Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.186

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2.186  Peter von Olmen, oder von Werwyk, wird zu Gent getötet, 1552.

Ein Brief von Peter Olmen, genannt von Werwyk, welchen er im Gefängnisse zu Gent geschrieben hat, wo er um des Zeugnisses Jesu willen, im Jahre 1552, sein Leben gelassen hat.

Die überfließende Gnade und der Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Jesu Christo sei mit euch. Gnade und Friede sei mit euch von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesu Christo, der ein Vater der Barmherzigkeit und ein Gott allen Trostes ist, der uns in all unserer Trübsal tröstet, damit wir auch diejenigen trösten mögen, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Troste, womit wir von Gott getröstet werden, denn wie wir des Leidens in Christo viel haben, so werden wir auch durch Christum getröstet. Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft uns, die wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen, eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Wir wissen aber, wenn unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Über dasselbe sehnen wir uns auch nach unserer Behausung, die im Himmel ist, und uns verlangt, daß wir damit überkleidet werden. So doch, wo wir bekleidet und nicht nackend erfunden werden, denn weil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert, indem wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollten, damit das Sterbliche von dem Leben verschlungen würde. Derjenige aber, der uns zu demselben bereitet, ist Gott, der uns das Pfand, den Geist, gegeben hat. Wir sind aber getrost allezeit und wissen, daß, weil wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem Herrn, denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen; wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem Herrn. Ich ermahne euch, liebe Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr euch untereinander fleißig versammeln wollt, um einander guten Unterricht von der ewigen Wahrheit unseres Seligmachers zu geben, weil ihr Zeit habt, denn wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern erwarten eine andere, und das mit Geduld.

Darum, liebe Brüder und Schwestern, nehmt des Herrn Wort wohl zu Herzen und merkt darauf, was der Herr sagt, damit, wenn ihr versucht werdet, ihr feststehen mögt; denn ich sage euch, liebe Brüder, daß man einen ernstlichen Kampf führen muss, ja, viel ernstlicher als ich dachte, denn sie setzten uns mit sehr listigen Fragen und süßen Worten zu, womit sie uns fangen und abwendig machen mögen. Darum, liebe Brüder, gebt einander gute Anweisung darüber, welches der Weg des Herrn und welches der Weg des Teufels, welches der lautere Gottesdienst und der Dienst des Teufels und der Abgötter sei; desgleichen auch, welches die Kinder des Herrn und die Kinder des Teufels sind, denn die Kinder des Herrn sind nicht von dieser Welt, darum hasst sie die Welt; sie leiden alle Verfolgung; sie werden wie Schlachtschafe zum Tode geführt und von allen Menschen gehasst; sie müssen jedermanns Raub sein; sie haben nirgends einen sichern Ort; sie sind allen Menschen in der Welt und jedermanns Ausfegsel; sie weinen und heulen und die Welt freut sich darüber; sie werden geschmäht, weil sie auf den lebendigen Gott hoffen. Hier erkennt man, welche die Kinder des Herrn und die Kinder des Teufels sind; wer recht tut, ist gerecht, gleichwie er gerecht ist, wer Sünde tut, der ist vom Teufel. Ach, darum, liebe Kindlein, liebt nicht die Welt, noch was in der Welt ist, denn wenn jemand diese Welt liebt, in demselben ist nicht die Liebe des Vaters; denn alles, was in der Welt ist, nämlich Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt und diese Welt vergeht mit ihren Lüsten; wer aber den Willen des Vaters tut, bleibt in Ewigkeit.

