Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.160

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2.160  Noch ein Brief von Hieronymus Segerß an die Brüder und Schwestern.

Die ewige Freude, der Friede und die Gnade Gottes, des Vaters, und die grundlose Barmherzigkeit, Gunst und Liebe des Sohnes, unseres Herrn Jesu Christi, welcher von Gott dem Vater aus Gnaden zum Heile aller derer gesandt ist, die durch sein unvergängliches Wort oder Evangelium mit ihm wiedergeboren sind und seinen Willen vollbringen, und der gründliche und unaussprechliche Trost, Kraft und Gemeinschaft des Heiligen Geistes, welcher von ihnen beiden vom Himmel zum ewigen Troste, zur Freude und Ergötzung ausgesandt ist, sei mit allen wahren, bußfertigen und gehorsamen Kindern Gottes, die ihr Leben gebessert haben und also mit Christo durch sein Evangelium in einem neuen Leben auferstanden sind. Dieser ewige Gott wolle euch sämtlich in seiner ewigen Wahrheit stärken und euch mit dem kräftigen Worte seiner Gnade in aller Gerechtigkeit, Heiligkeit und Wahrheit bis ans Ende erhalten: Er bewahre euern Verstand, euer Herz und eure Sinne in Christo Jesu. Demselben sei Preis, Ehre, Lob, Kraft und Stärke von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Meine herzlich geliebten, werten und auserwählten Brüder und Schwestern, und alle Liebhaber der ungefärbten und ewigen Wahrheit, ich wünsche euch den wahren bußfertigen Glauben, der durch die Liebe tätig ist, welcher vor Gott gilt, in einem reinen und keuschen und heiligen Umgange und Wandel in der Furcht Gottes und eine feurige Liebe zu Gott, unserm himmlischen Vater, eurem Nächsten und zu seiner ewigen, klaren und unveränderlichen Wahrheit. Ich bitte den Herrn Tag und Nacht ohne Aufhören für euch, dass Er euch die Augen des Verstandes öffnen wolle, damit ihr erkennen möget, dass solches die rechte Wahrheit sei und dass Er euch mit seinem göttlichen Worte kräftig und im Glauben stark machen wolle, damit ihr in dieser Wahrheit in aller Demut und Sanftmut wandeln und ein Licht allen Menschen seid und standhaft bis ans Ende bleiben möget. Auch bitte ich den Herrn, dass Er euch vor allen reißenden Wölfen bewahren wolle, die von uns ausgegangen sind und unter euch noch aufstehen werden, welche der Schafe nicht schonen werden, und vor allen falschen, ketzerischen und teuflischen Lehrern, die sich unter Christi Namen aufwerfen und in einem heiligen Scheine auftreten, als ob sie von Christo gesandt wären, die aber vom Teufel gesandt und ausgegangen sind.

Darum, meine lieben Brüder, seid munter, betet und wachet, denn es ist sehr nötig, und denket daran, nach meinem Abschiede, dass ich euch aus dem Gefängnis vor den falschen Propheten gewarnt habe. Also habe ich euch mit Gottes Hilfe ein wenig geschrieben und mit Paulus ein wenig ermahnt, weil ich wohl weiß, dass ich meinen sterblichen Rock bald ablegen und mit meinen Brüdern und Schwestern in Christo entschlafen werde. Obgleich ihr nun selbst in dieser gegenwärtigen Wahrheit unterrichtet und gestärkt seid, so halte ich es gleichwohl für nützlich, euch noch ein wenig zu ermahnen, damit etwa dadurch noch jemand gebessert werde, gebaut, gestärkt und so der Name des Herrn dadurch gelobt und gepriesen werden möchte, auch zu meinem eigenen Andenken, der ich euch in demjenigen, das mir der Herr gegeben hat, ein Vorbild gewesen und in aller Demut unter euch gewandelt bin.

