Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.593

Zum Inhaltsverzeichnis

2.593  Der sechste Brief von Martin von der Straasen und sein Weib Beliken, an Adam V. L. und sein Weib.

Ich, Martin von der Straasen, und Beliken von der Straasen, mein herzgründlich geliebtes und wertes Weib, die wir beide um des Wortes des Herrn willen gefangen sind, wünschen unserm geliebten Bruder und unserer geliebten Schwester viel Gnade und Barmherzigkeit von Gott, unserm himmlischen Vater, der droben in der Höhe wohnt, in einem Lichte, wo, wie Paulus schreibt, niemand hingelangen kann. Überdies wünschen wir euch, daß ihr die Liebe seines Sohnes haben möget, damit ihr denen ein Licht seit, die in Finsternis sitzen, und daß ihr wie ein heller Morgen unter den Blinden, die auf dem Wege irren, leuchten möget, und so dereinst, wie Jesaja schreibt, den König in seiner Schöne sehen, und nach dieser Zeit die vollkommene und unaussprechliche Freude und Wonne erlangen mögt, die von Ewigkeit zu Ewigkeit währen wird.

Dieses wünschen wir unsern lieben Freunden in dem Herrn aus Kraft unserer Seele durch ein zugeneigtes Herz.

Einen herzgründlichen und liebreichen Gruß schreibe ich an euch, unsern sehr geliebten Bruder Adam V. L. und Maryken, dein sehr geliebtes Weib; wir beiden Gefangenen lieben euch, wie oben gesagt ist (nach Paulus Reden) mit göttlicher Liebe und aus reinem Herzen, wie Petrus schreibt, das weiß der allmächtige Herr, der alle Dinge mit feuerflammenden Augen durchsieht.

Ferner, nach allem gebührlichen und christlichen Gruße, lasse ich eure Liebe wissen, daß ich und mein herzgründlich geliebtes Schaf, welches ich mit Freudentränen bei der Hand genommen, dem Herrn sei ewiges Lob, noch ziemlich gesund sind, sowohl dem Fleische als dem Geiste nach, Gott sei gepriesen; auch ist unser Gemüt noch so bestellt, daß wir durch des Herrn Hilfe mit Eleazar erwählen, lieber ehrlich zu sterben, als schändlich zu leben. Doch, lieber Bruder und liebe Schwester in dem Herrn, haben wir daneben ein gutes und festes Vertrauen auch zu euch, daß ihr, beide an Seele und Leib gesund und bereit seid, den Bund zu halten, den ihr mit dem allmächtigen Gotte gemacht habt; weshalb uns auch Mose ermahnt, daß wir allezeit des Bundes eingedenk sein sollen, den wir einmal mit dem Herrn aller Herren gemacht haben. So lehrt uns auch Paulus noch ausführlicher, daß wir an den Tag denken sollen, an welchem wir erleuchtet worden sind. Der barmherzige König und Gott aller Götter, der, wie der Prophet spricht, in der Not Brot und in dem Durste Wasser gibt, und der an dem Tage der Trübsal die Sünde vergibt, müsse euch und uns alle stärken und durch seinen Heiligen Geist kräftig machen, damit wir, wie Lukas schreibt, Ihm in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit unser Leben lang dienen mögen. Lasst uns, ach liebe Freunde, den Herrn allezeit vor Augen haben, wie David sagt: Ich habe den Herrn allezeit vor Augen; und abermals sagt er: Ein Ding bitte ich vom Herrn, das hätte ich auch gern, daß ich im Hause des Herrn bleiben möchte mein Leben lang, und den schönen Gottesdienst des Herrn schauen und seinen Tempel besuchen möchte, denn er bedeckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, und verbirgt mich heimlich in seinem Zelt, und erhöht mich auf einen Felsen. Darum, ach Geliebte und Werte, lasst uns doch allezeit das Angesicht des Herrn mit aller Demut suchen, und unsers Berufes wohl wahrnehmen, und auf die Zeit merken, denn Paulus sagt: Es ist eine böse Zeit, denn die Zungen der Bauleute des Babylonischen Turmes sind uneins geworden; ebenso sagt auch David: Frevel und Hader ist in der Stadt; solches geht Tag und Nacht um und um in ihren Mauern; es ist Mühe und Arbeit darin; Schaden tun regiert darin; Lügen und Trügen lässt nicht von ihren Gassen. Desgleichen sagt auch der Prophet: Sie fürchten Gott nicht, denn sie legen ihre Hände an seine Friedsamen und entheiligen seinen Bund. Ihr Mund ist, wie David sagt, glatter als Butter und haben doch Krieg im Sinne; ihre Worte sind gelinder als Öl, und sind doch bloße Schwerter. Darum, ach liebe und werte Freunde, lasst uns doch allezeit im Geiste scharfe Wache halten und unsern Gott von Herzen fürchten und Ihm mit Bitten und Flehen anhangen, wie der königliche Prophet David sagt: Ich will, sagt er, zu Gott rufen, und der Herr wird mir helfen; des Abends, Morgens und Mittags will ich klagen und heulen, dann wird Er meine Stimme erhören.

