Die rechte Liebe Gottes und die Weisheit des Vaters stärke dich in Tugenden, mein allerliebstes Kind; der Herr des Himmels und der Erde, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, der Herr in Israel wolle dich in seinen Tugenden bewahren und deinen Verstand in seiner Wahrheit stark und kräftig machen. Ich befehle dich, mein kleines, liebes Kind, dem allmächtigen, großen und schrecklichen Gott, der allein weise ist, daß Er dich bewahren und in seiner Furcht aufwachsen lassen wolle. Wenn Er dich in deiner Jugend nach Hause holen wollte, so würde der Wunsch meines Herzens erfüllt werden, indem du noch jung bist, und ich dich hier unter dieser bösen, argen und verkehrten Welt lassen muss.
Weil es denn der Herr nun so gefügt und verordnet hat, daß ich dich hier lassen muss, und du hier des Vaters und der Mutter beraubt bist, so will ich dich hier dem Herrn anbefehlen; Er tue mit dir, was sein heiliger Wille ist; Er wird dich wohl regieren und dein Vater sein, daß du hier keinen Mangel haben wirst, wenn du nur Gott fürchtest, denn Er will ein Vater der Waisen und ein Beschützer der Witwen sein.
Darum, mein liebes Schaf, ich, die ich hier um des Herrn willen gefangen und gebunden sitze, kann dir nicht anders helfen, indem ich deinen Vater hier um des Herrn willen habe verlassen müssen, welchen ich auch nicht lange gehabt habe; wir konnten nur ein halbes Jahr beieinander bleiben; nachher sind wir in Haft genommen worden, weil wir unserer Seelen Seligkeit gesucht haben. Sie haben mir ihn hier entnommen und wussten nicht, ob ich schwanger wäre; ich musste noch in Haft bleiben und ihn vorangehen sehen; daß ich hier sitzen bleiben musste, hat ihn sehr betrübt. Nachdem ich nun hier die Zeit zugebracht und dich mit großer Betrübnis neun Monate unter meinem Herzen getragen, auch dich nachher im Gefängnis mit großen Schmerzen geboren habe, so haben sie mich dir entnommen; ich liege jetzt hier, sodass ich jeden Morgen den Tod erwarte und deinem lieben Vater bald nachfolgen werde. Darum schreibe ich, deine liebe Mutter, dir, meinem lieben Kinde, etwas zum Andenken, damit du dabei deines lieben Vaters und deiner lieben Mutter eingedenk sein mögest.
Da ich nun dem Tode übergeben bin und dich hier allein lassen muss, so erinnere ich dich mit diesem kurzen Schreiben, daß, wenn du zu deinem Verstand gekommen sein wirst, dich befleißigen wollest, Gott zu fürchten; erwäge und untersuche, warum und um wessen Namen willen wir beide gestorben sind, und schäme dich nicht, uns vor der Welt zu bekennen, denn du sollst wissen, daß es nicht um des Bösen willen geschehen ist. Darum schäme dich unserer nicht; es ist der Weg, den die Propheten und Apostel gewandelt sind, und der enge Weg, der zum ewigen Leben einführt, denn es wird kein anderer Weg gefunden werden, um selig zu werden.
Darum, mein junges Schaf, um derentwillen ich noch große Traurigkeit habe und gehabt habe, du wollest doch, wenn du zu deinem Verstand gekommen sein wirst, diesem engen Wege nachforschen, wiewohl oft, dem Fleische nach, viele Gefahr darauf vorkommt, wie man wohl sehen und lesen kann, wenn man die Schrift oft untersucht und liest, daß darin viel von dem Kreuz Christi die Rede ist; auch sind viele Feinde des Kreuzes in dieser Welt, die sich demselben entziehen wollen und ihm zu entlaufen suchen. Aber, mein liebes Kind, wollen wir mit Christo die Seligkeit suchen und ererben, so müssen wir auch sein Kreuz tragen helfen, und das ist das Kreuz, das Er von uns getragen haben will, daß wir seinen Fußstapfen nachfolgen und seine Schmach tragen helfen; denn Christus sagt selbst: »Ihr sollt verfolgt, getötet und verjagt werden um meines Namens willen;« (j)a, Er ist selbst diesen verachteten Weg vor uns hergegangen, und hat uns ein Exempel hinterlassen, daß wir seinen Fußstapfen nachfolgen sollen, denn um seinetwillen muss man alles verlassen, Vater, Mutter, Schwester, Bruder, Mann, Kind, ja, sein eigenes Leben.