Darum ermahne ich euch, meine herzlich geliebten Brüder und Schwestern in dem Herrn, und bitte euch, mit Paulus, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib zu einem Opfer begebet, das heilig, lebendig und Gott wohlgefällig sei und welches euer vernünftiger Gottesdienst ist. Stellt euch dieser argen und verkehrten Welt nicht gleich, sondern erneuert euch durch die Erneuerung eurer Sinne, damit ihr prüfen könnt, welches der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes sei.

Ach, meine lieben Brüder, ich bitte euch herzlich, dass ihr doch alle euer Leben bessern und die Welt mit ihren Lüsten fahren lassen und sämtlich auf das Leben Christi sehen wollt, wie er uns vorgewandelt ist, denn Johannes sagt: Wer sich Christi rühmen will, der muss auch wandeln, gleichwie Er gewandelt ist.

Ach seht, meine lieben Freunde, es ist nicht genug, dass wir in Christi Namen getauft sind, ein Bruder oder eine Schwester Christi heißen und Christen genannt werden. Ach nein, solches kann nicht selig machen, denn Johannes sagt: Kindlein, lasset euch durch niemanden verführen.

Wer recht tut, der ist gerecht; wer Sünde tut, der ist vom Teufel, und daran wird es offenbar, welche die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels sind. Und Christus sagt: Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Und abermals sagt Christus: Wer mich lieb hat, wird mein Wort halten, und meine Gebote wahrnehmen, und wer meine Gebote hat, und hält sie, der ist’s, der mich lieb hat. Johannes sagt: Wer da sagt, dass er Gott liebe, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in ihm. Ihr wisset aber, dass ein Lügner keinen Teil an dem Reiche Gottes habe. Darum seid doch keine Christen mit dem Munde oder mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit; denn es ist ohne allen Wert, den Namen eines Christen zu tragen, solange wir ihm in Worten Werken und Gedanken nicht gleichmäßig sind. Paulus sagt ja: Welche er zuvor ersehen, die hat er auch verordnet, dass sie dem Bilde seines Sohnes gleichförmig sein sollten, damit Er der Erstgeborene unter allen Brüdern sei. Hat er euch nun dazu berufen und verordnet, so wendet auch Fleiß an, um ihm gleichförmig zu werden, damit ihr in der Tat als rechte Christen erfunden werdet, wenn ihr nämlich in solche Trübsal fallt, worin wir nun sind; denn ebenso wohl wie wir uns darin befinden, kann die Reihe auch morgen an euch kommen. Darum wachet und betet, denn ihr wisset weder Zeit noch Stunde, und lasset es euch ein Ernst sein, dem Herrn zu gefallen, denn wir werden alle vor dem Richterstuhle Christi offenbar werden, wo ein jeder an seinem Leibe empfangen wird, je nachdem er gehandelt hat, es sei gut oder böse. Weil nun der Herr zu fürchten ist, so rate ich euch, und bitte euch demütig, dass ihr dem Evangelium gemäß wandeln wollt, denn das macht die Sache nicht aus, dass man den Namen eines Christen trägt, und sich einen Bruder nennen lässt, sondern Gottes Gebote erfüllen, das gilt allein. Ich habe viele unter uns gesehen, die die Christen sehr rühmten, und Christum mit der Zunge lieb hatten, aber mit der Tat verleugneten sie Ihn, was sehr zu beklagen ist, denn sie münzen falsches Geld, welches zwar dem Äußeren nach gutes Geld zu sein scheint, aber wenn man es auf den Prüfstein oder ins Feuer bringt, so ist es seinem Gehalte nach nichts als Kupfer; ebenso wandeln sie auch unter den Frommen, als ab sie rechte Christen wären, wenn sie aber der Herr in Trübsalen zu prüfen beginnt, so sieht man, dass alles auf Sand gebaut ist, und dass sie ihren Bauch lieber haben, als Christum, was man auch an unsern Mitgefangenen ersehen kann, denn sie haben sich lange fromme Brüder nennen lassen, nun aber führen sie eine andere Sprache.