So ruft denn, liebe Freunde, wenn ihr in Not seid, zu dem Herrn, und lasst euch das Marawasser nicht zu bitter werden, sondern denkt daran, daß wir, wie Paulus sagt, durch viel Druck und Trübsal in das Reich Gottes eingehen müssen; denn dasselbe lehrt uns auch Christus im Evangelium, wenn Er sagt: Das Himmelreich leidet Gewalt, und die ihm Gewalt antun, reißen es zu sich. Darum, lieber Bruder und liebe Schwester, lasst uns doch unser Kreuz freiwillig tragen, und unsern Rücken den Schlägern darbieten, und es nicht achten, wie sehr die Sonne brennt, denn der Knecht ist doch nicht über seinem Meister oder Herrn; haben sie den Hausvater Beelzebub genannt, um wie viel mehr dann seine Hausgenossen? Auch lehrt uns Petrus: Weil denn Christus im Fleische gelitten hat, so wappnet euch auch mit demselben Sinne, denn wer am Fleische leidet, der hört auf von Sünden, damit er (was noch rückstelliger Zeit im Fleische ist) nicht nach der Fleischeslust, sondern nach dem Willen Gottes lebe, denn es ist genug, daß wir die vergangene Zeit nach heidnischem Willen zugebracht haben, wo wir in Unzucht, Lüsten, Trunkenheit, Fresserei, Sauferei und gräulichen Abgöttereien wandelten.

Darum, ach liebe Freunde, lasst uns nun auch nicht mehr nach dem Willen des Fleisches leben, um seine Lust zu erfüllen, sondern lasst uns allein wandeln, wie Paulus schreibt, würdig nach dem Evangelium, und lasst uns nicht mit den Ungläubigen am fremden Joche ziehen, denn was hat die Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit zu tun? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis, oder wie stimmt Christus mit Belial überein? Was hat der Gläubige mit dem Ungläubigen zu schaffen, oder was hat der Tempel Gottes für Ähnlichkeit mit den Götzen? Denn ihr seid, sagt Paulus, der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Darum geht aus von ihnen, und sondert euch ab, und rührt nichts Unreines an, dann will ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein.

Darum, ach mein lieber Bruder und meine liebe Schwester, lasst uns doch dem Herrn mit treuem Herzen dienen, und unsern Fuß von jedem bösen Wege abhalten; lasst uns unter den Heiden einen keuschen und reinen Wandel führen, damit wir, wie Paulus schreibt, dem Lästerer nicht Raum geben zu lästern, sondern lasst uns in allen Dingen mit einfältigem Herzen des Herrn Ehre suchen, damit wir, wie Paulus sagt, das Evangelium mit guten Werken schmücken mögen. Darum, ach liebe Freunde, lasst es euch nicht verdrießen, Gutes zu tun, denn was ihr jetzt mit Tränen sät, das werdet ihr zu seiner Zeit, wie Paulus schreibt, reichlich und im Überfluss mit Freuden einernten. So lasst uns denn mit Fasten und Weinen den Herrn bitten, daß wir an dem bösen Tage bestehen und mit Ihm von Ewigkeit zu Ewigkeit leben mögen, Amen.

Weiter, meine geliebten Freunde, wissen wir für jetzt euch nicht viel mehr zu schreiben, um unseres geringen und einfachen Verstandes willen, nur daß wir euch dem Herrn und seinem trostreichen Worte empfehlen, und euch gute Nacht sagen.

Ich, Martin und Beliken von der Straasen, meine Liebste, haben dieses wenige aus Gunst und nach eurem Begehren an euch geschrieben, und bitten euch, daß ihr es mit Dank aufnehmen wollt; wir begehren auch euer Gebet zu unserer Hilfe.

Zum Abschied grüßt uns die Bekannten; auch danken wir euch für alle Wohltaten, die ihr uns erwiesen habt.

Endlich lässt euch Adrian sehr grüßen; auch lassen euch Hansken, Margriet und Lou herzlich grüßen; Dingentgen und wir alle zusammen begehren, daß ihr für uns beten wollt; jetzt nichts mehr.

Als tut das Beste, bis ihr seid Am End’ und Ausgang eurer Zeit. Wir, eure lieben Freunde, Martin von der Straasen und Beliken von der Straasen.