weibe Hadewyk zu erkennen gegeben, welche ihm hierzu widersprach und ihm anriet, sich seinem Geschäfte zu unterziehen, was er auch darauf sich vornahm zu tun.

Nachdem er sich aber zuvor einen Rausch trank, um dadurch das Mitleiden gegen diesen unschuldig Verurteilten desto weniger zu empfinden, so ist durch solche Trunkenheit das Mitleiden ihm nicht benommen, sondern nur vermehrt, und er dabei so freimütig geworden, daß er den umstehenden Zuschauern von der Frömmigkeit und Tugend dieses ihm so wohlbekannten Märtyrers erzählte, und dabei die Gründe angab, warum er so misshandelt würde, wie ungerecht die Obrigkeit, welche durch die Geistlichkeit dazu veranlasst würde, daran täte, und daß es besser wäre, gottlose Menschen, Hurer, Ehebrecher, Ungerechte und dergleichen, deren in der Stadt, ja, selbst unter den Geistlichen genug seien, anzutasten und so mit ihnen umzugehen, weshalb denn einige lachten, andere es zu Herzen nahmen, noch andere aber sagten: Der Trommelschläger ist trunken; andere, er hat Verstand, er selbst aber, als er nüchtern geworden war und zu sich kam, überlegte, was er getan und nun zu erwarten hätte; deshalb nahm er sich vor, die Stadt Leuwaarden, die Kompanie und die römische Kirche zu verlassen, und ersuchte seine Frau, mit ihm zu gehen, welche aber darein nicht willigen konnte, und nach ihres Mannes Abreise nicht gewusst hat, wohin er sich gewandt hatte. Aber als sie einige Zeit darauf der Sache nachdachte und von den Taufgesinnten hörte, bekam sie Gelegenheit, den Ermahnungen beizuwohnen; sie nahm den Glauben an und ließ sich nicht allein auf ihren Glauben taufen, sondern auch nachher zugleich mit Elisabeth gefangen nehmen. Indem nun Elisabeth in einem andern Gemache gefangen saß, wurde diese Hadewyk benachrichtigt, daß sie des andern Tages über eine große Anzahl Artikel untersucht werden und sich darüber verantworten sollte, was ihr sehr große Not und Herzensbangigkeit verursachte, insbesondere, weil sie weder schreiben noch lesen konnte, auch fromm und gutwillig, aber dabei ungeübt war; darum ward sie getrieben, ernstlich zu Gott zu bitten, daß es doch dem überguten und menschenliebenden Vater gefallen wolle, sie, seine arme Dienstmagd, deren Unvermögen er am besten kenne, mitleidig anzusehen und sie nicht über Vermögen zu versuchen, sondern durch seine göttliche Hand ihr zu helfen und sie zu erretten, worauf, als sie im Gebete lag, eine Stimme zu ihr kam, welche rief: Hadewyk! Als sie sich nun umsah und niemanden sah, fuhr sie in ihrem eifrigen Gebet fort; darauf hörte sie die Stimme zum zweiten Male, und als sie niemandem gewahr wurde, fuhr sie in ihrem Flehen fort, bis die Stimme zum dritten Male zu ihr sagte: Hadewyk, ich sage dir, gehe hinaus! Als sie nun die Tür offen sah, setzte sie ihre Haube auf und ging aus dem Gefängnisse, wusste aber damals nicht, wo sie sich verbergen sollte; sie kam durch Schickung in die Kirche, woselbst sie von denen, die dahin kamen, sagen hörte, daß die Stadtpforten geschlossen seien, weil eine Wiedertäuferin aus dem Gefängnis entronnen sei, ohne daß man wüsste, auf welche Weise, und daß dies zu Grübeleien Veranlassung gegeben, ob es wohl durch Zauberei geschehen sein möchte; deshalb hat man sie überall mit großem Fleiße gesucht; als sie aus der Kirche ging, hörte sie auf der Straße den Trommelschläger ausrufen, wer ihre Person anzeigen könnte, der sollte hundert Gulden zum Lohne haben, wer sie aber verbergen würde, sollte um 150 Gulden gestraft werden, worüber ihr immer banger wurde. Weil sie aber in ihrem eigenen Hause nicht sicher war und gleichwohl irgendwo sich verstecken musste, so ging sie in das Haus ihres gewesenen Meisters und dessen Frau, welchen sie in ihrem ledigen Stande eine Zeitlang treue Dienste erwiesen hatte und die daher viel von ihr hielten; dieselben ersuchte sie, ob sie in dieser Not sie beherbergen wollten. Als aber solches ihr abgeschlagen wurde, ist sie in Verzweiflung weggegangen, und vor des Pfaffen Haus gekommen, bei welchem ein ihr wohlbekannter Knecht wohnte, der seinen vollen Verstand nicht hatte; diesen, als er eben vor der Türe stand, redete sie an und bat ihn, daß er sie heimlich verbergen wollte, was er auch tat; denn er brachte sie heimlich auf den Boden und versorgte sie mit Speise und Trank; des Nachts aber kam er zu ihr und begehrte ungeziemende Dinge von ihr.

Hier war sie mehr verlegen als jemals; sie hatte es mit jemandem zu tun, der körperkräftig und üppig war, und bei welchem die Reden wenig Eingang fanden; machte sie Lärm, so war sie in Lebensgefahr; darum ging sie mit Erhebung ihrer Seele zu ihrem Erlöser und rief ihn in dieser Not um Hilfe an, bat auch diesen gedachten Knecht, daß er von solcher bösen Tat ablassen wollte, denn das wäre ein Ehebruch, weil sie einen Mann hatte; nun aber müssten die Ehebrecher und Ehebrecherinnen ewig in der Hölle brennen; darauf ließ er sie in Ruhe, ging hinweg und sagte: Die Schnippe ist so klug in der Schrift, ich kann nichts mit ihr ausrichten.

Des andern Tags ging er auf den Markt zu der Hadewyk Schwager, welcher täglich Muttermilch dahin zu Kaufe brachte, und berichtete ihm, daß er seine Schwägerin ohne jemandes Wissen in des Priesters Haus verberge, und riet ihm, daß er mit seinem Nachen an die Wassertreppe hinter des Priesters Hause kommen, sie in den Nachen nehmen, und durch die Schleuse zur Stadt hinausführen sollte, was er auch tat, und so ist dieses Schaf, diese Hadewyk, durch die wunderbare Hand Gottes den Klauen der reißenden Wölfe entronnen, nach Emden geflüchtet, und hat am Abende ihres Lebens in dem Versammlungshause der Taufgesinnten gewohnt, wo sie in dem Herrn entschlafen ist.

Remmeltje Wubbers hat dieses nicht allein von ihren Eltern und anderen öfters gehört, sondern auch von der Frau, die Hadewyk erzählt hat und von welcher Remmeltje ich dieses empfangen habe.


[1] Man meint, daß es Sycke Schneider gewesen sei.