Darum, meine herzlich geliebten Brüder und Schwestern in dem Herrn, nehmet uns zum Spiegel; alle die ihr dem Herrn ein bequemes Opfer tun wollt, folgt uns nach und seid nicht länger so träge und kaltsinnig in der Liebe, damit, wenn ihr auch in Bande kommt, ihr darin alsdann in Betrübnis geraten müsst, weil ihr nicht besser gewandelt seid, denn damit versucht uns der Teufel Tag und Nacht. Darum warne ich euch aus brüderlicher Liebe, dass ihr eurer selbst wohl wahrnehmt, weil ihr Zeit habt, denn Paulus sagt: Die heilsame Gnade Gottes ist allen Menschen erschienen, und züchtigt uns, dass wir das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste verleugnen und züchtig, gerecht und gottesfürchtig in dieser Welt leben und die Offenbarung und Erscheinung des großen Gottes und unseres Erlösers Jesu Christi erwarten sollen, der sich selbst für unsere Sünden aufgeopfert hat, damit er uns von aller Unreinigkeit reinige, und ihm also ein Werk reinige, das zu allen guten Werken fleißig wäre.

Sehet, meine lieben Freunde, ein solches Volk hat Christus auserwählt, das nicht eitel oder leichtfertig sei, sondern welches durch Geduld in guten Werken das ewige Leben sucht, denn er hat uns dazu berufen und auserwählt, dass wir heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe sein sollten, indem er sich eine solche heilige Gemeinde auserwählt, welche weder Flecken noch Runzeln hat, sondern dass sie heilig, unsträflich und untadelhaft vor ihm in der Liebe wandle. Darum seid fleißig in eurem ganzen Wandel, weil geschrieben steht: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. Ach sehet, meine lieben Brüder, es ist Zeit euch vorzusehen, denn die Axt ist nun den Bäumen an die Wurzel gelegt; ein jeder Baum aber, der keine guten Früchte bringt, soll abgehauen und ins Feuer geworfen werden. Denn es werden nicht alle, die da sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen meines Vaters im Himmel tun; darum, wenn ihr den Sünden abgestorben und durch die Erkenntnis der Wahrheit gereinigt seid, so müsst ihr nicht müßig sein, damit der Teufel die sieben Geister nicht zu sich nehme und zu euch wiederkomme, und das Letztere ärger werde als das Erste.

Darum lasset die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten, auch übergebt nicht der Sünde eure Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit, sondern übergebt euch selbst Gott, als solche, die da aus den Toten lebendig sind, und eure Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit und bittet, dass eure Flucht nicht im Winter oder auf den Sabbat geschehe und wandelt nicht im Finstern, liebe Brüder, damit euch der Tag nicht wie ein Dieb überfalle. Werdet ihr also tun, so werdet ihr die Kinder des Lichtes und des Tages sein, denn das sind keine Kinder Gottes, die sich selbst des Glaubens rühmen, und solchen mit den Werken nicht beweisen, indem Christus sagt: So ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr es tut. Denn wer es weiß und tut es nicht, wird mit den Narren verglichen, weil der Knecht, welcher des Herrn Willen weiß und nicht tut, doppelt Streiche leiden wird. Die aus dem Grunde ihres Herzens glauben und ihren Glauben mit der Tat erweisen, sind rechte Kinder Gottes, und solche werden auch im Himmelreiche für Gläubige gehalten werden. Darum rate ich euch, und bitte mit Petrus, dass ihr allen Fleiß daran wendet, und in eurem Glauben Tugend, in der Tugend Bescheidenheit, in der Bescheidenheit Mäßigkeit, in der Mäßigkeit Gottseligkeit, in der Gottseligkeit brüderliche Liebe und in der brüderlichen Liebe allgemeine Liebe zeigt; denn wo solches reichlich bei euch ist, wird es euch weder faul noch unfruchtbar sein lassen in der Erkenntnis unseres Herrn Jesu Christi.

