Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.565

Zum Inhaltsverzeichnis

2.565  Des Jan Wouterß elfter Brief an seinen jüngsten Schwager P. J.

Gnade und Friede von Gott, dem Vater, durch Jesum Christum, und die Mitwirkung des Heiligen Geistes vermehre sich bei dir, mein sehr geliebter Bruder und bei allen, die ihre Seligkeit von ganzem Herzen suchen, in dem Namen Jesu Christi, damit man doch in diesem letzten Streite, der uns vorgelegt ist, mit des Herrn Hilfe bestehen und denselben in Geduld vollenden möge, unserm Nächsten zum Vorbilde, der Welt zum Lichte, zur Seligkeit der Seelen und Gott zum Preise, Amen.

Nach diesem herzgründlichen Wunsche kann ich nicht unterlassen, dir ein wenig zu schreiben, damit wir beide dadurch ein wenig erquickt werden möchten. Zunächst sollst du wissen, daß ich unserm Gott für seine Gnade nicht genug danken kann, daß er mich unwürdigen, armen und verächtlichen Menschen zu diesem Stande berufen hat, wodurch ich die große Liebe fühle, die er zu mir Unwürdigen hat; nach seiner Barmherzigkeit züchtigt er mich, womit er beweiset, daß ich kein Bastard bin. Ach, welch eine große Gnade ist das, daß der gute Gott meine Seligkeit sucht, welche Seligkeit ich auch gänzlich gesucht und darum gebeten habe, wie ich auch noch jetzt tue, und wie ich dir denn auch, ehe ich in Banden war, geschrieben habe, du wollest mir beten helfen, daß mir der Herr dasjenige geben und über mich kommen lassen wolle, was mir selig ist; ich vertraue auch zu seiner Gnade, daß er es aus großer Barmherzigkeit vollbringen werde, nach seiner Verheißung und guten Art, nicht aber nach meiner Gerechtigkeit, denn seine Gnade weiß es besser, was mir nötig ist, als ich; darum müsse sein Wille geschehen, zu meiner Seligkeit, um mich vor dem Unglücke zu bewahren, welches öfters durch des Satans Werk entsteht, welches er in den Kindern des Unglaubens hat; denn ich habe von meiner Jugend an gefunden, daß eine Mühe und eine Schwierigkeit auf die andere folgt; und wer die Seligkeit und der Gemeinde Wohlfahrt von Herzen sucht, der hat viele Geburtsschmerzen. Überdies hat man an sich selbst viel zu töten und absterben zu lassen und immer zu streiten, sodass man selten ohne Streit ist, wie viele fromme Zeugen Gottes, unter denen auch Paulus; aber alle, die nicht müde werden und überwinden, werden alles besitzen; den Überwindern ist die Krone verheißen. Darum werde doch niemand matt oder müde, indem wir wissen und glauben, daß wir einen solchen starken Helden haben, welchen man nicht überwinden kann, aber die Bösen müssen ihm weichen. Paulus sagt: Ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein? Der Herr sagte zu Abraham: Fürchte dich nicht, ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. Der Herr sprach, ja, gebot ihm, daß er guten Mutes sein, sich nicht fürchten und nicht verzagt sein sollte; er verhieß ihm, daß er allezeit mit ihm sein wolle, wo er hinginge (ebenso ist er auch mit Mose, seinem treuen Knechte gewesen) und daß er Tag und Nacht an das Gesetz Gottes denken (ach, hierin komme ich viel zu kurz, was mir von Herzen leid ist) und daß er davon nicht abweichen sollte, weder zur rechten, noch zur linken Hand, dann würde sein Weg glückselig und voller Segen sein, und er würde die Feinde mit Füßen zertreten und wie Brot verschlingen; ja, Gott sandte seinen Engel, wie er verheißen hatte, als einen Vorfechter, sodaß der Herr selbst den Streit führte. Ach, ist das nicht ein getreuer Gott, wer sollte nicht auf sein kräftiges Wort vertrauen? Und sieht man ihn auch nicht mit leiblichen Augen, so sieht man doch täglich sein Geschöpf vor Augen, das durch die Kraft seines Wortes noch in seiner Kraft steht, und wäre es auch nur ein Blümlein aus der Erde.

Darum laß uns fest stehen auf des Herrn Wort und Verheißung, wenn uns auch bisweilen ein Sturm überfällt, damit wir mit Petrus nicht versinken, sondern über dieses wilde Meer zum Herrn gehen; laß uns im festen Vertrauen auf sein Wort im Glauben allezeit den Herrn um Stärke bitten, wie einer der niemals gesättigt wird. Ich Unwürdiger werde seiner Treue jetzt in meiner Lage wohl gewahr; ewig müsse er gelobt sein; er hat uns verheißen, uns beizustehen, und uns nicht zu verlassen, wie er durch den Propheten sagt: Kann auch eine Mutter des Sohnes ihres Leibes vergessen, daß sie sich seiner nicht erbarmen sollte? Und wenn sie das auch täte, so will ich dich doch nicht verlassen; auch ist er der Armen Stärke, eine feste Zuflucht und ein rechter Nothelfer, ja, er bewahrt die Seinen im Wasser, Banden und im Feuer, wie seinen Augapfel; wer nun seine Auserwählten beleidigt, der beleidigt ihn, wie denn der Herr zu Saul sagte: Was verfolgt du mich? Und wer seinen Auserwählten in seinem Namen Gutes tut, der tut ihm Gutes. Darum wolle ein jeder fleißig daran sein, und Gutes tun mit Lust, ohne Verdruss, denn zu seiner Zeit werden wir auch ohne Aufhören ernten, ebenso werden auch die Guten zum ewigen Leben auferstehen; zum Guten sind wir erschaffen durch Christum. So bringe denn ein jeder gute Früchte hervor, indem er dazu gesetzt ist; dann wird Gott, unser himmlischer Vater, geehrt werden; er wird uns noch mehr reinigen, damit wir noch reichere Früchte hervorbringen und aufwachsen, in dem vollkommenen Alter Christi. Wenn wir so handeln werden, so sollen wir die Zukunft unseres Herrn und Bräutigams erwarten, und das mit Geduld, denn Geduld ist der Gottesfürchtigen Stärke. Für dies Mal nichts Besonderes mehr und nur noch das, daß du haltest, was du hast; sei getreu bis zum Tode, denn dein und mein Glaube ist die unverfälschte Wahrheit; vollbringe dieselbe in der Gottesfurcht, durch des Herrn Hilfe, dann wirst du Frieden mit dem Herrn haben, nach seiner Verheißung. Sei wohl getröstet in dieser kurzen Zeit deiner Wallfahrt, traure nicht um mich, obgleich ich jetzt mit der Taufe des Leidens getauft werde, und den Kelch des Leidens trinke; das gereicht zu meiner Seligkeit; später erwarte ich, durch des Herrn Gnade, die Krone des Lebens. Was hat es zu bedeuten, es muss einmal geschieden sein; wenn ich an der Pest oder an einer andern Krankheit gestorben wäre, so müssten ja mich alle entbehren, die meine Person lieb haben; überdies ist es auch offenbar, daß ich nicht als ein Übeltäter leide, sondern weil ich Christum Jesum angenommen habe, was mich auch keineswegs reut. Sei herzlich in dem Herrn gegrüßt, mein liebes Weib, wie auch die Deinigen und alle Gottesfürchtigen; bitte für mich und laß für mich bitten, Amen.