Nun muss ich dieses alles auch um des Herrn willen verlassen, leiden und tragen, deren die Welt nicht wert ist; denn wären wir in der Welt stecken geblieben, wir hätten keine Not gehabt, denn als wir mit der Welt eins waren und Abgötterei trieben, auch allerlei Ungerechtigkeit liebten, so konnten wir bei der Welt wohl im Frieden sitzen; aber weil wir begehrt haben, Gott zu fürchten und solche ungebührliche Wege zu meiden, indem wir wissen, daß solches Gott nicht gefallen könne, so haben wir solches alles zu meiden gesucht und uns vom Götzendienst zu dem lebendigen Gottesdienst gewandt, und haben gesucht hier in der Stille unsern Glauben mit Freundlichkeit zu beleben. Da haben sie uns nicht in Ruhe gelassen, sondern haben unserm Blut nachgestellt, sodass wir jedermanns Raub sein und hier alle der Welt Schauspiel werden mussten.
Sie suchen uns hier zu ermorden und zu verbrennen; wir werden hier an Pfosten und Pfähle gesetzt, und das Fleisch wird den Würmern zur Speise gegeben.
Darum, mein liebes Kind, es wird nun an deinem lieben Vater und deiner Mutter erfüllt, was uns zuvor geweissagt worden ist; aber es ist nicht jeder dazu erwählt, und hat es auch nicht jeder zu erwarten; uns aber hat der Herr dazu erwählt. So folge denn, wenn du zu deinem Verstand kommst, dem Exempel deines Vaters und deiner Mutter nach. Mein liebes Kind, dieses ist mein Begehren an dich, denn du bist noch sehr klein und jung; ich habe dieses geschrieben, als du erst einen Monat alt warst. Und weil ich nun bald, mit des Herrn Hilfe, mein Opfer verrichten werde, so hinterlasse ich dir dieses, daß du doch mein Verlangen erfüllen, und dich allezeit zu denen halten wollest, die Gott fürchten; und sieh nicht auf der Welt Pracht und Prahlen, noch auf den großen Haufen, dessen Weg zu dem Abgrund der Hölle führt, sondern sieh auf das kleine israelitische Häuflein, das doch nirgends Freiheit hat, und allezeit von einem Lande in das andere fliehen muss, wie Abraham tat, damit du nachher dein Vaterland erlangen mögest; denn, wenn du deine Seligkeit suchst, so kannst du leicht merken, welches der Weg sei, der zum Leben, und welches der Weg, der zur Hölle führt. Suche vor allen Dingen das Himmelreich und seine Gerechtigkeit, dann wird dir alles zugeworfen werden, was dir nötig ist.
Weiter, mein liebes Kind, bitte ich dich, du wollest dich allezeit ehrlich halten, wenn du groß sein und Verstand haben wirst, es sei, wo es sei, damit niemand Ursache habe, über dich zu klagen. Sei allezeit getreu, und sieh dich wohl vor, daß du niemanden übervorteilst; lerne deine Hände allezeit rein halten und sieh, daß du auch gern arbeitest, denn Paulus sagt: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen; und Petrus sagt: Wer lange leben und gute Tage sehen will, der bezähme seine Zunge, daß er nichts Böses rede.