Und also wird euch der Eingang zum ewigen Leben reichlich dargereicht werden; wer aber dieses nicht hat, der ist blind und vergisst die vorige Reinigung seiner Sünden. Darum machet eure Seelen durch den Gehorsam der Wahrheit keusch, in rechter ungefärbter brüderlicher Liebe, und habt euch untereinander lieb aus reinem Herzen, als solche, die wieder von neuem geboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich durch das lebendige Wort Gottes, welches in Ewigkeit bleibt. Umgürtet die Lenden eures Gemütes, und seid nüchtern und setzet alle eure Hoffnung auf Gott, und habt untereinander eine brünstige Liebe, und seid gleichgesinnt; achtet auch nicht, was hoch ist, sondern haltet euch zu den Geringen, und lasst kein faules Geschwätz aus eurem Munde gehen; verschwendet auch nicht eure Zeit mit eitlen Worten, welche zu nichts nützen als zu einem ungöttlichen Leben und Wesen; sondern redet was holdselig sei zu hören, und nützlich zur Besserung, und lasset eure Worte immer in der Gnade mit Salz vermenget sein; denn Petrus sagt: So jemand redet, so rede er Gottes Wort, auf dass er allen Menschen ein Spiegel sein möge, und Christus sagt: Ihr seid das Salz der Erde; wo nun das Salz dumm wird, so ist es zu nichts mehr nütze, als dass man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten. Denn man zündet nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf den Leuchter, auf dass sie alle davon sehen mögen. Und ihr seid das Licht der Welt, lasset euer Licht leuchten vor der Welt, auf dass die Menschen eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Und Petrus sagt: Führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die, welche von euch afterreden, wie von Übeltätern beschämt werden, weil sie euren guten Wandel in der Furcht Gottes verspottet haben.

Und David sagt: Wer leben will und gute Tage sehen, der zähme seine Zunge, dass sie nichts Arges rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen; er wende sich vom Argen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach, denn die Augen des Herrn sehen auf den Gerechten und seine Ohren hören sein Gebet, aber das Angesicht des Herrn siehet auf den, der Böses tut. Darum hütet euch, dass das zornige Antlitz des Herrn euch nicht ansehe; denn am letzten Tage werden die Gottlosen rufen: O ihr Hügel und Berge, fallet auf uns und bedecket uns, damit wir nicht das zornige Antlitz dessen sehen, der auf dem Stuhle sitzt! Und Christus sagt: Es sei denn eure Gerechtigkeit besser als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Und abermals: Es sei denn, dass ihr umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Sehet, meine lieben Brüder und Schwestern, wenn ihr nicht erniedrigt seid, so wendet Fleiß an, dass ihr so werdet, denn die Worte Christi sind keine Lügen, wenn er sagt: Es werden an jenem Tage viele zu mir sagen: Herr, Herr! Haben wir nicht vor dir gegessen und getrunken und in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Dann aber werde ich ihnen bekennen, dass ich sie noch nie erkannt habe; gehet von mir alle ihr Übeltäter. Und Paulus sagt: Wer nach dem Fleisch lebt, muss sterben. Ach, Freunde, es sind viele unter euch, welche den Eseln und Maultieren nacharten, die in ihrem Gange so träge sind, dass sie mit Schlägen und Stößen getrieben werden müssen. Ach, das ist nicht nach der Liebe gewandelt; richtet die müden Knie und die lässigen Hände wieder auf, es ist lange genug geschlafen, denn Paulus sagt: Wache auf, der du schläfst und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten; seid ihr mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, wo Christus zur Rechten Gottes seines Vaters sitzt; trachtet nach dem, das himmlisch ist, und nicht nach dem, das irdisch ist.

Ach meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, seid doch Gottes Nachfolger als auserwählte Kinder, und wandelt in der Liebe, gleichwie er uns geliebt und sich selbst für uns zum Opfer und Gabe dahingegeben hat, Gott zu einem süßen Geruche; Hurerei aber und Unreinigkeit lasset nicht unter euch gefunden werden, gleichwie den Heiligen geziemt; auch nicht schandbare Worte und Narrengeschwätz, welche euch nicht geziemen, sondern vielmehr Danksagung; denn das sollt ihr wissen, dass kein Hurer, oder Unreiner, oder Geiziger, welcher ein Götzendiener ist, am Reiche Gottes Erbe hat. Darum seid nicht ihre Mitgenossen, denn ihr waret einst Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn; wandelt als Kinder des Lichts, denn die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit, und habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, sondern bestrafet sie vielmehr.