Meine sehr Geliebten! Wisst, daß ich mit den Herren der Finsternis und den falschen Propheten einen großen Kampf gehabt habe, denn sie sagen, man möge wohl hören und von ihnen Unterricht empfangen, wiewohl sie nicht nach des Herrn Gebot leben. Da fragte ich so: Ist derjenige nicht von dem Herrn entfremdet, der nicht in den Geboten des Herrn wandelt? Sie antworteten: Ja. Darauf sagte ich, daß Christus gesagt habe: Meine Schafe hören meine Stimme und sie folgen mir, aber der fremden Stimme folgen sie nicht, sondern fliehen davor; wenn ich nun einen Fremden hören würde, so wäre ich von Christi Schafen nicht, denn die Schafe Christi hören den Fremden nicht. Antwort: Sie predigen aber doch die Wahrheit; das Wort leidet um deswillen keinen Abbruch. Dann sagte ich: Johannes sagte: Wer da sagt, er kenne Gott und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und es ist keine Wahrheit in ihm; ist nun keine Wahrheit in ihm, wie kann er denn die Wahrheit reden? Also müsste Johannes lügen. Christus sagt: Ein böser Baum kann keine guten Früchte bringen. Ferner sagt er: Wie könnt ihr Gutes reden, während ihr böse seid? Löst diese Frage auf, so will ich euch glauben. Ich sage euch, wenn einer der Eurigen auch ein Testament nehme und läse dasselbe in eurer Kirche vom Anfange bis zum Ende, wie die Apostel geschrieben haben, so will ich ihm beweisen, daß er lügt; lasst aber dieselben Worte einen Menschen reden, der in den Wegen des Herrn wandelt, der wird die Wahrheit sagen; wenn aber jemand von den Eurigen diese Worte in eurem Tempel über Trunkenbolde, Ehebrecher, Diebe, Mörder, Geizige, Verleumder oder Lästerer usw. predigen und sagen würde: Ihr seid das auserwählte Volk, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, damit ihr die Tugenden desjenigen verkündigt, der euch von der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte berufen hat, die ihr vor Zeiten kein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, und früher nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid; wenn er nun, sage ich, diese Worte über das böse Volk redete, würde er nicht daran lügen? Würde aber ein gottesfürchtiger Mensch sie über das gottesfürchtige Volk aussprechen, so würde er die Wahrheit sagen. Ferner, wenn ihr predigen würdet: Wir sind um deinetwillen wie Schlachtschafe zum Tode geführt; würdet ihr nicht auch daran lügen? Aber ein Gottesfürchtiger würde die Wahrheit sagen. Wir hatten noch mehr dergleichen Gespräche, aber sie waren fruchtlos. Dann fragte ich, ob des Herrn Kinder nicht alle geistlich sein müssen? Er antwortete: Ja, sie müssen. Darauf fragte ich, warum man denn sie Geistliche, die andern aber Weltliche nenne, da sie doch alle Geistliche sein müssten. Das konnten sie nicht beweisen. Darauf sagte ich: Christus bittet nicht für die Welt, sondern für diejenigen, welche nicht von der Welt sind; seid ihr nun Geistliche, wie kommt es denn, daß ihr nicht eines Sinnes seid? Denn der eine darf anders nicht als in grauer Farbe gehen und kein Geld anrühren, auch müssen seine Schuhe oben ein Loch haben, andere müssen ganz schwarz, die übrigen aber in bunten Farben gekleidet gehen, andere essen nichts Gekochtes, und wenn sie Vater oder Mutter sehen, dürfen sie dieselben nicht anreden; wenn sie aber dieselben nicht sehen, so reden sie mit ihnen. Ich fuhr fort: Diese alle sind verschiedene Sekten und sind alle von Menschen gepflanzt, nicht aber von Gott, darum werden sie alle ausgerottet werden; hierauf wussten sie nicht viel zu antworten. Da sagte ich: Eure Lehre ist die Lehre des Teufels, denn, was unter euch geschieht und beobachtet wird, streitet mit der Wahrheit, gleichwie auch Paulus sagt, daß in den letzten Zeiten einige vom Glauben abtreten und den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel anhangen werden, die da verbieten ehelich zu werden, und die Speise, die Gott erschaffen hat, zu meiden. Nun sehe ich, daß ihr solche Lehre habt, denn ihr verbietet ehelich zu werden und die Speise zu gebrauchen; hierauf hieß man mich weggehen.

Nicht lange nachher kam der Diakon von Ronsen mit einem andern Pfaffen; dieselben setzten mir mit listigen Fragen scharf zu, aber der Herr bewahrte mich, daß ich nicht verraten wurde; er fragte mich, ob ich nicht glaube, daß das Brot, welches Christus seinen Aposteln gegeben, der Leib Christi sei, wie er sagte: Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird. Ich antwortete: Das Brot ist nicht der Leib Christi gewesen, der für uns gebrochen worden ist; es war nur zum Andenken. Darauf sagte er: Das Brot verändert sich in seinen Leib; ich aber erwiderte, daß es nur zum Andenken wäre und nicht der Leib selbst. Dann fragten sie mich von der Taufe, ob die Kinder nicht getauft werden müssten. Ich antwortete: Man findet nichts von einer Kindertaufe, sondern von einer Taufe des Glaubens. Sie entgegneten: Siehe, wir wollen beweisen, daß die Kinder getauft werden müssen. Sagt nicht Christus daselbst in Joh 3: »Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.« Da sagte ich, daß dies nicht zu den Kindern gesprochen, sondern zu denen, die es hören. Sie aber bestanden darauf, und damit wollten sie die Kindertaufe behaupten und aufrichten. In solcher Weise disputierten wir viel miteinander, aber kamen in nichts überein.

Darum ermahne ich euch, liebe Brüder und Schwestern, daß ihr einander von allen Dingen guten Unterricht geben wollt, nämlich vom Abendmahle, von der Taufe und von der Menschwerdung Christi, auch von den geistlichen Kindern und Weltkindern; wandelt weislich in der Furcht des Herrn, und fürchtet auch nicht die Menschen, wenn sie auch hässlich toben. Ich ermahne euch auch, liebe Brüdern und Schwestern, durch die Liebe unsers Herrn, daß ihr alle den Herrn für mich bitten wollt, damit ich standhaft aushalten möge, wenn ich versucht werde; ferner bitte ich, daß ihr meine geliebte Mutter, desgleichen auch meinen Bruder und mein Weib in allen Dingen fleißig unterrichten wollt, wenn sie sich etwa bekehren möchten. Der Herr erfülle euch mit seinem Geiste, Amen. Geschrieben mit Angst um des Volkes willen, welches allezeit daselbst war. Die überfließende Gnade und der Friede von Gott, dem Vater, und der Herr Jesus Christus sei mit euch. Amen.

Wer Gott fürchtet, wird wohltun.