Darum, meine liebe Janneken, gewöhne doch deinen Mund nicht zum faulen Geschwätz, noch auch zu schandbaren Worten, die sich nicht geziemen, oder zu den Lügen, denn ein Lügner hat keinen Teil am Reich der Himmel, indem geschrieben steht: Der Mund, welcher lügt, tötet die Seele. Darum hüte dich vor allen dergleichen und laufe nicht auf der Straße, wie andere ungezogene Kinder tun; nimm lieber ein Buch in die Hand, und lerne daraus, was zu deiner Seligkeit dient.
Sei denen Untertan, bei denen du im Hause wohnst; wenn sie von denen übel reden, die dir das Brot geben, so rede du wohl von ihnen, und lerne allezeit gern etwas tun; halte dich auch in keiner Sache für zu gut, und erhebe dich nicht selbst, sondern mache dich den Geringen gleich und ehre allezeit die Alten, wo du auch bist.
Ich lasse dich hier; ach, hätte es dem Herrn gefallen, daß ich dich hätte aufziehen mögen, ich hätte gern mein Bestes daran gewandt; aber es scheint, daß es des Herrn Wille nicht sei; und wenn es auch nicht so gekommen, sondern ich bei dir eine Zeitlang geblieben wäre, so hätte mich Gott gleichwohl von dir hinwegnehmen können, sodass du meiner auch hättest ermangeln müssen, wie es mit mir und deinem Vater ergangen ist, denn wir durften nur eine kurze Zeit beieinander sein, in welcher Zeit wir so glücklich vereinigt waren, weil uns der Herr so wohl zusammengefügt hatte, daß wir uns einander nicht um die ganze Welt hätten verlassen wollen, und dennoch haben wir um des Herrn willen einander verlassen müssen; ebenso muss ich dich auch hier verlassen, mein liebstes Schaf. Der Herr, der dich erschaffen und gemacht hat, nimmt mich nun von dir, es ist sein heiliger Wille; ich muss nun diesen engen Weg durchwandern, welchen die Propheten und Märtyrer Christi durchpassiert sind und die vielen Tausende, welche den sterblichen Rock abgelegt haben, die um Christi willen hier gestorben sind und nun unter dem Altar darauf warten, bis ihre Zahl erfüllt werden wird, von welcher dein lieber Vater auch einer ist, und ich habe auch gute Hoffnung, ihm nachzufolgen, denn ich bin nun schon zum Tode übergeben, wie es den Anschein hat; wenn es aber des Herrn Wille nicht ist, wiewohl es so scheint, daß ich dem Tode übergeben wäre, so kann Er mich doch aus ihren Händen erlösen, und dich, mein Kind, mir wohl wiedergeben; ebenso wie der Herr dem Abraham seinen Sohn Isaak wiedergegeben hat, ebenso kann Er es noch jetzt tun; es ist noch derselbe Gott, der Daniel aus der Löwengrube und die drei Jünglinge aus dem glühenden Ofen erlöst hat; Er kann mich auch wohl aus der Menschen Hände erlösen.
Nun, mein liebes Kind, wenn dem auch nicht so wäre, so weiß ich wohl, daß Er getreu ist und seine Verheißungen treulich hält; darum halte dich allezeit, mein armes Waislein, in der Stille, und bin ich dir auch nebst deinem Vater entnommen, so wisse doch, daß du einen Vater im Himmel hast, der dich ohne Zweifel wohl versorgen kann. Wenn du erwachsen sein wirst, so wende Fleiß an, daß du lesen und schreiben lernst, denn es gereicht dem, der Gott fürchtet, zum Vorteile, und ist auch in dieser Not sehr ersprießlich, damit du diesen Brief bisweilen lesen könntest, so wie auch die anderen Briefe, die dein Vater hinterlassen hat; lies doch dieselben auch, und sei unserer dabei eingedenk. Liebe Janneken, viel weltliches Gut haben wir dir nicht hinterlassen, und ich habe dir nicht viel zu geben; was ich aber habe, das gebe ich dir; übrigens hinterlassen wir dir ein gutes Exempel, wie man Gott fürchten müsse; das ist besser als viel zeitliches Gut in dieser Welt; folge uns nur nach, du wirst Gutes genug haben. Du bist hier zwar arm, aber wenn du Gott fürchtest und die Sünde meidest, so wirst du viel Gutes ererben. Wie der Apostel an die Hebräer sagt: Mein Sohn, achte die Züchtigung des Herrn nicht gering, denn diejenigen, die ohne Züchtigung sein wollen, sind Bastarde und keine Kinder und Erben.
