Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.557

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2.557  Der dritte Brief von Jan Wouterß an die Gemeinde Gottes in Dortrecht, die um des Zeugnisses Christi willen nach allen Richtungen zerstreut waren.

An die zerstreuten Heiligen und die andern von Dortrecht. Gnade und Friede von Gott, unserm himmlischen Vater, und von dem Herrn Jesu Christo, und die Mitwirkung des heiligen Geistes vermehre sich allezeit bei euch allen zum Troste eurer Pilgerschaft, damit ihr in eurer Trübsal geduldig sein mögt, und die Geduld ein vollkommenes Werk in euch habe, damit ihr in demjenigen weder müde, noch matt werdet, was ihr zu eurer Seelen Seligkeit angenommen habt, die uns durch Christum geschehen und widerfahren ist; hierin haben wir uns zu erfreuen, sodass wir uns in unserer zeitlichen Trübsal erfreuen können. Gedenkt der Weissagung Christi, wenn er sagt: Ihr werdet heulen und weinen, und die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein; aber eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden, welche niemand wird von euch nehmen können. Ach, Geliebteste! Könnten wir so gemächlich in das Reich Gottes eingehen, wie könnten wir von dem schmalen Wege und der engen Pforte reden? Aber um der Trübsal willen können wir sagen, daß man den schmalen Weg wandeln und durch die enge Pforte eindringen und das Reich mit Gewalt durch viel Leiden und Widerwärtigkeit einnehmen müsse; dadurch wird bestätigt, daß der Knecht nicht besser sei, als sein Herr. Hat unser Haupt sein eigenes Reich durch viel Leiden und Verachtung einnehmen müssen, haben sie den Hausvater Beelzebub genannt, sollten sie dann seine Hausgenossen nicht auch so nennen?

Damit ihr aber dieses alles überwindet, und bis ans Ende standhaft bleiben mögt, so vertraut Gott, und glaubt an sein Wort, gleichwie ihr glaubt, daß er Himmel, Erde, das Meer und was darin ist, erschaffen hat; dann wird er euch wohl helfen, und den Streit für euch ausführen, daß ihr nicht zu Schanden werden sollt, denn der Apostel sagt: Ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein? Er, der auch seinen einigen Sohn nicht verschont hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Der allmächtige gute Gott gebe hierzu seine Gnade, daß ihr nicht wankt, oder an Gottes Verheißungen zweifelt; dadurch werdet ihr von der Furcht befreit werden, und werdet nichts darnach fragen, was euch auch Menschen zufügen, und werdet eure Seelen in Geduld fassen, bis auf den Tag, der euch trösten wird, Amen.

Nebst diesem herzgründlichen Wunsche an euer aller Liebe, habe ich Unwürdiger nicht unterlassen können, obgleich ich nur wenige Gaben habe, eurer Liebe ein wenig zu schreiben, dem Ältesten zur Stärkung und dem Jüngsten zur Freimütigkeit, damit ein jeder in dem Streite, der uns vorgelegt ist, stark anhalte, und ihr allezeit durch die Früchte eures Glaubens euren Beruf und eure Erwählung fest macht; dann wird euch der Eingang zu dem ewigen Reiche unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi reichlich dargereicht werden. Was wollt ihr denn mehr haben? Darum, du schöne Tochter Zions, fürchte dich nicht, weil dir der Eingang so reichlich bereitet ist.

O du schönste unter den Weibern! Darum müssen die hässlichen Runzeln, die dich verunstalten, dir genommen werden. O du schöne Braut Christi! Schmücke dich immer mehr mit dem hochzeitlichen Kleide der Gerechtigkeit, und auch deine Lampe mit dem herrlichen Glauben und der unvergänglichen Liebe, damit dieselbe nicht bei euch fehlen möge, wie sie den Törichten gemangelt hat, sondern stets überfließend sein möge, damit dadurch das Licht Christi in euch scheine und durch euch offenbart werde, Gott zum Preise, eurem Nächsten zur Erbauung, euren Seelen aber zur Seligkeit, der Welt zum Lichte und zum Zeugnisse über sie. Und wenn sie euch dann hassen, weil der helle Morgenstern, Christus Jesus, in euren Herzen aufgegangen ist, so ertragt das, und wundert euch nicht darüber, denn auch die Finsternis hat Christum, der selbst das Licht ist, für euch gehasst und ausgestoßen.

