Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.247

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2.247  Ein Brief von Thomas von Imbroek an sein Weib und Brüder aus dem Gefängnis geschrieben.

Viel Gnade und Friede von Gott, dem himmlischen Vater, der ein rechter Vater ist, denn er erweist seine väterliche Treue an allen seinen Kindern, nach seiner Verheißung, indem er spricht: Ich will ihr Vater sein und sie sollen meine Söhne und Töchter sein. Dieser Vater wolle euch in euren Herzen so zureden, daß ihr mit gutem Gewissen mir glauben könnt, daß ihr Kinder seid, dann werdet ihr nicht irren.

Solche Gnade wünsche ich dir, mein liebes Weib und auch meines Herrn Braut (du verstehst wohl, wen ich meine), durch den Herzog des Lebens und den Vollender Jesum, wohin wir unsere Zuflucht allein nehmen müssen, damit wir seinem Bilde in dieser Welt gleich werden mögen, nach dem Spruche des Propheten Jesaja, indem er sagt: Er wird keine Gestalt noch Schönheit haben, wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte; er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheiten, er war so verachtet, daß man auch das Angesicht vor ihm verbarg, denn er war ein Mann, welcher Schmerzen und Krankheiten wohl versucht hatte.

Aber was sagt die Schrift? nämlich: Darum hat ihn auch Gott erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist , und alle Zungen sollen bekennen, daß Jesus Christus der Herr sei, zum Preise Gottes, des Vaters.

Also halte ich auch dafür (o Weib des Herrn!), daß es uns nötig sei, solches zu bedenken; denn wenn wir auch hier vor allen Menschen zur Schmach, ja, ein Ausfegsel und Auskehricht eines jeden sind, sodass sie sagen: Weg mit ihm, denn er ist nicht wert, daß er lebe, so werden sie doch einst zu seiner Zeit bekennen und sagen: Seht, wie sind sie nun unter die Kinder Gottes gezählt und haben ihren Teil mit den Frommen; wir hielten sein Leben für unsinnig und sein Ende für eine Schande. Nun seufzen wir, wenn aber der kommen wird, auf welchen wir warten, dann werden sie seufzen und mit großen Schmerzen geängstigt werden, da keine Hoffnung sein wird, denn ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht verlöschen.

Darum ist ein großer Unterschied zwischen den Frommen, und Gottlosen, denn der Frommen Seelen sind in Gottes Hand und keine Pein des Todes rührt sie an; denn ihre Hoffnung ist voller Unsterblichkeit.

Dieses sollen wir, meine Brüder, wohl betrachten, denn wenn wir zurücksehen, so sehen wir noch auf tödliche, sterbliche Dinge, so trifft auch der tröstliche Spruch Paulus nicht bei uns ein, wenn er sagt: Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, bringt eine ewige und über die Maßen gewichtige Herrlichkeit uns, (sagt er) die nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen.

Nun weiß ich, daß Weib und Kinder sichtbar sind, und obgleich sie mir angenehm sind, will ich sie doch nun für Staub achten, und also sagen: Ich kenne fortan niemanden nach dem Fleische, aber die Erkenntnis des Geistes bleibt ewiglich. Also hoffe ich euch alle zu erkennen, wenn wir alle in der ewigen Freude erscheinen werden, welche von Anbeginn denen bereitet ist, die sich Christi nicht schämen; dieses aber heißt: Sich seiner nicht schämen, wenn wir um Christi willen wie Übeltäter zum Tore hinausgehen und ihm außer dem Lager seine Schmach tragen helfen.

Darum will ich, daß die Reichen keine Ausflucht suchen und sagen: Ja, ich kann nicht gar alles ablegen, es würde ein großes Wunder und Aufsehen vor der Welt verursachen, wenn ich meinen Staat so ganz ablegen würde, ja, sollten sie sich wohl einbilden, sie täten zu viel? Ach nein, denn der, welcher Gott ist, gesegnet über alles in Ewigkeit, hat sich noch viel mehr erniedrigt und gedemütigt, denn er war König und Herr über die ganze Welt, wie ihn auch David im Geiste einen Herrn nennt; er ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er selbst einem jeden diene, denn er ist unser aller Knecht geworden, damit er uns erlöse.

Da wir nun durch ihn die Freiheit haben, so lasst uns dankbar sein, und dieselbe nicht von uns werfen, denn sie hat eine große Belohnung, obgleich einige sagen, man soll um die Belohnung von Gott nicht eifern. Dieser Grund ist, sage ich, nicht recht, denn ich sage mit Paulus: Hoffen wir allein in diesem Leben, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Gleichwohl aber soll niemand meinen, daß er durch seine guten Werke allein gerecht und selig werde, denn solches müssen wir der Gnade Gottes und dem Verdienste des unschuldigen Blutvergießens unsers Herrn Jesu Christi (der das Gute in uns wirkt) allein zuschreiben.

Darum, meine lieben Brüder, hütet euch vor allen solchen Geistern, denn sie wollen noch größere Vollkommenheit erfahren und ermangeln des Kleinsten. Bleibt bei dem Grunde, den ihr gelernt habt. Eins begehre und wünsche ich, daß die Einfältigen besser und gründlicher unterrichtet werden möchten, damit eure Arbeit nicht in dem Feuer verbrennen möchte; denn die Schrift sagt nicht umsonst: Worin er versucht ist, kann er auch denen helfen, die versucht werden, denn die Erfahrung bringt vollkommene Weisheit, wie auch Paulus sagt: Gelobt sei der Vater aller Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns in unserer Trübsal tröstet, damit wir auch diejenigen trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Troste, womit wir von Gott getröstet werden; denn wie des Leidens Christi viel über uns kommt, so werden wir auch reichlich getröstet durch Jesum Christum; ja, durch ihn (sage ich) werden wir das Feld behalten; denn er ist unser Leben und Sterben ist unser Gewinn, indem er sagt: Und ob ihr schon sterbt, so sollt ihr doch leben.

Darum ist es gut, mit Christo zu sterben, denn er ist durch die Herrlichkeit seines Vater auferweckt worden, deshalb wird er auch alles nach sich ziehen, was ihm der Vater gegeben hat.

Darum, meine Brüder und mein liebes Weib, lasst uns männlich sein, denn der Apostel sagt: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum halte ich es für gut, in Schwachheit zu sein (merkt), und was daraus folgt, in Schmach, in Not, in Verfolgung, in Angst um Christi willen. Ja, ich wollte dem Herrn aufs Höchste danken, wenn er mich würdig achten würde, seinen Namen mit meinem Blut zu bezeugen; denn ich hoffe nicht nur diese Bande mit Geduld zu tragen, sondern auch um Christi willen zu sterben, damit ich meinen Lauf mit Freuden vollenden möchte, denn ich will lieber bei dem Herrn sein, als wieder in der gräulichen, argen Welt wandeln; doch geschehe sein göttlicher Wille, Amen.

Und wenn noch etwas an meinem Wandel mangelt, daß ich nicht ernstlich genug gewesen bin (was ich auch bekenne), das wolle nun der Herr durch das Feuer seiner Liebe und Barmherzigkeit in dem Blute Jesu Christi austilgen und läutern, denn dadurch muss alles geläutert und gereinigt werden.

Ich begehre, liebe Brüder, eurer aller Fürbitte bei Gott, daß er uns durch Jesum Christum, unsern Herrn und Heiland, bewahren wolle, Amen.