Darum, mein liebes Schäflein, lasse doch nicht nach um des Kreuzes willen Gott zu fürchten, denn einem Christen wird in dieser Welt nichts anderes zugeschickt, als viel Trübsal und Verfolgung, indem wir durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen müssen, denn Paulus sagt: Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden; und Christus sagt: Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert, denn der Knecht ist nicht besser als sein Herr, noch der Jünger über seinem Meister. Haben sie den Hausvater Beelzebub genannt, um wie viel mehr seine Hausgenossen? Haben sie den Herrn verfolgt, so werden sie uns auch verfolgen; haben sie ihn gehasst, so werden sie uns auch hassen, was darum geschieht, weil sie weder mich, noch meinen Vater erkannt haben, denn sein Reich war nicht von dieser Welt; wäre sein Reich von dieser Welt gewesen, die Welt hätte Ihn auch geliebt; aber weil sein Reich nicht von dieser Welt war, darum hasste Ihn die Welt. Ebenso ist es noch jetzt; weil unser Reich nicht von dieser Welt ist, darum hasst uns die Welt; aber es ist uns besser hier von der Welt verachtet zu sein, als daß wir dereinst sollten ewig trauern müssen; doch die hier das Saure nicht schmecken wollen, die haben dermaleinst das ewige Leben nicht zu erwarten, denn wir wissen, daß Paulus sagt, daß alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, verfolgt und jedermanns Raub sein müssen.
Darum, mein liebes Kind, sind die Propheten und Apostel uns auf diesem Weg vorgegangen, uns zu einem Beispiel, und noch viele tausend Gottesfürchtige; so hat auch Christus selbst sich um unsertwillen nicht geschont, sondern hat sich für uns in den Tod dahingegeben; wie sollte Er uns nicht alle Dinge geben? Darum bitte ich dich, mein allerliebstes Schaf, so lieb dir deine Seligkeit ist, suche auf diesem Wege nachzufolgen, denn das ist allein der Weg, der zum ewigen Leben führt. Ja, es kann niemand durch einen andern selig werden als allein durch Jesum Christum, wie Paulus sagt: Es mag kein anderer Grund gelegt werden, als der, der gelegt ist, welcher Christus ist; durch dessen Wunden wir geheilt und durch dessen Blut wir teuer erkauft sind; denn wir sind nicht mit Gold oder Silber erkauft, sondern durch seinen bittern Tod und durch sein teures Blut, das Er für uns vergossen hat, und wir waren wie verirrte Schafe in dieser Welt, aber nun sind wir durch sein köstliches, teures Blut erlöst und Er hat uns zu Erbgenossen und Erstlingen Christi berufen.