Es ist ihnen eure Person nicht im Wege, sondern weil die Wahrheit in euch ist, welche die Finsternis, das ist die Welt, mit Füßen tritt, darum werdet ihr jedermanns Raub; aber sei deshalb nicht erschrocken, o du Kriegerin, sondern eile fort nach deinem verheißenen Solde! Die Wahrheit, die in dir ist, wird überwinden, denn sie ist die allerstärkste. O du schöne Königin, denke stets daran, wie hässlich und ungewaschen du in deinem Blute lagst, als ein Verworfenes, und daß dich der mächtigste, reichste und ewige König, als die Schönste vor allen Menschen, auserwählt, gewaschen, durch sein eigenes Blut erkauft und zu seiner Königin angenommen hat. Und wie wir stets unserer Erlösung eingedenk sind, so ist dies eine Ermahnung, oder sollte eine Ermahnung sein, daß man allein bei dem königlichen Bräutigam bleibe und ihn aus Üppigkeit oder Vermessenheit nicht verlasse und andern nachlaufe, denn, wer ihn verlässt, den verlasst er auch wieder; seine eifersüchtige Liebe kann es nicht ertragen, noch leiden, daß man einen andern lieber hat oder lieber gewinnt als ihn; ein solcher ist seiner nicht wert. Ach, nicht so, um keines Dinges willen! Obgleich du hier, wie eine Lilie, von Dornen umgeben bist, und obschon der Dornenbaum oder Dornenbusch die Regierung der Welt an sich gebracht hat, so unterlasse deshalb nicht, deine Süßigkeit mitzuteilen, du schöner Liliengeruch, deine schönen Trauben und Fettigkeit zu geben, damit ein jeder in seinem Berufe erfunden werde, als ein lieblicher Geruch Christi; den Armen, daß sie fleißig seien in ihrer Arbeit, wenn sie einen Stüber oder einen halben zu verdienen wissen, damit sie vor dem Herrn ein unschuldiges Gewissen haben mögen; ferner, daß diejenigen, welche im Überfluss haben, dasselbe mit getreuem Herzen mitteilen. Wenn es so zugeht, so können die Diener mit fröhlichem Herzen dienen, wenn ein jeder seinen Dienst anbietet, insbesondere wenn wenige Diener sind.

Hiernächst schreibe ich euch, ihr 60 Starken, habt doch stets ein starkes Gemüt, und seid immer wohl versehen mit dem Schwerte des Geistes an eurer Seite, damit ihr die schöne Braut vor jedem Unfall oder Nachtschrecken beschützt, und nehmt allen Verstand gefangen, der sich wider den Gehorsam Christi erhebt.

Bewahrt doch wohl mit treuem Herzen diesen Lustgarten des Herrn, damit die listigen Füchse, die hineinschlüpfen, nicht darin nisten, noch die wühlenden Schweine ihn aufwühlen, wodurch oftmals die jungen Schosse ihre Kraft verlieren und verwelken. Müsst ihr auch schon bisweilen den falschen Brüdern unter die Augen treten, weicht deswegen nicht zurück! Werdet auch nicht schwach, denn wenn ihr weicht, was werden die anderen tun?

Darum seid stark im Gemüte in dem Herrn, weil euch der Geist der Gemeinde zum Werke des Herrn erwählt hat; streckt eure Hälse aus; tragt eure Seelen in euren Händen, und zieht fort im Namen des Herrn. Wenn man euch dann droht, so denkt, wir sind in der Hand des Herrn; ihr seid Erde und Asche; der Herr wird uns wohl bewahren. Denkt, wir sind nicht besser als unsere Brüder. Und wenn es dann geschieht, daß einer seiner Zeit Ende erreicht hat, daß sein Lauf vollendet ist und er als Gold vor Königen, Herren und den Regenten der Finsternis dieser Welt geprüft werden muss, um den Namen des Herrn zu preisen, so setzt gleichwohl eure Reise fort, und stellt die tapferen Helden euch zum Exempel vor, wie Abraham, Mose, Josua, Kaleb, Samson, Gideon, David, die Propheten und Apostel. Betrachtet die alten Zeiten, wie kräftig der Herr den Feinden auf den Hals getreten habe, wie Josua zu seinen Starken sagte, daß der Herr auf gleiche Weise mit allen verfahren werde, die sich wider sie setzen würden; darum sagte er: Fürchtet euch nicht.

Geliebteste, haltet mir mein einfaches Schreiben zu gut, denn ist es auch schlecht und mangelhaft, so denkt dabei, ich habe dadurch ein wenig meine Freimütigkeit und mein zugeneigtes Gemüt, welches ich Unwürdiger gegen euch getragen habe, und noch trage, zu erkennen gegeben; ja ich habe solches Vertrauen durch des Herrn Gnade, daß mich niemand von der großen Liebe wird scheiden können, die ich zu euch und dem Herrn habe.

Darum bin ich in allem getrost, was mir zustößt, denn ich finde große Treue bei unserm Herrn, der ein rechter Nothelfer ist, und der die Seinen nicht verlässt, denn ich habe nun, durch des Herrn Hilfe, bis aufs Blut gestritten; ich habe Glauben gehalten, und großen Trost in mein Herz empfangen, sodass ich mich in meinem Leiden erfreuen kann, und das durch die Hilfe eures Gebetes und durch die Mitwirkung des Heiligen Geistes, ja, ich kann euch die große Freude, die ich jetzt habe, nicht genug beschreiben, weil der Herr meinen Mund bewahrt hat.

Darum bitte ich euch sämtlich sehr liebreich, freut euch, und lobt den Herrn mit mir, daß er seinem armen Knechte so treulich geholfen und mir in meiner Pein eine Erleichterung und ein Mittel gegeben hat, daß ich es ertragen konnte.