Darum ermahne ich euch als Mithelfer, denn der Herr sagt: Ich habe dich zur angenehmen Zeit erhöret und dir am Tage des Heils geholfen; nun ist die angenehme Zeit, nun ist der Tag des Heils; lasset uns niemandem Ärgernis geben, damit unser Dienst nicht gelästert werde, sondern in allen Dingen als Diener Gottes uns zeigen in großer Geduld, in Verfolgung, in Angst, in Schlägen, in Gefängnis, in Aufruhr, in Blöße, in Gefahr, bei dem Schwerte, in Keuschheit, in Erkenntnis, in Langmütigkeit, in Freundlichkeit, in dem Heiligen Geiste, in ungefärbter Liebe, in Worten der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Ehre und Schmach, durch gute Gerüchte und böse Gerüchte, als Verführer und gleichwohl wahrhaftig, als die da sterben und doch leben, als die Unbekannten und doch Bekannten, als die geschlagen und doch nicht getötet werden, als die Armen und die doch viele reich machen, als die nichts haben und doch alles besitzen.

Meine lieben Freunde, mein Mund hat sich aus brüderlicher Liebe zu euch aufgetan, und ich bitte euch demütig, dass ein jeder von euch gesinnt sei, wie Jesus Christus auch war, und erweiset solche Liebe in der Tat untereinander, denn das ist die Botschaft die ihr von Anfang gehört habt, dass ihr einander lieben sollt; denn wer nicht lieb hat, der bleibt im Tode, wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm? Meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, lasset uns nicht länger mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit lieben, und seid immer der Armen eingedenk und ein jeder teile nach seinem Vermögen mit Freuden mit, denn Gott hat einen fröhlichen Geber lieb, und Paulus sagt: Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er es mit Lust. Überlegt es einmal, ob ihr eifrig in der Liebe wäret, wenn es euch in der Welt wohlginge, ob ihr auch wohl zwei oder drei Stüber so leicht zu finden wissen würdet, um sie den Armen zu geben, als ihr sie zum Trinken und Spielen gefunden hättet? Dies sage ich nicht, meine lieben Freunde, als wollte ich euch gebieten oder euch beschweren, sondern ich sage es nur, dass ein jeder darin nach seinem schwachen Vermögen seine Liebe erweise. Ihr könnt doch das Gut nicht mitnehmen, und hierin könnt ihr ein Beispiel an mir nehmen, denn sie haben alles genommen, ja alles Geld, das wir hatten, und fragten auch dabei, ob wir nicht mehr hätten.

Darum ist es viel besser, dass ihr damit den Armen helft, als dass es die Obrigkeit einziehe, und wenn ihr euer Leben für eure Brüder geben wollt, wie viel mehr gebührt euch, euren Brüdern mit eurem zeitlichen Gute beizustehen, damit erfüllt würde, was geschrieben stehet: Die viel sammelten, hatten keinen Überfluss und die dagegen wenig sammelten, hatten keinen Mangel. Sehet auch zu, dass es aufrichtig zugehe, damit es ein Segen und kein Geiz sei, und damit das Opfer dem Herrn angenehm sei; denn die Handreichung solches bewährten Dienstes ersetzt nicht nur den Mangel der Heiligen, sondern macht sie auch darin wohltätig, dass viele um dieses bewährten Dienstes willen Gott danken. Darum wendet Fleiß an, dass ihr eure Liebe erweiset, damit dem Herrn dadurch gedankt und er gepriesen werden möge, und ihr euch in allen Dingen als Diener Gottes erweist. Leset Paulus an die Korinther; er wird euch lehren, wie ihr euch hierin Verhalten sollt, ja, ich bitte euch, dass wenn ihr solches gelesen habt, ihr darnach tut, denn es ist nötig; ferner bitte ich euch alle, die ihr den Ehestand erst angetreten habt, dass ihr doch in aller Demut, Einfalt und Freundlichkeit beieinander wohnen wollt; ihr jungen Weiber, seid doch euren Männern in der Furcht Gottes untertan; und ihr Männer, habt eure Weiber lieb, wie euch selbst, nehmt sie auf und traget sie in aller Demut und Freundlichkeit, ermahnt und unterrichtet sie herzlich mit dem Worte des Herrn, denn ihr wisset weder Stunde noch Zeit, wann euch der Herr voneinander nehmen wird. Nehmet ein Beispiel an mir und meiner Hausfrau, wie bald uns der Herr ihm zum Preise wieder voneinander geschieden hat. Darum wohnt beieinander in aller Demut, solange euch der Herr beieinander lässt, weil eure Zeit hier kurz ist, denn es gefällt dem Herrn wohl, seine Auserwählten bei sich zu haben.