Alle diejenigen, die der Sünde abgestorben sind, haben ihr Leben gebessert und sind dadurch mit Christo in einem neuen Leben auferstanden, sodass sie sich selbst nicht mehr leben, sondern mit ihrem Leben dem Herrn angehören, und wenn sie leben, dem Herrn leben, oder wenn sie sterben, dem Herrn sterben; diejenigen, die sich selbst so gelassen darstellen, sie mögen leben oder sterben, gehören dem Herrn an, denn mein liebes Schaf, was soll denjenigen der Tod Christi nützen, die noch in ihren Sünden bleiben und sich von diesem unordentlichen Leben, worin sie noch stecken, nicht bekehren, wie Trunkenbolde, Totschläger, Ehebrecher, Götzendiener, Lügner, Verleumder oder Lästerer, welche Gott nicht gefallen mögen? Ihr Werk kommt doch nur vom Teufel; solchen allen sagt der Herr, daß sie das Reich Gottes nicht ererben werden, es sei denn, daß sie ihr Leben bessern und wenn sie sich nicht bessern, so wird es ihnen nichts helfen, daß Er gestorben ist. Sie wollen zwar auf Gottes Gnade hin sündigen, aber sie sagen nicht, daß Er gerecht ist; Er ist zwar wohl barmherzig, aber Er ist auch gerecht; wir dürfen auf seine Gnade hin nicht sündigen, denn wenn wir auch unser Bestes tun, den Herrn zu fürchten und nach unserm Vermögen uns selbst zu verleugnen, ja, wenn wir auch alles täten, was Er uns gebietet, wovon wir doch noch weit entfernt sind, so tun wir doch nur das, was uns anbefohlen ist; wir müssen auch dann noch bekennen, daß wir unnütze Knechte sind und noch nichts verdient haben, sondern des ewigen Todes schuldig sind, und wenn Er nicht barmherzig wäre, so könnten wir nicht selig werden. Darum dürfen wir auf seine Gnade hin nicht sündigen, sondern wir müssen stets alle unsere Kräfte daran wenden, dem nachzukommen, was Er uns gebeut.
Mein liebes Schaf, wir können doch nichts verdienen, sondern müssen durch die Gnade die Seligkeit ererben; darum suche allezeit Gott zu fürchten, denn die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang, und wer den Herrn fürchtet, wird Gutes tun; demselben wird es in dieser und der zukünftigen Welt gelingen. Halte dich allezeit zu denen, die den Herrn von Herzen zu fürchten suchen; stelle dich dieser Welt nicht gleich, und wandle nicht in einem unordentlichen Leben, denn die Welt wird vergehen, und alle Menschen, die ihr dienen, werden mit ihr vergehen. Habe auch keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, sondern bestrafe sie vielmehr und verändere dich durch die Erneuerung deines Lebens, damit du die Tugenden verkündigen mögest, wozu dich Gott berufen hat.
Ach, mein allerliebstes Schaf, möchtest du doch die Wahrheit erkennen, wenn du zu deinem Verstand gekommen sein wirst, und deinem lieben Vater und deiner Mutter nachfolgen, die dir vorgegangen sind, denn dein lieber Vater hat es mit seinem Blute bewiesen, daß es die rechte Wahrheit sei, und ich hoffe dasselbe auch mit meinem Blute zu bezeugen; und obgleich Fleisch und Blut an den Pfosten und Pfählen hängen bleiben muss, so weiß ich doch gewiss, daß wir dermaleinst wieder zusammenkommen werden. Folge uns nach, mein liebes Schaf, damit du auch dahinkommen mögest, wohin wir kommen werden, und wir einander dort finden mögen; dann wird der Herr sagen: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch von Anbeginn bereitet ist; dann wird unsere Freude auch nicht von uns genommen werden, und haben sie uns auch hier voneinander geschieden, sodass wir nun dir entnommen sind und dir vorgehen müssen, so weiß ich doch, daß es des Herrn gewesen ist; hätte es dem Herrn gefallen, Er hatte es ja anders verordnet.
Darum, mein liebes Kind, gib dich zufrieden; Er weiß, was Er an dir ersehen hat, weil ich dich hier lassen muss; sei hier allezeit ehrbar und freundlich gegen alle Menschen; wenn du zu deinem Verstand gekommen sein wirst, laß deine Bescheidenheit allen Menschen kund werden.