Ach, Geliebteste, ist es nicht ein großer Trost, daß der heilige, gute Gott sich uns zum Schuldner gemacht und uns Verheißungen gegeben hat (merkt, Versprechen macht Schuld) wenn er sagt: Wenn auch eine Mutter des Sohnes ihres Leibes vergäße, so will ich doch dich nicht vergessen; wenn wir anders ihn nicht verlassen, und unsere erste Geburt so leicht verkaufen, wie Esau um sein bisschen Leben tat, wovon doch Christus sagt: Wer sein Leben zu erhalten sucht, der wird es verlieren. Ach, leider, der verliert es übel, der es nicht wieder findet! Aber der verliert es wohl, der wiederum ein unvergängliches findet.

Dies ist ja die Verheißung Christi, die er uns durch seine Gerechtigkeit und Leiden erworben hat; aber wir müssen auch bis zum Tode für die Wahrheit treulich streiten und unsere Seele durch den Gehorsam der Wahrheit reinigen, um in diesem kurzen Streite zu beharren; darum zieht den Harnisch Gottes an, mit welchem ihr alle feurigen und listigen Pfeile des Bösewichts auslöschen könnt; gürtet eure Lenden mit dem Gürtel der Wahrheit, zieht den Panzer oder die Waffen der Gerechtigkeit an, und seid an euren Füßen mit dem Evangelium des Friedens gestiefelt, damit ihr in allen Dingen bereit stehen mögt; vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, und fasst den Helm des Heils, welcher die lebendige Hoffnung ist, und fasst das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist, und bittet allezeit in jedem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geiste; mit diesen Waffen könnt ihr alle eure Feinde durch Geduld und Sanftmut überwinden.

Überdies habt ihr viele Zeugnisse in der Schrift; wie denn auch ich Unwürdiger, euer bekannter, schwacher Bruder, Zeugnis gebe, daß dies die rechten Waffen sind, denn ich kann nun hiervon schreiben, um des Sieges willen, den ich durch Christum Jesum erhalten habe, welcher mir allezeit das Feld erhalten hilft; ihm allein sei Preis, Ehre, Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Hiermit will ich euch, meine geliebtesten Mithelfer, Brüder und Schwestern, dem allmächtigen Gott und dem reichen Worte seiner Gnade anbefehlen, der mächtig ist, euch alle zu stärken und das Gute, das er in euch angefangen hat, zu vollenden, und euch zu seinem ewigen Reiche zu bringen, Amen.

Hiermit sage ich euch allen gute Nacht auf dieser argen Welt, die voller Bosheit ist; bei Christo Jesu, unserm Bräutigam, will ich euer warten, und sodann euch wieder sehen, in vollkommener Freude; dazu wolle der Herr seine Gnade geben, Amen.

Schließlich bitte ich demütig, ihr wollt es mir von Herzen vergeben, wenn ich jemanden mit Worten, Wesen oder Werken betrübt habe; ein Gleiches tue ich auch von Herzen, aber ich wollte, daß es mit mir besser gewesen wäre. Gehabt euch wohl und habt guten Mut.

Geschrieben von mir, Jan Wouterß, eurem schwachen Bruder und geringsten Mitgliede, der um des Zeugnisses des Evangeliums Christi willen gefangen liegt, zu Dortrecht den 3. März im Jahre 1572.

Ich wurde vergangenen Samstag vor acht Tagen gefoltert, und den Mittwoch darauf abermals. So trage ich nun die Malzeichen des Leidens Christi an meinem Leibe, welchem ich wohl hätte entgehen können, wenn ich hätte sagen wollen, was man von mir begehrte; aber ich hätte dann gegen die Schrift, gegen die Liebe und gegen mein Gewissen gehandelt, und wäre mit einem unruhigen Herzen gestorben; viele Herzen hatten sich darüber betrübt, aber jetzt habe ich das Vertrauen, daß viele sich mit mir freuen, fröhlich und wohlgemut sein und Gott preisen werden.

Darum nehmt euch alle in euren Herzen fest vor, dasjenige zu tun, was wohl lautet und ehrbar und Gott gefällig ist; ruft den Herrn um Stärke an, und glaubt gewiss in euren Herzen, daß er euer Gebet erhöre; haltet ihm in eurem Gebete seine eigenen Verheißungen vor, dann werdet ihr nicht zu Schanden werden, denn David sagt: Er erhört das Gebet der Elenden. Ferner freut euch, daß unsere Feinde von unserer lieben Schwester, die mit mir gefangen ist, durch die Folter nichts haben erfahren können. Darum lobt den Herrn, ihr Heiligen. Seid alle von mir Unwürdigem herzlich gegrüßt, im Namen des Herrn mit der Liebe und dem Frieden Christi. Ich sage euch allen für eure christliche Gemeinschaft meinen Dank. Ach Geliebteste, lasst doch bei euch bleiben, was ihr von Anfang gehört und angenommen habt, und hütet euch vor denen, die euch dasselbe nehmen wollen, denn ich Unwürdiger bezeuge es, daß ihr in der unverfälschten Wahrheit steht; erfüllt dieselbe in der Furcht Gottes, dann werdet ihr Frieden haben. Von mir, Jan Wouterß Kuyk, in Bunden geschrieben.