Ferner bitte ich euch, meine lieben Brüder, dass ihr Fleiß anwenden wollt, auch wieder an andern zu wuchern, denn ich habe das Vertrauen zu dem Herrn, dass sich noch viele, die solches sehen und hören, zu der Wahrheit bekehren werden; was mich betrifft, so will ich auch mein Bestes tun an denen, die zu mir kommen.

Versammelt das arme zerstreute Häuflein wieder, welches ich sehr bejammere, denn sie wissen kaum, wo sie hingehen oder wohnen sollen, und sind mehr beängstigt, als wir hier; aber seid getrost, meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, und seid geduldig in eurer Verfolgung, denn obgleich wir mehr Raum haben, als ihr, wo wir sitzen, so werdet doch auch ihr die Städte Israels nicht durchwandeln, bis euch der Herr erlöset. Darum befleißiget euch, zusammenzukommen und einander zu trösten und zu ermahnen in dem Worte des Herrn, damit die Liebe unter euch nicht erlösche.

Darum ermahnt und unterrichtet einander in der Liebe Gottes; ich bitte auch euch, dass ihr unser in eurem Gebet nicht vergesset, und dass ihr auch an meine Frau einen Brief schreibet und sie tröstet, denn sie wird noch lange sitzen. Ferner lasse ich euch wissen, dass ich sehr erfreut bin und meinem Herrn Tag und Nacht nicht genug danken und Ihn loben kann wegen seiner großen Liebe, die er uns mitgeteilt hat, indem er uns beide würdig gemacht hat, um seines Namens willen zu leiden und um seiner Kraft und Stärke, die Er an uns erwiesen hat, auch um der Verheißung willen, die Er uns gegeben, denn dies ist die Stunde, um welche ich den Herrn so lange gebeten; ich habe mich selbst aber nicht gut oder würdig genug geachtet, um seines Namens willen zu leiden. Darum freue ich mich sehr, dass meine Stunde gekommen ist, dass ich von diesem Fleische erlöst werben soll.

So stärkt euch denn untereinander in der Liebe Gottes, und erwartet die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesu Christi in dem ewigen Leben. Dem aber, der euch ohne Anstoß behalten und euch vor das Angesicht seiner Herrlichkeit unsträflich und mit Freuden stellen kann, dem Gotte, der allein weise ist, unserem Erlöser, sei Ehre und Macht, Reichtum und Kraft nun und in Ewigkeit, Amen. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kusse des Friedens.

Lasst diesen Brief alle Freunde hören, denn ich habe euch aus brüderlicher Liebe geschrieben, und es ist mir leid, dass ich euch nicht mehr schreiben kann. Seid dem Herrn alle anbefohlen. Grüßt mir G. S. H. D. in dem Herrn, denn ich liebe sie von Herzen, und auch alle Brüder und Schwestern in dem Herrn. Nehmt diese geringe Ermahnung zum Besten auf, denn ich bin in meinem Geiste angetrieben worden, euch ein wenig zu ermahnen.

Geschrieben im Gefängnisse von mir, Hieronymus Segerß.