Ich lasse dich hier unter meinen Freunden, und hoffe, daß mein Vater und meine Stiefmutter, meine Brüder und meine Schwestern an dir das Beste tun werden, solange sie leben; sei ihnen Untertan und ihnen allein gehorsam, insofern es nicht wider Gott ist. Dasjenige, was mir von meiner Mutter zukommt, nämlich dreißig Gulden und darüber, hinterlasse ich dir; ich weiß nicht, wie viel es ist, denn ich habe hier lange gesessen; ich weiß nicht, was dieses alles gekostet hat; ich hoffe aber, meine liebe Schwester Grietgen, die mir so viel Freundschaft erwiesen hat, werde hierin das Beste tun und dir geben, was dir zukommt. Was dir von Seiten deines Vaters zukommen möchte, weiß ich nicht, denn von seinen Eltern habe ich keine Nachrichten einziehen können, weil es so weit von hier ist; bekommen sie Nachricht von dir, so können meine Freunde hierin das Beste tun.
Und nun, mein liebes Schaf Janneken, die du noch sehr klein und jung bist, diesen Brief hinterlasse ich dir nebst einem Goldstück, das ich bei mir im Gefängnis gehabt habe; dasselbe hinterlasse ich dir zum ewigen Abschied und zum Testament, damit du meiner dabei eingedenk sein mögest, wie auch bei diesem Briefe. Lies ihn, wenn du zum Verstand kommst, und bewahre ihn solange, wie du lebst, zu meinem und deines Vaters Andenken, damit du dadurch erbaut werden mögest. So sage ich dir nun hiermit, meine liebe Janneken Munstdorp, gute Nacht, und küsse dich herzlich, mein liebes Schaf, mit dem ewigen Kusse des Friedens; folge mir und deinem Vater nach, und schäme dich nicht, uns vor der Welt zu bekennen, denn wir haben uns auch nicht geschämt, unsern Glauben vor der Welt und diesem ehebrecherischen Geschlecht zu bekennen; darum bitte ich dich, du wollest dich auch nicht schämen, unsern Glauben zu bekennen, denn es ist der rechte, evangelische Glaube, und es wird in Ewigkeit kein anderer gefunden werden.
Halte dir das rühmlich dar, daß wir um keiner Übeltat willen gestorben sind, und strebe auch darnach, und sollte man dich auch zu töten suchen, so laß dich doch durch nichts abhalten Gott über alles zu lieben, denn, wenn du nach dem Guten strebst, so kann dich niemand verhindern, Gott zu fürchten. Suche den Frieden und jage ihm nach, dann wirst du die Krone des ewigen Lebens empfangen; diese Krone wünsche ich dir, und den gekreuzigten, blutigen, nackenden, verachteten, verstoßenen und getöteten Jesum Christum zum Bräutigam.
Dieses wünsche ich dir zum ewigen Testament und zum ewigen Abschied, mein liebes Schaf.
Denke dabei an deinen lieben Vater und an mich, deine liebe Mutter, die ich dieses zu deiner Erbauung eigenhändig geschrieben habe; trage auch das Goldstück und diesen Brief als ein ewiges Testament bei dir, ich sage dir hiermit zum Abschied gute Nacht; ich hoffe diesen Brief mit meinem Blut am Pfahle zu versiegeln.
Ich befehle dich hiermit dem Herrn und dem tröstlichen Worte seiner Gnade, und sage dir noch einmal gute Nacht; ich hoffe dich zu erwarten; folge mir nach, liebstes Kind. Noch einmal, gute Nacht, mein Liebstes auf Erden, gute Nacht, und nichts mehr; gute Nacht, folge mir nach; gute Nacht zum Abschied.
Geschrieben den 10. August, im Jahre 1573 zu Antwerpen.
Dieses ist das Testament, das ich im Gefängnis für meine Tochter Janneken geschrieben, die ich hier während meiner Banden getragen und geboren habe.
Von mir, deiner liebsten Mutter Janneken Munstdorp, gefangen um des Herrn willen.
Mit diesem Testament haben wir auch einen Brief empfangen, welchen Janneken von Munstdorp an ihren lieben Vater und ihre liebe Mutter geschrieben hat, welche (wie es scheint) noch nicht zum wahren Glauben gekommen waren, worin sie dieselben zum Besten ermahnt, und ihnen unterdessen ihr Kindlein anbefiehlt.